Kommentar WHO-Krebsstudie: Fleisch muss teurer werden
Die praktizierte Subventionierung treibt die Umsätze der Fleischkonzerne in die Höhe – und die Krebszahlen. Nun muss der Staat in die Offensive gehen.
W er jede Woche mehr als die empfohlenen 300 bis 600 Gramm Fleisch isst, sollte spätestens jetzt die Reißleine ziehen: Denn wenn nun auch die zuständige Fachagentur der Weltgesundheitsorganisation verarbeitetes Fleisch als „krebserregend“ und unverarbeitetes rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“ brandmarkt, gibt es keine Ausflüchte mehr. Deutschland muss von seinem hohen Fleischkonsum runter.
Zurzeit essen Frauen im Schnitt 588 Gramm, Männer sogar 1.092 Gramm Fleisch pro Woche, ein Großteil davon die jetzt beurteilten Sorten. Das verursacht nicht nur Krebs, sondern auch andere Leiden wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Solange nur einzelne Studien auf die Krebsgefahr hinwiesen, konnte man noch sagen: Die Belege sind nicht hart genug. Wenn die Internationale Krebsforschungsagentur ein Urteil spricht, wird es ernst: Sie ist kompetent, transparent und unabhängig.
Lange bekannt ist auch, dass die Massentierhaltung für die Billigfleischproduktion riesige Umweltschäden verursacht. Durch den Futteranbau mit giftigen Pestiziden und die Gülleentsorgung in der Landschaft zum Beispiel. Und die Qualen der Tiere sind oft extrem.
Fleisch lässt sich nicht verbieten, wie man das zum Beispiel mit dem ebenfalls wahrscheinlich krebserregenden Pestizid Glyphosat tun müsste. Schon weil ein Verbot nicht durchsetzbar wäre. Anders als vor Fleisch können sich die Verbraucher aber auch nicht hundertprozentig vor Glyphosat schützen, weil es von konventionellen Feldern sogar auf Bioäcker wehen kann. Zudem hat Fleisch durchaus gesundheitliche Vorteile.
Unmoralische Subventionierung
Aber der Staat kann in die Offensive gehen, damit die Menschen ihren Konsum reduzieren. Durch Aufklärung, aber nicht nur: Fleisch muss teurer werden. Die Landwirte müssen ihre Tiere endlich besser halten. Schweine etwa dürften dann ihre Ringelschwänze behalten – in den monotonen, sehr dicht besetzten Ställen geht das nicht, weil die gestressten Tiere sich sonst gegenseitig verletzen.
Sinnvoll wäre auch, die Mehrwertsteuer für Fleischprodukte auf die für die meisten Waren üblichen 19 Prozent zu erhöhen. Die aktuellen sieben Prozent sind eine unmoralische Subventionierung. Sie treibt die Umsätze der Fleischkonzerne in die Höhe – und die Krebszahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste