Krieg im Nahen Osten: Die Hisbollah entwaffnen
Im Libanon stellt eine aus Teheran finanzierte Terrororganisation die stärkste militärische Macht. Ohne die Hisbollah wäre ein Frieden längst möglich.
E s sind düstere Tage für den Nahen Osten. Viele ZivilistInnen wurden schon getötet, und es werden vermutlich noch viele mehr. Niemand hat die seit Monaten befürchtete Ausweitung des Kriegs verhindert. Der anklagende Zeigefinger richtet sich jetzt auf Israel. Benjamin Netanjahu, so der Vorwurf, der in Israel und weltweit laut wird, heize die Gewalt an. Nur solange die Kriege im Gazastreifen und im Libanon andauerten, das sei Netanjahus Kalkül, sei auch seine Macht gesichert. Das mag stimmen. Es ist aber nur der eine Teil der Wahrheit.
Der furchtbare Krieg im Gazastreifen, der auf das Massaker, der palästinensischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel folgte, ist für die libanesisch-schiitische Terrororganisation Hisbollah erklärtermaßen Grund für den seither andauernden Beschuss auf Israels Norden. Aus Solidarität mit den PalästinenserInnen sollen die Angriffe aus dem Libanon fortgesetzt werden, solange der Krieg im Gazastreifen andauert. Dahinter steckt jedoch ein nicht weniger kaltes Kalkül aufseiten der Hisbollah.
Die Kooperation der beiden Terrororganisationen, deren Kampf gegen Israel unterschiedlich beurteilt werden sollte, stützt sich keinesfalls auf gegenseitige Liebe – Sunniten und Schiiten betrachten einander als Ungläubige. Beide Terrororganisationen verfolgen das Ziel, die jüdischen Menschen aus Israel zu vertreiben. Unterschiedlich ist ihre Motivation. Die Hamas kämpft für die Befreiung des aus ihrer Sicht palästinensischen Landes „from the river to the sea“, Israel inbegriffen.
Sie ist eine antizionistische Terrorgruppe, keine antisemitische. Juden und Jüdinnen, die nicht in Israel oder in den palästinensischen Gebieten leben, sind für sie keine Gegner. Nicht so die Hisbollah, die global agiert – und zwar nicht nur, um Spenden zu sammeln oder Waffen einzukaufen, wie es die Hamas auch tut. Sie geht weltweit mit Terror gegen jüdische Menschen vor.
Verlogene Solidaritätsbekundungen
Anders als in Gaza und dem Westjordanland sind die Menschen im Libanon keinerlei Menschenrechtsverletzungen durch israelische BesatzungssoldatInnen oder SiedlerInnen ausgesetzt. Seit Israel die Truppen im Sommer 2000 aus dem Südlibanon abgezogen hat, gibt es keinen relevanten Gebietsstreit zwischen den beiden Nachbarstaaten. Die Besatzung ist lange vorbei.
Die Solidarität mit den PalästinenserInnen, die sich die Hisbollah auf die Fahnen schreibt, entlarvt sich spätestens mit Blick auf die Flüchtlingslager im Libanon als heuchlerisch. Seit mehr als 70 Jahren leben dort PalästinenserInnen, inzwischen schon in der dritten und vierten Generation, ohne staatsbürgerliche Rechte. Sie dürfen nicht an Wahlen teilnehmen, zahlreiche Berufe bleiben ihnen verwehrt. PalästinenserInnen, ob im Gazastreifen, im Westjordanland oder eben auch im Libanon, sind der Hisbollah völlig egal. Die Zerstörung Israels ist ihre Raison d’Être.
Israel führt keinen Krieg gegen den Libanon, sondern gegen eine Terrororganisation, die von den Ajatollahs gut 3.000 Kilometer weit weg in einen Kampf geschickt werden, der nicht sein muss. Ajatollahs, die daheim Frauen in die Gefängnisse stecken, vergewaltigen und foltern lassen, weil sie kein Kopftuch tragen; die Hamas-Terroristen mitfinanzieren und Geld in den Jemen schicken, damit auch die Huthis von Zeit zu Zeit eine Rakete nach Tel Aviv schicken können.
Die Hisbollah und der Iran sind ein und derselbe Gegner für Israel. Aus dem Iran kommen Waffen, Geld, militärisches Know-how und entsprechend Handlungsanweisungen. Dass Teheran die Raketenangriffe gegen Israel als einen „Akt der Selbstverteidigung“ bezeichnet, spricht für sich. Wer die furchtbare Eskalation im Nahen Osten in diesen Tagen deshalb allein auf das politische Kalkül Netanjahus zurückführt, geht dem inszenierten Solidaritätsnarrativ der Hisbollah auf den Leim.
Die libanesische Armee stärken
Dass es zu einer Eskalation kam, kommen musste, ist aber auch zugleich ein Versagen der internationalen Gemeinschaft, der Unifil (United Nations Interim Force) und auch der deutschen Marine, die seit 2006 vor der libanesischen Küste stationiert ist. Mit dem damaligen Waffenstillstandsabkommen lautete ihr Auftrag, eine Aufrüstung der Hisbollah zu unterbinden und zeitgleich die libanesische Regierung und Armee zu unterstützen. An dieser Mission sind alle gescheitert.
Stattdessen hat man zugesehen, wie die Terroristen ihre Raketenlager auffüllen. Die internationale Gemeinschaft steht in der Pflicht, die Terroristen im Libanon, die sich feige in Wohngebieten, unter Schulen und Krankenhäusern verstecken, zu entwaffnen. Um Frieden zwischen den beiden Nachbarstaaten möglich zu machen, darf es im Libanon nur noch eine bewaffnete Macht geben: die libanesische Armee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“