Kommentar Aktion gegen Falschparker: Schleppt sie ab! Alle!

Mit Gelben Karten und Luftballons protestieren Fußgänger- und Fahrradaktivisten gegen Falschparker. Das ist gut gemeint – aber viel zu defensiv.

Ein Fahrrad schlängelt sich durch zwei Autos hindurch

So viel Rücksicht nehmen Autofahrer*innen oft: gar keine Foto: dpa

In vielen Städten Deutschlands müssen AutofahrerInnen diese Woche mit Protesten rechnen: RadfahrerInnen und FußgängerInnen wollen Fahrzeuge mit Gelben Karten und Luftballons markieren, die Radwege oder Kreuzungen blockieren, oder Radspuren mit Hütchen gegen Zuparken schützen.

Das ist sicher gut gemeint. Aber wer selbst schon mal versucht hat, die motorisierten VerkehrsteilnehmerInnen auf eklatante Verkehrsverstöße anzusprechen, dürfte ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit solcher Aktionen haben. „Da kommt man doch noch durch“ oder „Dauert nicht lange“ sind noch die freundlichen Ausnahmen, „Halt’s Maul!“ und „Verpiss dich!“ hingegen eher die üblichen Antworten auf sachliche Hinweise, dass das abgestellte Fahrzeug andere VerkehrsteilnehmerInnen gefährdet.

Nein, auf Einsicht zu hoffen, ist aussichtslos, solange Falschparken in Deutschland oft gar nicht geahndet wird – und wenn doch, dann mit lächerlichen 20 Euro. Die im Rahmen der Aktionswoche vom Verkehrsclub Deutschland ebenfalls erhobene Forderung nach höheren Bußgeldern geht darum schon eher in die richtige Richtung. Doch auch das ist noch viel zu defensiv. Denn auch ein doppelt oder dreimal so teures Knöllchen wird nicht alle rücksichtslosen Mitmenschen davon abhalten, ihre Karre dort abzustellen, wo sie andere in Lebensgefahr bringt. Wie real diese Gefahr ist, zeigen die fast täglichen Meldungen von getöteten oder schwer verletzten RadfahrerInnen.

Dagegen helfen nur Abschleppwagen: Sie beseitigen unmittelbar die Gefahr, die von zugeparkten Fuß- und Radwegen ausgeht. Und durch die hohen Kosten und den großen Aufwand, der mit dem Abschleppen verbunden ist, wirken sie tatsächlich abschreckend und lassen den Weg ins nächste Parkhaus plötzlich als attraktivere Alternative erscheinen.

Effektiver als ein Luftballon

Die Forderung muss daher lauten: Schleppt gefährliche FalschparkerInnen ab! Konsequent! Überall! Jederzeit! Und das Tolle ist: Um diese radikale Forderung umzusetzen, braucht es keine einzige Gesetzesänderung – sondern nur den Willen bei Polizei und Ordnungsämtern, die bestehenden Gesetze endlich durchzusetzen. Bei Behinderung und erst recht bei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ist das „Umsetzen“, wie Abschleppvorgänge im Behördendeutsch heißen, schon heute der „Regelfall“, dürfte also nur in Ausnahmefällen unterbleiben. Und auch wenn keine konkrete Gefahr vorliegt, ist das Abschleppen zumindest zulässig, um eine „negative Vorbildwirkung“ zu verhindern.

Im Alltag ist auf deutschen Straßen davon nichts zu spüren. Während für Sportereignisse und Baumaßnahmen ohne Probleme großflächig abgeschleppt wird, weigern sich Kommunen und Polizei unter Verweis auf Personalnot und angebliches Ermessen regelmäßig, FalschparkerInnen abschleppen zu lassen, wenn sie „nur“ eine Gefahr für andere darstellen.

Das Abschleppen ist auch zulässig, um eine „negative Vorbild­wirkung“ zu verhindern

Das könnten die Verantwortlichen jederzeit ändern. Und sie werden es tun, wenn die Empörung über tote und verletzte FußgängerInnen und RadfahrerInnen endlich lauter wird als die der AutofahrerInnen, die das Durchsetzen von Regeln als Schikane sehen.

Wer auf dieses Umdenken nicht warten und schon heute freie Radwege haben will, muss übrigens nicht darauf hoffen, dass die Antifa beim Autoanzünden künftig andere Kriterien anlegt, sondern kann jederzeit die Polizei anrufen.

Sofern keine dringenderen Einsätze entgegenstehen, ist sie zur Beseitigung von Gefahren verpflichtet. Das klappt nicht in jedem Fall – aber effektiver als ein Luftballon dürfte es allemal sein.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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