Kommentar Holm: Wer hat ihn verraten?: Sozialdemokraten!
Am erzwungenen Rücktritt von Staatssekretär Andrej Holm ist die SPD schuld. Zu sehr ist sie mit den Eliten verwoben, die viel zu verlieren haben.
D er alte Spruch, der schon 1914 bei der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten galt, stimmt immer noch. Wann immer es notwendig ist, sich auch gegen massive gesellschaftliche Widerstände für einen linken Kurs zu entscheiden, zieht die SPD den Schwanz ein. Man könnte sagen, ihr fehlt es an Courage, wichtiger ist aber: Die Sozialdemokraten sind durch und durch verwoben mit jenen Eliten, die viel zu verlieren zu haben.
Im Fall von Andrej Holm hätte die SPD einmal beweisen können, dass sie auch anders kann. Denn weder Holms Kurzzeit-Stasi-Karriere noch seine Angaben auf einem Fragebogen der Humboldt-Universität oder sein heutiger Umgang mit seiner Vergangenheit bieten für eine Absage an sein politisches Angebot ausreichende Gründe. Nichts davon ist die Empörung wert oder ist gewichtiger als der dringend notwendige Politikwechsel im Sinne von Berlins MieterInnen.
Holms Nominierung durch die Linkspartei war nicht aufgrund seines bereits lange bekannten Stasi-Intermezzos ein mutiger Schritt, sondern weil der Soziologe für einen radikalen Bruch mit marktgläubiger Mieten- Stadtpolitik steht. Sie war eine Kampfansage – auch gegen das Erbe, das die sozialdemokratischen Stadtentwicklungssenatoren der vergangenen 20 Jahre, zu denen auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller gehört, hinterlassen haben: Nichts bedroht die Mehrheit der BerlinerInnen heute mehr als steigende Mieten.
Den wichtigsten Grund, warum Holm nun gehen muss, hat FDP-Fraktionschef Czaja auf den Punkt gebracht: „Er steht der Hausbesetzerszene näher als einem Investor.“ Für die SPD gilt das Gegenteil. Viel zu oft ist sie Anwalt der Immobilienbranche. So bietet sich etwa der Abgeordnete Sven Kohlmeier auf der Website seiner Kanzlei als „Partner für Immobilieninvestment in Berlin“ an. Dass er als erster Sozialdemokrat Holms Rücktritt forderte, ist sicher kein Zufall.
In Müllers Ausbootungserklärung spielt Holms Vergangenheit keine Rolle. Wie auch? Holm hat niemandem geschadet und sich bereits vor Jahren zu seiner Vergangenheit bekannt, das Urteil der HU steht aus. Übrig bleibt die Kritik an Holms Verhalten in den vergangenen Wochen – schlagende Beweise für seine Untauglichkeit: Fehlanzeige. Holm hat weder die Stasi verharmlost noch die Opfer brüskiert. Müller fokussiert sich stattdessen auf eine nicht dienliche „Polarisierung“.
Darum geht es: Die SPD hält Konflikte nicht aus, nicht gegen den Mainstream von außen, nicht gegen jenen innerhalb der Partei. Linke Politik ist ihr suspekt oder, wie es ihr Abgeordneter Tom Schreiber jetzt ausdrückte: „Die Linke kann mich mal.“
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