Kommentar Bundesweites Zentralabitur: Ein Abi für alle!
Anja Karliczeks Vorstoß ist ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Es muss möglich sein, Abileistungen bundesweit miteinander zu vergleichen.
B ildungsministerin Anja Karliczek hat sich für ein bundesweites Zentralabitur ausgesprochen. Endlich mal wieder eine gute Nachricht aus dem Bildungsministerium! Denn seit Jahren, Jahrzehnten sogar, verfehlen die 16 KultusminsterInnen im Land eins der wichtigsten Ziele unseres Bildungssystems: mit dem Abitur einen gerechten Standard zu schaffen, der es erlaubt, die Leistungen von AbiturientInnen ernsthaft zu vergleichen.
Zu welchen Ungerechtigkeiten die Ungleichheit beim Abi führt, zeigt die Zulassung zum Medizinstudium. Vergangenes Wintersemester wollten 43.631 junge Menschen Medizin an einer staatlichen Uni studieren – Plätze gab es allerdings nur 9.232. Die Folge: Ohne Bestnoten hat man in der Regel keine Chance, in Deutschland Arzt oder Ärztin zu werden.
Das Problem ist nur: Die Abiturstandards sind so ungleich, dass Thüringer AbiturientInnen dreimal so oft Einser-Schnitte schaffen wie BewerberInnen aus Schleswig-Holstein oder Niedersachsen. Dadurch werden die einen beim Rennen um die begehrten Medizinplätze krass bevorteilt. Allein dieser Befund wäre Anlass genug, endlich entschieden für gemeinsame Abiturprüfungen einzutreten. Und zwar nicht – wie derzeit bei dem gemeinsamen Abi-Aufgabenpool – den Ländern freizustellen, ob und in welchem Umfang sie die zentral gewählten Aufgaben nutzen.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, warum die Bundesländer endlich ihren Fetisch der föderalen Zuständigkeit fallen lassen und mehr Vergleichbarkeit wagen sollten: Die Ungerechtigkeit beim Abi wird sich an den Hochschulen weiter verstärken. Schon jetzt hat das Bundesverfassungsgericht den Unis vorgeschrieben, mangels Vergleichbarkeit der Abi-Schnitte weitere Kriterien wie Aufnahmeprüfungen einzuführen. Wer also Geld und Zeit hat, kann sich gezielt auf solche Tests vorbereiten. Der Zugang zu den Hochschulen würde also noch exklusiver, als er es ohnehin schon ist. Um das zu unterbinden, muss endlich das Abi für alle her.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“