Kommentar SPD und Europawahl: Der endlose Niedergang
Das Wahlergebnis zeigt sowohl in Europa als auch in Bremen: Die Sozialdemokraten brauchen kein neues Personal, sondern eine Idee jenseits der Groko.
![Andrea Nahles und Katarina Barley stehen auf der Bühne. Hinter ihnen der Striftzug: Europa ist die Antwort Andrea Nahles und Katarina Barley stehen auf der Bühne. Hinter ihnen der Striftzug: Europa ist die Antwort](https://taz.de/picture/3462103/14/23062491.jpeg)
D ie Volksparteien verlieren. Besonders spektakulär dort, wo sie früher mal alleine regierten. So ging es der CDU in Baden-Württemberg, so ging es der SPD im Ruhrgebiet, und so geht es ihr jetzt in Bremen. Die sozialdemokratische Kernklientel ist geschrumpft. Zudem ist, was man diffus linkes Lager nennen kann, dreigeteilt – in ökoliberale Grüne, SPD und Linkspartei. Die hat in Bremen gezeigt, dass sich Realpolitik rentiert.
Ungut war die Idee der Bremer SPD, ein paar Tage vor der Wahl eine Regierung mit der CDU auszuschließen. Eine Große Koalition in Bremen wäre zwar wenig wünschenswert. Aber offenbar hat die SPD aus dem Debakel im Bund nach 2017 – erst vollmundige Ankündigung, in die Opposition zu gehen, dann kleinlaute Rückkehr zu Merkel – wenig gelernt. Vor allem kam die Ansage ‚Rot-Rot-Grün oder nichts‘ so spät, dass sie nicht als mutige Ankündigung eines linken Reformbündnisses begriffen wurde – sondern als Panikattacke eines stürzenden Fürsten, der versucht, im letzten Moment noch Bedingungen zu diktieren.
Das Ergebnis in Europa ist noch deprimierender. Die SPD ist wieder im gleichen Dilemma wie in den letzten beiden Großen Koalitionen: Sie macht solide, eher linke Sozialpolitik, aber zur Verblüffung der MinisterInnen in Berlin zahlt sich das bei Wahlen einfach nicht aus. Die SPD wird nicht als Motor der Regierung, sondern als braver Juniorpartner wahrgenommen. Sie kann eben keinen klaren Unterschied zur Union markieren, wenn sie mit ihr regiert.
Die Sozialdemokratie ist nicht nur in Bremen in einer Krise, die im Kern nicht reparabel ist. Es gibt keinen Weg zurück zur Rolle der führenden Volkspartei. Die SPD ist eine Partei, die von 10 bis 25 Prozent gewählt wird, und hat mit den Grünen Konkurrenz auf Augenhöhe. Die Grünen verdanken ihren Erfolg der Opposition – würden sie mit Merkel und Seehofer regieren, wäre ihre Lage schwieriger. Noch wichtiger: Sie punkten mit dem Klimawandel, während das „sowohl als auch“ der SPD bei Ökothemen müde wirkt.
Mag sein, dass es bessere Kandidaten gibt als den soliden, aber trockenen Bremer Spitzengenossen Carsten Sieling. Es gibt auch zündendere Wahlkämpfe als den von Katarina Barley, die freundliche Wohlfühlstimmung ausstrahlte, aber wenig Unbedingtheit. Und es gibt sympathischere Parteichefinnen als Andrea Nahles, deren wechselhafte Botschaften – mal staatstragend, mal kämpferisch – irritieren. Aber die Botschaft der beiden Wahlen lautet nicht: Nahles weg – und dann wird es besser. Sie lautet: Die SPD braucht schnell eine Idee für die Zeit nach der Groko.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris