Kommentar Koalitionsvertrag und Groko: Besser schlecht regieren als gar nicht
Die Groko ist bei vielen unbeliebt. Aber Hauptsache wir haben bald eine Regierung. Es eilt, auch weil wir für 2018 dringend einen Haushalt brauchen.
F DP-Chef Christian Lindner irrte, als er flott behauptete, es sei besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Selbst eine schlechte Regierung ist besser als keine, jedenfalls dann, wenn sie auf demokratischem Wege zustande gekommen ist. Das ist ernüchternd, aber nicht zu ändern. Die Große Koalition mag zu Recht ungeliebt sein. Im Augenblick ist sie dennoch die beste aller schlechten Möglichkeiten.
Besonders deutlich wird das beim Thema Haushalt. Den für 2018 hat das Parlament noch immer nicht verabschiedet. Seitenbemerkung an die Adresse derjenigen, die eine Minderheitsregierung für charmant halten: Viel Vergnügen bei der Suche nach einer Mehrheit für den Gesamtetat! Gegenwärtig greifen die Regeln der vorläufigen Haushaltsführung, und sie verbieten neue Programme und Investitionen. Dass dies kein Dauerzustand sein sollte, liegt natürlich auf der Hand – und zwar unabhängig von der jeweiligen politischen Überzeugung.
Wird die Große Koalition, wenn sie denn wirklich zustande kommt, eine schlechte Regierung sein? Das hängt vor allem von den Erwartungen ab, die man an sie knüpft. Zu neuen Ufern wird das Bündnis nicht aufbrechen. Es befriedigt Klientelinteressen von zweien seiner drei Mitglieder, nicht mehr, nicht weniger.
Schön für SPD und CSU, dass die CDU gar keine politischen Wünsche zu haben scheint, die sie verwirklicht sehen möchte. Ihr reicht offenbar das Kanzleramt. Das lässt mehr Raum für Erfolge der anderen. Erstaunlich, wie lange man Politik so betreiben und an der Macht bleiben kann.
Der Umgang mit Geflüchteten bleibt beschämend
Wer keine Lobby hat, bleibt auf der Strecke. Das gilt vor allem, wen wundert’s, für Geflüchtete. Der Umgang mit Menschen, die sich aus Kriegsgebieten hierhergerettet haben, ist und bleibt beschämend, und daran ändert die Tatsache nichts, dass bei dem Thema inzwischen viele die Augen rollen und nichts mehr davon hören wollen.
Gute Gründe, gegen die Große Koalition zu sein, gibt es also genug. Es gibt jedoch auch einiges, was für sie spricht: Sie wird nicht leichtsinnig sein, nicht allzu populistisch – dafür fehlt ihr die Kraft –, aber professionell. Und, ja, vermutlich ziemlich langweilig. Einem Land kann Schlechteres passieren.
Ob das der SPD-Basis allerdings reicht, bleibt abzuwarten. Die sozialdemokratische Führung – wer immer das gerade sein mag – geht ein hohes Risiko ein. Der designierte Außenminister Martin Schulz hat Großes für den Glaubwürdigkeitsverlust von Politikern geleistet. Wenigstens dafür. Das ist übrigens, anders als vielfach kommentiert, nicht allein ein Problem der SPD. Sondern aller Demokraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt