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Kommentar zu Doktortiteln von PolitikernDer Plagiatsknick

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Ursula von der Leyen gerät wegen Plagiatsvorwürfen in Bedrängnis. Wer einen Doktortitel hat, wird besser nicht SpitzenpolitikerIn.

Diesmal unter der Lupe: die Doktorarbeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (Mitte) Foto: dpa

E s gab eine Zeit in der BRD, in der gehörte ein Doktortitel zum Dasein eines Spitzenpolitikers wie heute der Twitter-Account. Ebenso, wie es sich damals für Männer geziemte, auch im Sommer lange Hosen zu tragen. Der Nachweis akademischer Expertise war jedoch mehr als nur ein Dekor akademischer Eitelkeit. Der Dr. in der Signatur verhieß einen schnelleren Aufstieg in der Partei. So bei den Exkanzlern Erhard und Kohl und den Bundespräsidenten a. D. Heinemann, Carstens, von Weizsäcker und Herzog.

Und wer sich wie Helmut Schmidt während der Sturmflut 1962 auf anderem Wege das Vertrauen des Volkes sicherte, der wurde später als Kanzler mit Ehrendoktorwürden überhäuft. Als ob die fehlende Würde einen Makel darstellte, den es doppelt und dreifach zu beheben gelte. Oder 24-fach wie bei Schmidt.

Mit den jüngsten Plagiatsvorwürfen gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) scheinen diese Zeiten passé. Kanzlerin Angela Merkel – selbst noch unbefleckte Würdenträgerin – musste bereits zwei Minister fallen lassen, weil sie bei der Dissertation gehörig abschrieben: 2011 Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und 2013 die Bildungsministerin Annette Schavan. Von zahlreichen nachrangigen Politikern ganz zu schweigen. Wer erinnert sich noch an Silvana Koch-Mehrin?

Von der Leyen zumindest scheint zu ahnen, in welcher Gefahr sie schwebt. Die Medizinische Hochschule Hannover will ihre Doktorarbeit einer Hauptprüfung durch eine fünfköpfige Kommission unterziehen. Von der Leyen stellt sich nicht dumm wie zu Guttenberg, der selbst bei seinem Rücktritt noch keine Täuschung eingestand. Sie kämpft nicht aus falscher Eitelkeit wie Schavan, die sich damit als Bildungsministerin unmöglich machte. Von der Leyen versucht, den Wind aus dem Segel zu nehmen. Dementiert und veranlasst selbst die Überprüfung ihrer Doktorarbeit. Und bestätigt dadurch, dass sie die Vorwürfe ernst nimmt.

Unbarmherzige Gesellschaft

Der Doktortitel ist für Spitzenpolitiker vom Karrieresprungbrett zur Karrieregefahr geworden. Denn die Gesellschaft ist unbarmherzig – selbst wenn die begangen Fehler ins vorige Jahrtausend fallen. Heute kann jeder auf der Plattform VroniPlag nachlesen, wie von der Leyen über Seiten hinweg die Erkenntnisse eines Herrn Krumbach über das rituelle Schwitzen inidigener Völker in einem Temazcal, einer Art Dampfbad, als ihre eigenen darstellt. Auf fast der Hälfte der 70 Seiten dokumentieren die Jäger Plagiate. Zu welchem Ergebnis die beauftragte Hochschulkommission kommt, könnte – wenn es schlecht läuft für von der Leyen – dann schon unerheblich sein.

Beanstandete Dissertationen sind wie Stasi-Akten, die ansonsten integre Politiker auf Lebzeiten als amtsunwürdig stempeln. Man mag das Herumreiten auf unwissenschaftlicher Zitation als kleinlich bezeichnen. Fakt ist: Die Doktorwürde braucht heute kein Politiker mehr. Möglich, dass man in 30 Jahren vom Plagiatsknick sprechen wird, sollte die künftige Politikergeneration aus reiner Vorsicht auf den Titel verzichten. Man muss ihr dazu raten.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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14 Kommentare

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  • 1. Dass man nicht abpinseln darf lernt frau schon in der Schule

    2. In der Wissenschaft gibt es diese Regeln schon Jahrhunderte.

    3. Bloss dass man das früher nicht so gut recherchieren konnte ändert nix.

    4. wie die vorgeblich-Christlichen sagen: "Wer betrügt, fliegt."

  • Interessant wäre die Untersuchung einer größeren Stichprobe zufällig ausgewählter Krethi-und-Plethi-Dissertationen. Es würde mich wundern, wenn sich dort nicht in vergleichbarem Umfang Plagiate fänden.

     

    Speziell im Fall Frau von der Leyens - für die ich keine besonderen Sympathien habe - vermute ich jedenfalls, dass sie bezüglich des Wertes ihrer Dissertation nicht besonders aus dem Kollegenkreis herausfällt; zumal sie ja jahrelang als Ärztin gearbeitet hat und die klassische Politkarriere wohl ursprünglich gar nicht anstrebte.

  • "Wer einen Doktortitel hat, wird besser nicht SpitzenpolitikerIn."

     

    Unsinn! Wer einen Doktortitel hat, muss ihn nur redlich durch seine eigene Arbeit erlangt haben, dann kann er damit auch SpitzenpolitkerIn werden und bleiben. Ansonsten macht er sich selbst sehr angreifbar.

  • Wer in Deutschland seine Doktorenarbeit schreibt hat besser einen guten Namen, entsprechende Mittel .Ob er dann Spitzenpolitiker wird ist nebensächlich, für beide Fälle braucht man eine sagen wir Portion krimineller Energie. Oder muss man einfach nur über Leychen gehen um ans Ziel zu kommen?

  • Ähm.. das ist euch aber schon klar, dass die das mit den Doktor-Titeln in der Politischen Kariere auch und vor allem machen, weil es als Abgeordneter/Minister schlicht mehr Geld gibt (Andere BAT-Stufe)? Und das nicht wenig.

    Von dem her würde ich anstatt Mitleid mit der "ansonsten integren" Politikerin Von der Leyen (bei dem Satz haben sich meine Zehennägel aufgerollt) eher mal von Fr. Schavan und Herrn zu Guttenberg eher mal die zuviel verdienten Bezüge zurückfordern, aber das kann man den armen armen kleinen ja nicht antun, und deshalb wird das Spielchen immer so weitergehen.

    • @Cypher:

      Ihr Beitrag spricht leider nicht von besonderer Kenntnis, sondern zeichnet sich eher durch Unkenntnis aus und entlarft sich daher schnell als reine Politikerschelte. Man kann über die gründe für den Erwerb eines Doktors streiten und davon halten was man will,genauso wie von den Personen, die diese tragen bzw. trugen. Richtig ist sicherlich auch, dass ein betrug zur Erlangung sich nciht gehört.

      Eindeutig falsch ist es jedoch, dass Abgeordnete und Minister mehr verdienen, wenn sie einen Doktortitel haben. Beide Gruppen werden nach Ihrer Funktion bezahlt und nicht nach Ihrem Titel (lt. jeweiligem Minister- bzw. Abgeordnetengesetz). Ggf. hilft der Doktor lediglich, in eine solche Position gewählt bzw ernannt zu werden.

      Auch auf die Bezahlung im öffneltichen Dienst trifft es so nicht zu, da der BAT i.d.R. seit ca. 10 Jahren nicht mehr gilt und in den folgenden Tarifverträgen eine Bezahlung nach Tätigkeit gilt --> auch ein Dr. kann bei entsprechenden Tätigkeiten auf einer niedrigen Eingrupierung arbeiten (auch wenn er wg. der vorhandenen Ausbildung vermutlich eher höhere Stellen antreten wird, was aber der Qualifikation und nicht dem Titel geschuldet sein sollte).

      Ach ja, bin weder Politiker noch habe ich einen Doktor.

  • Man könnte Spitzenpolitikern sowie anderen Menschen aber auch dazu raten, bei einer Dissertation mehr als lächerliche 90 Seiten zu schreiben (das kann man auch Medizinern zumuten) und davon mehr als 40% richtig zu zitieren. Das klingt ev. unmöglich und unmenschlich, gelingt aber jedes Jahr Tausenden von Wissenschaftlern.

  • Also der Tenor dieses Artikels will mir nicht recht in den Kopf: Wer hat diese Menschen dazu gezwungen, eine Dissertation zu schreiben?

     

    NIEMAND.

     

    Die haben das aus freien Stücken getan und deshalb müssen sie sich auch der Problematik stellen, wenn ihre Arbeiten nicht in Ordnung sind. Und Ursula von der Leyen ist ja auch nicht zimperlich, ein paar Millionen Hartz-IV-Empfänger haben das am eigenen Leib erfahren - die ist knallhart, warum sollen andere Menschen zu ihr ultrasoft sein? Hat sie es verdient, mit einer Dissertation durch zu kommen, nur weil sie Ministerin ist?

     

    Außerdem soll das mit dem Doktor schon die Menschen beeindrucken und einschüchtern, das ist nicht nur eine Randerscheinung in der Politik, sondern es ist Teil der großen Show, wie toll und kompetent unsere erste Reihe ist.

  • Wieso "unbarmherzig"? Die "Regeln" - auf die in der CDU ansonsten mit einzigartiger Vehemenz und auch Kaltherzigkeit bestanden wird - , diese Regeln sind vollkommen klar und auch nicht schwierig wie Raketenwissenschaft. Wer die Zitierregeln nicht versteht hat auf der Hochschule nichts verloren. Abgesehen vom katastrophalen Effekt auf Wissenschaft und ehrliche Wissenschaftler/Innen. Unabsichtlich versaute Dissertationen weil raubkopierte Stellen korrekt zitiert wurden. Das Verständnbis welches Herr Pauli erregen will ist schlichtweg nicht verständlich. - Hingeschluderte akademische Arbeiten scheinen allerdings eine Zugangsvoraussetzung für christliche oder liberale Politikkarrieren zu sein.

  • Spitzenpolitiker sind im Regelfall Menschen, die es in diversen Bereichen auf die Spitze treiben. Solche gäbe es vermutlich nicht, wenn nicht die überwiegende Medienlandschaft der Treibstoff dafür wäre.

  • Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten: die Doktorarbeiten von Gustav Heinemann ("Die Spartätigkeit der Essener Kruppschen Werksangehörigen, 1922" und "Die Verwaltungsrechte an fremdem Vermögen, 1929") finde ich eigentlich recht gelungene akademische Arbeiten.

  • Da gibt es aber noch andere bemerkenswerte Auffälligkeiten bei der Promotion. Es sind nur 62 Textstellen zitiert. Diese geistige Leistung dürfte normaler Weise für einen Schein innerhalb des Studiums reichen. Aber gleich für eine Promotion?

     

    Und wenn die Arbeit schon so kurz ist, dann noch zahlreiche nicht kenntlich gemachte Zitate? Wie kann es überhaupt sein, dass das den Professoren alles nicht auffiel? Spielte etwa doch noch eine Rolle, aus welcher Familie sie kam?

     

    Was die fachliche Eignung als Verteidigungsministerin betrifft: Dazu kam sie wohl wie die Jungfrau zum Kind. Das hat rein gar nichts mit ihrem Studium oder ihrer Promotion zu tun. Aber wer bei der Bundeswehr eine Doktortitel führt und Plagiate in seiner Arbeit hat, muss gehen. Soll jetzt ausgerechnet bei der Ministeriumsspitze mal wieder eine Ausnahme diskutiert werden? Die Peinlichkeit eines Verlustes der Promotion traf schließlich schon viele und wahrlich nicht nur Spitzenpolitiker.

    • @Celsus:

      Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat sie einen Dr. med..., das ist oftmals in etwa so wie ein Schein im Studium.

      Das Problem ist, dass alle Mediziner meinen, einen Dr.-Titel haben zu müssen. Man geht ja schließlich zum Onkel Doktor. Da bleibt nur die Massenabfertigung im Schnelldurchlauf. Mit einer Promotion in quasi allen anderen Fachgebieten hat das nichts zu tun.

      • @Co-Bold:

        Nicht mehr nur die Ärzte meinen, dass ein Doktortitel bei ihnen eine Selbstverständlichkeit sei. Die Patienten sehen es zu erschreckend großen Teilen auch so und zweifeln an der Berufsbezeichnung nicht-promovierter Ärzte. Der Sprachgebrauch hat das längst übernommen - niemand käme auf die Idee, dass mit "Onkel Doktor" auch ein Historiker oder Ingenieur gemeint sein könnte.

         

        Es ist müßig darüber zu diskutieren, wer an diesem aus den Fugen geratenen Regel-Ausnahme-Verständnis die Schuld trägt. Faktisch kann man verstehen, dass praktisch orientierte Medizinstudenten ihre Dissertation wenig ehrfürchtig behandeln und als notwendiges Übel mit minimalem Aufwand "weghauen". Das ist nicht vorbildlich aber menschlich. Es spricht viel für den Berufsdoktor bei Ärzten, wie er in Österreich üblich ist.