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Konservative in Baden-WürttembergDie schwäbische Schwertgosch

Susanne Eisenmann könnte Winfried Kretschmann gefährlich werden. Nun wird sie zur Spitzenkandidatin der baden-württembergischen CDU gewählt.

Will konservative Akzente setzen: Susanne Eisenmann Foto: Imago Images / Thomas Koehler

Stuttgart taz | Wenn Susanne Eisenmann in den Angriffsmodus wechselt, dann rutscht sie erst unruhig auf dem Sessel herum, schnickt mit nervösen Kopfbewegungen die blonden Strähnen aus der Stirn. Und wenn sie das Kinn angriffslustig nach vorn reckt, gehen Gesprächspartner, die sie kennen, vorsorglich in Deckung.

Einer politischen Rauferei geht die baden-württembergische Kultusministerin nie aus dem Weg. Aber immerhin, vor Eisenmanns Schwertgosch, wie die Schwaben so ein flinkes, scharfes Mundwerk nennen, sind alle gleich: „Ist das etwa falsch, was ich hier sage?“, blafft sie etwa in einer öffentlichen Veranstaltung einen Lehrer an, der die Antwort der Ministerin mit zweifelndem Kopfschütteln entgegennimmt.

Schülervertretern sagt sie unverblümt, wenn sie ihre Vorschläge für „Blödsinn“ hält. Und auch Kultusministerkollegen und Bildungspolitiker im Bund erinnern sich noch lange an den unerbittlichen Verhandlungsstil der Ministerin aus Baden-Württemberg. Ein begründetes Nein sei ihr halt lieber „als ein unehrliches Ja“, sagt sie kühl, wenn man sie darauf anspricht.

Daheim im Stuttgarter Kabinett sind ihre Auftritte legendär. Gleich nach ihrer Ernennung zur Kultusministerin 2016 schoss sie dort das erste Mal in die Decke. Die grüne Finanzministerin Edith Sitzmann hatte vom Kabinettsneuling größere Einsparungen verlangt als im Landeshaushalt vorgesehen. Statt sich dem Spardiktat zu unterwerfen, ging Eisenmann ins Fernsehen: Wenn sie, wie von der Finanzministerin verlangt, einsparen müsse, sei eben kein Geld mehr für Inklusion und den Ausbau der Ganztagsschulen und andere grüne Projekte da.

Eisenmann rettete ihr Budget. Und selbst Winfried Kretschmann war von der durchsetzungsstarken Ministerin beeindruckt. Der Tadel des Ministerpräsidenten für den ruppigen Einsatz soll milde ausgefallen sein. Eisenmann sagt: „Ich wusste, wenn du dich da vorführen lässt, dann verlierst du jede Autorität.“

Männliche Strategien

Es sind recht männliche Strategien, mit denen sich Susanne Eisenmann, 54, geschult in einer männerdominierten Partei, durchsetzt. Damit macht man sich nicht unbedingt beliebt. Aber mit ihrem unerschrockenen und burschikosen Auftritten, meist mit offenem Visier und ohne Redemanuskript, hat sich Susanne Eisenmann in ihren fast drei Jahren auf einem ganz ungemütlichen Sessel im Kabinett bei Freund und Feind immerhin Respekt verschafft. So einer trauen konservative und liberale CDUler in lange nicht mehr gesehener Einigkeit zu, Kretschmann bei der Landtagswahl 2021 das Amt ernsthaft streitig zu machen. Und deshalb werden sie Susanne Eisenmann an diesem Samstag wohl mit einem glänzenden Ergebnis zur Spitzenkandidatin küren.

Mit ihrem unerschrockenen Auftritten hat sie sich bei Freund und Feind immerhin Respekt verschafft

Als Eisenmann vor drei Jahren auf Vorschlag von Thomas Strobl aus dem Stuttgarter Rathaus in das Landeskabinett wechselte, war das noch anders. Da hatten viele Mitglieder in Fraktion und Partei die Nase gerümpft: Eine Frau aus der Kommunalpolitik, noch dazu eine vom hyperliberalen Flügel der Partei, sollte Ministerin werden? Da seien ja wohl erst mal andere an der Reihe. Jetzt könnte ausgerechnet diese Frau die letzte Chance der CDU sein, wieder das herzustellen, was aus der Sicht der CDU in Baden-Württemberg vor Kretschmann und von jeher der Normalfall war: Dass die CDU den Regierungschef – in diesem Fall die Chefin – stellt.

Es ist also auch der Mut der Verzweiflung, der sogar Konservative in der Partei dazu bringt, sich hinter Eisenmann zu stellen. Nach der historischen Niederlage bei der Landtagswahl 2016 mussten sie als Juniorpartner eine Koalition mit den Grünen eingehen. Zweieinhalb Jahre später wirkt die Südwest-CDU inhaltlich so entkernt, dass es Kretschmann sogar gelingt, der Union das Label „konservativ“ streitig zu machen.

Geht es nach der designierten Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, darf er dieses Etikett gern behalten. Die gebürtige Stuttgarterin gilt als Vertreterin der urbanen CDU, die wenig Probleme mit den Themen Homoehe, Ganztagsschulen und Migration hat. Konservative sind in ihren Augen oft Menschen, die wichtige Themen verpassen, weil sie sie für eine Mode halten – daher warnt Eisenmann die eigenen Leute davor, zu glauben, dass Gendergerechtigkeit und Klimaschutz wieder von selbst von der Tagesordnung verschwinden.

Dass Eisenmann trotzdem konservative Akzente setzen kann, hat sie als Kultusministerin bewiesen. So machte sie die unter grün-rot eingeführte Gemeinschaftsschule zwar schon als Stuttgarter Schulbürgermeisterin salonfähig, in einer Zeit also, als ihre Partei diese Schulform noch bekämpfte. Aber als Kultusministerin stellte sie sie jetzt unter strenge Leistungskontrolle. Sie schaffte das vermeintlich progressive Konzept „Schreiben nach Gehör“ in den Schulen wieder ab und setzt sich für bundesweit einheitliche Abiturprüfungen ein.

Fachpolitik und Machtpolitik

Eisenmann findet das nicht links oder rechts, sondern pragmatisch. „Aus der Sachpolitik heraus Themen mehrheitsfähig machen“ nennt sie das. Und auch mal die Grünen auf dem eigenen Terrain angreifen. Etwa wenn sie daran erinnert, dass Baden-Württemberg trotz grünem Ministerpräsidenten und Umweltminister die Klimaziele verfehlt.

Dabei ist ihre eigene Bilanz als Ministerin eher durchwachsen. Das von ihr gestartete Leuchtturm-Projekt „Ella“, eine digitale Plattform für Lehrer, Schüler und Eltern, konnte nicht wie geplant an den Start gehen. Es bleibt ein Millionenschaden und eine jahrelange Verzögerung der Digitalisierung an den Schulen. Eigentlich versprach die Kultusministerin, nach Jahren der Reformen Ruhe in den Apparat zu bringen. Aber mit einer Verwaltungsreform, die kaum einen Stein auf dem anderen lässt, erreicht sie eher das Gegenteil. Von ihren Vorgängern erbte sie zudem schlechte Ergebnisse beim bundesweiten Bildungsranking. Jetzt muss sich die Ministerin von Experten aus Schleswig-Holstein erklären lassen, wie man die Schulen in Baden-Württemberg wieder auf das gewohnte Niveau bringt.

Wochenendkasten 27./28. Juli 2019

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Doch Fachpolitik ist das eine, Machtpolitik das andere. 14 Jahre lang lernte sie als Günther Oettingers rechte Hand den politischen Betrieb in Stuttgart von innen kennen. Der damalige CDU-Fraktionschef mit Ambitionen auf den Ministerpräsidentensessel hatte die frisch promovierte Germanistin von der Universität weg als Büroleiterin verpflichtet.

Man könnte es fast konsequent nennen, dass sie später dessen Pressesprecher, den heutigen Chef der Baden-Württemberg-Stiftung Christoph Dahl, heiratete. Im Stuttgarter Gemeinderat brachte sie es trotz erheblicher Widerstände von Parteifreunden erst zur Fraktionschefin, dann zur Schulbürgermeisterin. Dort erwarb sie sich erstmals den Spitznamen „Rambo“, weil es ihr gelang, mit robusten Verhandlungsmethoden beim damaligen Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) Geld für ihr Ressort lockerzumachen.

Sturm auf die Villa Reitzenstein

Mit Föll schloss sie Anfang des Jahres dann ein überraschendes Bündnis. Sie ernannte ihn zum Amtschef in ihrem Ministerium. Der einstige Gegner sollte ihr dabei helfen, sie für den nächsten Karriereschritt in Stellung zu bringen: den Sturm auf die Villa Reitzenstein, den Amtssitz des Ministerpräsidenten.

Gegner zu Verbündeten machen gehört genauso zum Repertoire von Eisenmann, wie sich beizeiten von Freunden zu trennen. Das musste im Frühjahr Thomas Strobl erfahren, mit dem sie eine Freundschaft aus Tagen bei der Jungen Union verband. Er war es, der sie 2016 als Ministerin durchgesetzt hatte. Und er hielt sich selbst für gesetzt als Parteichef, Innenminister und Kandidat für das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten im Jahr 2021. Doch parteiintern wurden dem glücklosen Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble schon länger keinerlei Chancen gegen Kretschmann eingeräumt. „Der hat nicht geliefert“, heißt es ungnädig aus der Partei. Und so lief nicht ganz zufällig bald alles auf die einstige Außenseiterin zu.

Wo sich Strobl nach Parteiversammlungen schnell zurückzog, verstand es Eisenmann in den letzten beiden Jahren, mit Charme bei Wein und Zigaretten einen Draht zur Parteibasis aufzubauen und Allianzen zu schmieden. Im Mai, nach der verlorenen Europa- und Kommunalwahl, war es dann Eisenmann selbst, die Strobl unmissverständlich klarmachte, dass er nun Platz für sie, die einstige Weggefährtin, machen müsse. Wohl das vorläufige Ende einer Freundschaft.

Der amtierende Ministerpräsident, dem sie jetzt als Nächstes das Amt streitig machen will, ist da sicher ein anderes Kaliber. Der Landesvater ist ungleich beliebter und bekannter als seine Kultusministerin. Aber das Duell Kretsch- contra Eisenmann ist noch längst nicht entschieden. 71-jähriger Mann gegen deutlich jüngere Frau, bodenständiger Landesvater gegen angriffslustige Städterin, liberale Schwarze gegen konservativen Grünen, das könnte manchen, der irgendwie progressiv wählen möchte, in Verwirrung stürzen.

Mit ihrer frühen Nominierung, zwei Jahre vor der Wahl, lässt die 54-Jährige den Amtsinhaber zumindest schon mal als Zauderer dastehen. Kretschmann, der zur Zeit seinen Urlaub Homer lesend in Griechenland verbringt, möchte erst nach der Sommerpause bekannt geben, ob er noch einmal antritt. Susanne Eisenmann ruckelt sich derweil schon mal in Angriffsposition.

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8 Kommentare

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  • Wie inzwischen üblich: Unvollständig: 1. Es gab schon einmal eine Bewerbung einer Kultusministerin (mit Schlagfertigkeit, Reformwahn, der peu à peu zurückgefahren werden muss) um das Amt des MP. 2. Oettinger hat seinerzeit Täter mit Opfer verwechselt und wurde weggelobt 3. Die letzten 8 Führenden des Ministeriums waren entweder Laien oder erfolglos (MV war Jurist, Schultz-Hector trat vorzeitig zurück) 4. Der Kahlschlag führender CDUler erfolgte durch Mappus. 5. Strobl ist nicht glücklos sondern unfähig. 6. „Rambo“ als Qualitätskriterium ist zumindest fragwürdig, im Schulbereich ohnehin. Wenn Lehrende für den Erfolg der Jugend hauptverantwortlich sind (Hattie-Studie), dann sind Rambo-Methoden à la MV oder Mappus nicht zielführend. Auch Schavan konnte nur deshalb viel (Sinnloses) durchsetzen, weil der letzte einigermaßen erfolgreiche schwarze MP Teufel sie alles machen ließ 7. Die erste rote Bildungsministerin in Ba-Wü musste wegen Unfähigkeit bereits nach 2 Jahren gehen, ihr Verbleib ist unbekannt. 8. Eine Frau à la Malu Dreyer vom Nachbarland sollte der Standard sein, nicht eine Rambo-Frau

  • Was sind denn recht männliche Strategien, die sich Frau hier zu eigen gemacht hätte?

  • "Es sind recht männliche Strategien..."

    Auch mit Bluse kann man hemdsärmelig sein.

    • @pitpit pat:

      "Männlich konnotiert" oder "patriarchal" wären wohl genauere Ausdrücke gewesen.

      • @Uranus:

        Ich habe mich weniger an der Formulierung als an der dahinterliegenden Zuschreibung gestoßen: aggressiv = männlich (oder: aggressiv ungleich weiblich)

        Klar, ich weiß, dies ist das klassische Rollenbild und es wird auch noch gelebt.



        Aber wir alle kennen soviele Gegenbeispiele aus unserem eigenen Umfeld, dass mir diese Attribution doch ein wenig nach Reproduktion dessen riecht, was sie eigentlich abschaffen möchte.

        Ich bin's nicht oft, aber hier bin ich wohl mal mit Janus einer Meinung ;)

        • @pitpit pat:

          Insofern wäre patriarchal ein guter Begriff, weil dieser die Verbindungen zum Patriarchat und unterdrückerischer Strukturen hervorhebt und weniger ein pauschales Männerverhalten betont. Und klar, kann/sollte mensch versuchen für emanzipatorische Gegenbeispiele zu sorgen (das Patriarchat bringt ja auch durchaus Nachteile und Rollenbeschränkungen für Männer mit sich) und für Profeminismus eintreten. Da können interessante Erfahrungen gemacht werden bspw. mit alkoholfreiem Bier und Sojawurst am Grill, in einer Beziehung paritätisch um Haushalt und Kinder (wenn vorhanden) kümmern (ist leider nicht immer so sichtbar wie wenn das Baby im Tragetuch getragen wird ;)) ...

      • @Uranus:

        Und was macht dann bitte das Patriarchat aus, wenn auch Frauen diese Haltung ohne Weiteres annehmen können?

        • @Januß:

          Diese Haltungen/Strategien stammen vom Partiarchat bzw. sind vorwiegend dort vorzufinden. Patriarchat verstehe ich u.a. als ein System, das durch Männer anhand typischer Herrschaftsstrategien dominiert wird und aus denen Männer viele Vorzüge ziehen können. Dass da manche Frauen mitmachen können und sich ebenso verhielten hebt nicht Sexismus auf, der Frauen generell trifft.