Kommentar Unruhen in der Ostukraine: Loslösung um jeden Preis
Der Vorschlag eines Referendums in der Ostukraine wird dort nur wenig Gehör finden. Die bewaffneten Separatisten wollen nichts als die Destabilisierung.
D ie ukrainische Übergangsregierung hat sich offensichtlich entschlossen, zweigleisig zu agieren. Zwar will Kiew auch weiterhin mit einer Antiterroraktion gegen die Besetzer von Regierungs- und Verwaltungsgebäuden in mehreren ostukrainischen Städten vorgehen. Gleichzeitig bringt Staatspräsident Alexander Turtschinow aber die Möglichkeit eines landesweiten Referendums über eine Dezentralisierung des Staates am 25. Mai, dem Tag der Präsidentenwahlen, ins Gespräch.
Doch einmal abgesehen davon, wie dieser Volksentscheid aussehen und ob er am Ende überhaupt stattfinden wird: Es ist derzeit mehr als fraglich, dass Turschinows Vorschlag Gehör findet.
Denn das Vorgehen der uniformierten bewaffneten Besetzer deutet nicht darauf hin, dass sie bereit wären einzulenken. Im Gegenteil. Ihre Devise lautet: Die östlichen Landesteile weiter destabilisieren, und das um jeden Preis. Das funktioniert nach dem immer gleichen Muster, wie die Erstürmung weiterer Verwaltungsgebäude am Montag zeigt. Dabei werden Tote und Verletzte billigend in Kauf genommen.
Wenn diese Kräfte, wer auch immer sie sind, an einem Volksentscheid interessiert sind, dann nach ihren „demokratischen“ Regeln und mit nur einem möglichen Ergebnis: einer Loslösung von der Ukraine und einem Anschluss an die Russische Förderation.
Jüngste Äußerungen aus dem Nachbarland sind auch nicht dazu angetan, die Lage zu entspannen. Sie erschöpfen sich in Drohungen an die Adresse Kiews und die wenig überzeugenden Dementis, mit den Besetzungsaktionen in der Ostukraine überhaupt etwas zu tun zu haben. Wie es weitergeht, weiß niemand. Selbst ein Bürgerkrieg ist nicht ausgeschlossen. Der würde dann mehr Menschenleben kosten als auf dem Maidan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus