Kommentar Übergriffe in Köln: Ein Täter ist ein Täter ist ein Täter
Sexuelle Gewalt ist an keine Ethnie gebunden. Wer anderes behauptet, ist nicht nur rassistisch, sondern auch frauenverachtend.
E s ist, als habe ein Meteor Köln getroffen. Als sei etwas zuvor nie Dagewesenes geschehen. Justizminister Heiko Maas sieht eine „völlig neue Dimension organisierter Kriminalität“, andere sehen die deutsche Frau als „Freiwild“ lüsterner nordafrikanischer Männerhorden. Doch so einfach ist das nicht.
Es ging in erster Linie wohl um Diebstahl. Die sexuellen Übergriffe funktionierten als wirksame Ablenkung. Das macht es nicht besser, sie bleiben ein Angriff auf die körperliche Integrität der Frauen. Das systematische Vorgehen der Täter lässt auf organisierte Kriminalität schließen. Für Taschendiebstahl könnte es durchaus eine „neue Dimension“ sein.
Nicht aber für sexuelle Übergriffe. In etwa einem Viertel der 90 angezeigten Fälle geht es neben Diebstahl auch um solche Grenzverletzungen, in einem Fall um Vergewaltigung. Die Dunkelziffer ist sicher höher. Auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen: Auf alkoholreichen Großveranstaltungen gehört es für Frauen seit jeher zur traurigen Realität, dass sie gegen ihren Willen angefasst werden. Jede zweite Frau in der EU wurde schon einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt.
Wer daran etwas ändern will, muss gesamtgesellschaftlich denken. Für manch deutschen Mann machen Karneval und Oktoberfest ohne Rumgrapschen auch keinen Spaß. Die Schuld wird dabei den betroffenen Frauen übergehäuft – zu kurz der Rock, zu einladend der Blick.
Wie um das noch einmal zu unterstreichen, wollen Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Wolfgang Albers für den kommenden Karneval „Verhaltenshinweise für Frauen und junge Mädchen“ herausgeben, damit diese sich „während des Karnevals sicher fühlen können“. Aber: An Vergewaltigungen ist immer der Vergewaltiger schuld, nie das Opfer!
Das Phänomen findet sich auf öffentlichen Silvesterpartys in Deutschland ebenso wie auf dem Tahrirplatz in Ägypten oder bei den Gezi-Protesten in Istanbul. Vergewaltigende Männer sind vergewaltigende Männer, egal woher sie kommen.
Teil des Problems
Das sieht die Masse der „besorgten Bürger“ anders. Während manch einer nun zu den Waffen greifen will, fordert die AfD mal wieder vehement, die Grenzen zu schließen und „straffällige Asylbewerber“ auszuweisen. Für sie ist die Sache klar: Die „Ausländer“ sind schuld. Dabei ist das Frauenbild dieser „Besorgten“ um keinen Deut besser. „Schade, dass ihr nicht betroffen seid“, müssen sich Frauen auf Twitter anhören, wenn sie gegen den rassistischen Mob anschreiben.
Ja, das ist frauenverachtend. Ja, dagegen muss etwas getan werden. Aber die Frauke Petrys, Marcus Pretzells und Birgit Kelles, die sich jetzt grinsend den Geifer vom Kinn wischen, können nicht Teil der Lösung sein – sie sind mit ihrer antifeministischen Politik und Rhetorik selbst Teil des Problems.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“