Kommentar Lebensmittel von Amazon: Markt mit Potenzial
Man darf sich nichts vormachen: Amazons bequeme Lieferungen direkt an die Haustür sind ein gutes Verkaufsargument.
B ei Käse, Obst, Fleisch und Fisch sind die deutschen Verbraucher doppelt pingelig. Die einen kaufen dort ein, wo es am billigsten ist. Die anderen achten auf die Qualität jedes Apfels, jedes Salatkopfes.
Beides ist mit dem Einkauf im Internet kaum vereinbar, den Amazon nun anbietet. Deshalb erscheinen die Erfolgsaussichten des Versandriesen im nun startenden Lebensmittelgeschäfte zunächst zweifelhaft. Doch auf lange Sicht könnte die Firma den Markt aufmischen.
Aktuell teilen sich wenige Supermarktketten weitgehend den Nahrungsmittelumsatz. 150 Milliarden Euro geben die Verbraucher jährlich etwa für Essen und Trinken aus. Nur jeder hundertste Euro davon wird online bezahlt. Das wird sich vermutlich im Verlauf der kommenden Jahre ändern. Denn es wächst eine internetaffine Generation in das Alter hinein, in dem viel konsumiert wird.
Auf der anderen Seite werden immer mehr Menschen älter. Bequeme Lieferungen direkt an die Haustür sind ein gutes Verkaufsargument. Beides zusammen eröffnet Amazon und anderen Lieferdiensten Wachstumsmöglichkeiten.
Zudem hat Amazon-Gründer Jeff Bezos unter Beweis gestellt, dass ihn lange Anlaufphasen mit Verlusten nicht sonderlich kümmern. Der Konzern hat auch genügend Kapital, verfügt über effiziente Logistikstrukturen und geht hohe Risiken ein. Auch ist die Produktpalette mit anfänglich 85.000 Angeboten siebenmal so groß wie die eines gut sortieren Marktes an der nächsten Ecke.
Bis auf Rewe haben sich die Filialisten dagegen mit Investitionen ins digitale Geschäft zurückgehalten. Das war womöglich ein Fehler, wie der Blick auf andere Branchen zeigt, in denen Amazon dem Präsenzhandel große Marktanteile abjagen konnte.
Aus Sicht der Arbeitnehmer ist die Entwicklung bedenklich, könnten doch Tausende Jobs verloren gehen. Und Amazon kennt bisher keine Tarifverträge. Über den Erfolg wird wohl der Markt entscheiden.
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