piwik no script img

Ein leerer Teller, der Erwartungen weckt: was gibt es wohl zu essen? Foto: Erik Irmer

Kochen für die FamilieGegessen wird, was auf den Tisch kommt

Gehört in den Kartoffelsalat Mayonnaise? Es lohnt sich, nicht nur zum Fest mal übers Essen nachzudenken. Eine Geschichte über Familientraditionen.

D eutsche gelten als legendär geizig, was Essen angeht. Im Gegensatz zu Franzosen oder Italienern hat niemand unsere Nation im Verdacht, den Genuss erfunden zu haben. Aber zu keinem anderen Zeitpunkt des Jahres wird hier so viel über Essen geredet und nachgedacht wie im Dezember.

Es wird ja auch immer schwieriger, nicht wahr? Patchworkfamilien, die aus einem halben Dutzend familiärer Traditionen ein neues Amalgam erfinden müssen, dazu die Komplikationen, die sich aus all den neuen Empfindlichkeiten, Unverträglichkeiten und moralisch aufgeladenen Essen-als-Lifestyle-Haltungen ergeben.

Einmal stand ich im Supermarkt hinter einer Nachbarin, die ich nur flüchtig kannte. „Oh, kommt dein Sohn?“, fragte die Kassiererin, während sie die veganen Produkte über den Scanner zog, die sonst eher nicht in ihrem Wagen landeten. Die Nachbarin nickte und strahlte für einen Moment. Mich berührte die Vorfreude und wie viel jünger sie plötzlich aussah. Ich fragte mich nur flüchtig, ob dazu wohl ein Mann gehörte, der hinter der veganen Lebensweise seines Sohnes noch etwas anderes witterte. Die Ablehnung all der Sommerabende, an denen er am Grill gestanden hatte, zum Beispiel.

Man kennt ja auch Familien, wo „ich koche dir auch was Schönes“ bedeutet, dass man auf ewig festgenagelt wird, auf dieses eine Lieblingsgericht, das man hatte, als man ungefähr zehn war.

Was Sie jedenfalls bis heute geklärt haben sollten, sind folgende Fragen: Kartoffelsalat mit Würstchen an Heiligabend, ja oder nein? Kartoffelsalat mit oder ohne Mayo? Vegane Würstchen?

Wenn Sie diese Streitfragen aus dem Weg geräumt haben und alle irgendwie satt geworden sind, lohnt es sich vielleicht, plaudernd ein wenig tiefer zu schürfen. Haben Sie je darüber nachgedacht, wer oder was Ihre Haltung zum Essen und zum Kochen wirklich geprägt hat? In diesem Warndreieck aus lästiger Care-Arbeit, ökonomischen und kulturellen Gegebenheiten, familiären und persönlichen Prägungen, die unsere Vorlieben und Abneigungen prägen? Ich fange mal an, folgen Sie mir, wenn Sie mögen oder lassen Sie es bleiben, diese Geschichte ist genauso besonders wie jede andere auch. Über Geschmack soll man nicht streiten.

Großmutter konnte nicht kochen

Als meine Großmutter jung verheiratet war, konnte sie nicht kochen. Sie empfand das als großes Manko. Und als sie dem Opa einmal wieder irgendein zähes, misslungenes Stück Fleisch servierte, sagte der zu ihr: „Ich esse jetzt ein Jahr lang, alles was du mir vorsetzt. Aber dann hast du das bitte gelernt.“ So erzählt sie das jedenfalls immer wieder. Mein kleines Feministinnenherz tut dabei natürlich einen empörten Doppelschlag. Aber sie hat das als Liebeserklärung verstanden. Und so war es auch gemeint.

Dass sie nicht kochen konnte, hatte wohl etwas damit zu tun, dass sie das Alter, in dem Mädchen damals kochen lernten, in „der schlechten Zeit“ erreichte. Dieser Euphemismus umschreibt in ihrer Diktion die Kriegs- und Nachkriegsjahre, die Jahre der Knappheit, der Lebensmittelmarken, des Hungers. Und klar: Wenn Lebensmittel knapp und wertvoll sind, lässt man damit nicht unbedingt Anfängerinnen herumhantieren.

Sie schaffte sich dann über die Jahre ein solides Repertoire deutscher Hausmannskost drauf. Die Art von Gerichten, die bei mir bis heute dieses Warm-satt-sauber-Geborgenheits­ge­fühl auslöst. Hackbraten, Gemüse und Kartoffeln mit brauner Soße. Möhrensuppe. „Kappes“, der anders als im Ruhrgebiet, wo das ein ganzes Gericht war, bei uns einfach nur Weißkohl­schnetzel in weißer Soße meinte und als Beilage gegessen wurde. Milchreis, der im großen Schnellkochtopf gekocht und dann stundenlang in Wolldecken gewickelt und quellen gelassen wurde.

Der Weihnachtsklassiker: Kartoffelsalat mit Würstchen Foto: Erik Irmer

Meinem Eindruck nach blieb das Kochen aber für den Rest ihres Lebens mit Stress und Angst verbunden. Angst, das etwas misslingt. Stress, pünktlich etwas auf den Tisch zu bringen, an dem keiner rummault. Was gar nicht so einfach war, wenn man dazu die Schichtpläne der beiden Männer im Haus (ihres Mannes und ihres Vaters), ein schulpflichtiges Kind und den eigenen Halbtagsjob im Büro ausbalancieren musste.

Der richtige Kartoffelsalat (süddeutsch)

Die gekochten Kartoffeln werden in dünne Scheiben geschnitten, die dann mit einer Brühe übergossen werden. Mittlerweile darf diese Brühe auch eine Gemüsebrühe sein. Dazu kommen Essig und Öl, Salz, Pfeffer, Senf (das mengenmäßig alles je nach Erfahrung und Geschmack), etwas Zucker, gern auch ein wenig Muskat. Alles durchmischen. Ein Schwäbischer Kartoffelsalat muss schmatzen, heißt es. Wer will, gibt auch noch fein geschnittene und leicht geschmelzte Zwiebeln dazu.

Das Kind, meine Mutter, erbte dieses Problem und rebellierte auf ihre eigene Art. Zunächst einmal erbte sie die Haltung: Kochen war einer dieser Punkte auf der langen Liste der lästigen Pflichten. Einer, für den sie als Vollzeitberufstätige noch weniger Zeit und Geduld aufbrachte. Sie griff dankbar zu dem, was man heute vornehm „Convenience“-Produkte nennt und zu Rezepten aus der Brigitte, auf denen so etwas wie „schnell und lecker“ oder „in 20 Minuten auf dem Tisch“ stand.

Ich bin ihr da sehr ähnlich. Mir scheint – beim Kochen wie bei eigentlich allen Hausarbeiten – das Verhältnis von Aufwand und Ertrag irgendwie ungünstig. Zwei Stunden kochen für etwas, was in 20 Minuten verschwunden ist. Herrje.

Gyrus-Pita noch vor dem Döner

Meine Mutter entwickelte außerdem einen unstillbaren Appetit auf alles, was anders war. Hauptsache, keine Kartoffeln dabei. Weil das Geld bei uns in der Familie nicht so locker saß (man ging auch nicht einfach so essen, das bedurfte eines höheren Anlasses), blieb der Radius allerdings beschränkt. Viel ins Ausland reisten wir gleichfalls nicht.

Manchmal suchten wir Imbisse heim. Ich erinnere mich vage an ein Abendessen in den Achtzigern, als Gyros-Pita ein großes Ding war. Das mit Gyros, Krautsalat und Tsatsiki gefüllte Fladenbrot ging der Erfindung des Döners voraus. Als Kinder kam uns das aufregend und verwegen vor.

Irgendwann übernahm Papa (der eigentlich mein Stiefvater war) das Küchenregiment. Er hatte ein entschieden leidenschaftlicheres Verhältnis zum Kochen und Essen, und als er aus gesundheitlichen Gründen in Frührente ging, erschien das alles nur allzu logisch. Es war allerdings auch zu der Zeit, in der Fernsehkochshows boomten und es irgendwie schick wurde.

Ich erinnere mich, dass zu dieser Zeit immer mehr Kantinengespräche von Kollegen bestritten wurden, die von komplexen Mehrgängemenüs schwärmten, die eine Messerspitze von diesem oder jenem Gewürz erforderten, für das sie durch drei Feingeistgeschäfte gejagt waren. Die Kolleginnen und ich dachten heimlich: „Ihr habt zu viel Tagesfreizeit. Schafft euch mal Kinder an.“

Lange Vorträge über die Zubereitung

Mein Vater agierte ähnlich. Kinder hatte er ja, aber die waren da schon groß. Er schaffte stattdessen Unmengen von teurem Küchenequipment an, bestellte Gewürzmühlen und -mischungen bei diesem Steuerbetrüger aus München, schnippelte und rührte, was das Zeug hielt.

Der Weihnachtsklassiker: Kartoffelsalat mit Würstchen Foto: Erik Irmer

Was er da fabrizierte, war schon sehr lecker, hatte aber den Nachteil, dass man sich beim Essen längliche Vorträge über die besonderen Schwierigkeiten der Zubereitung anhören musste. Doch selbst mein Opa ließ das gern über sich ergehen und aß auf seine letzten Tage Dinge, die er bei der Oma noch strikt verweigert hatte. Die hatte ihn nicht einmal dazu bringen können, Spaghetti zu essen. Jetzt akzeptierte er sogar Knoblauch im Essen.

Der richtige Kartoffelsalat (norddeutsch)

Pellkartoffel mit ein wenig Salz und Kümmel kochen. Draußen abkühlen lassen. Weitere Zutaten in kleine Würfel schneiden. Dazu gehören unbedingt: Zwiebeln, Gürkchen, nach Belieben auch hartgekochtes Ei oder Fleischwurst. Die Zwiebeln andünsten, mit ordentlich Gemüsebrühe ablöschen, dann mit Salz, Pfeffer, etwas Gurkenwasser und Senf abschmecken. Das auf die gepellten und in Scheiben geschnittenen Kartoffeln gießen und ordentlich ziehen lassen. Erst dann die restlichen Zutaten und die Mayonnaise hinzufügen und noch mindestens eine Stunde im Kühlschrank durchziehen lassen.

Mein Vater war aber möglicherweise der erste Koch, bei dem mir dämmerte, dass man diesem Kochvorgang an und für sich so etwas wie Freude abgewinnen könnte.

Diesen Rang teilt er sich allerdings mit meiner Schwägerin S. Ich hatte mittlerweile nämlich auch in einen großen sizilianischen Clan eingeheiratet, was noch einmal völlig neue Perspektiven eröffnete. S. war die unbestritten beste Köchin. Mit einem Deutschen verheiratet, beherrschte sie ein ehrfurchtgebietendes Repertoire aus klassischer deutscher und italienischer Küche. In ihrer Küche lief italienisches Fernsehen, wurde gesungen, gequatscht und geraucht, während sie stundenlang in den Töpfen rührte. Wichtigstes Motto: „Wo zwei essen, essen auch drei.“ Wobei das die Untertreibung des Jahrhunderts war, denn so wenige Personen saßen bei ihr selten am Tisch.

Ich muss immer daran denken, wenn auf X (früher Twitter) mal wieder diese Kindheitserzählungen die Runde machen, in denen sich Migranten und Postmigranten darüber wundern, dass man es in Deutschland und Skandinavien früher offenbar für normal hielt, kleine Gäste im Kinderzimmer warten zu lassen, während die Familie zu Abend aß.

Ich kenne das auch so. Man war ja nicht eingeplant. Außerdem gehörte es sich nicht, sich in die Ernährungshoheit fremder Familien einzumischen. Man konnte damals ja auch nicht mal eben per Whatsapp nachfragen, ob das okay ist und wogegen das Kind allergisch ist.

Aus dem Handgelenk Essen zaubern, wie machen die das?

In einer sizilianischen Familie ist so eine grobe Unhöflichkeit natürlich undenkbar. Was ich aber auch nie begriffen habe: Wie machen die das bloß, so aus dem Handgelenk, Essen zu zaubern für acht, neun, zehn Personen plus x? Wenn ich Gäste zum Essen einlade, habe ich zwei Wochen Stress und esse danach eine Woche lang Reste. Deshalb mache ich das nie.

Was mir auch exotisch vorkam, war der unglaubliche Kult ums Essen, den man in Italien betreibt. Im Urlaub diskutierte man schon beim Frühstück (der unwichtigsten Mahlzeit des Tages), was und wo man zu Mittag essen würde, beim Mittag, was abends auf dem Plan stand. Jeden Tag mussten die Zutaten frisch eingekauft werden, und zwar nicht einfach in einem Supermarkt, sondern an sechs verschiedenen Stationen im ganzen Dorf, weil es dort – und nur dort! – das beste Brot, Fleisch, Gemüse oder sonst etwas gab. Über die besten Zutatenlieferanten wurden genauso lange Streitgespräche geführt wie über die einzig wahre Art und Weise, Tomatensoße zuzubereiten, und die Qualität des Restaurants von Samstagabend.

Ich fand es heimlich primitiv, sich so viele Stunden am Tag mit der Nahrungsbeschaffung und Essenszubereitung zu befassen, genoss aber die Ergebnisse. „Du isst wie eine Deutsche“, sagte mal jemand zu mir. Und äffte mich nach, wie ich mit zackigen, kleinen Bewegungen den Teller leer räumte, als wäre das etwas, was zu erledigen ist. Ich versuche immer noch, mir das Genießen anzutrainieren. Ich fragte mich allerdings auch, wie all dieser Aufwand eigentlich mit einem Arbeitstag unter einen Hut zu bringen war. Aber gut, im Sommer musste man das ja nicht.

Unvergessen allerdings auch die Geschichte eines Bekannten, Fliesenleger von Beruf, der seinen Job in Deutschland hinwarf, weil man von ihm verlangte, die Mittagsmahlzeit aus einer Brotdose auf der Baustelle zu sich zu nehmen. So kann man nicht leben, befand er, er sei doch kein Schwein.

Als ob das die süditalienischen Bauern früher nicht ähnlich gemacht hätten.

Brotdosen, ein schwieriges Thema

Aber Brotdosen sind natürlich auch ein schwieriges Thema. Die Debatten darum im Kindergarten und der Grundschule lehrten mich mehr über die hässlichsten Seiten der deutschen Gesellschaft, als ich je wissen wollte.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Es ist ja so: Mit jedem Kind bekommst du von vorneherein ein riesiges, schlechtes Gewissen gleich mitgeliefert. Egal was du machst, es wird schon falsch sein. Natürlich war ich auch voller guter Vorsätze, schnippelte Biomöhrchen und -gurken in Tupperdosen und all so Zeug.

Die Gemeinschaftsverpflegung in pädagogischen Einrichtungen hat dabei einen unbestreitbaren Vorteil: Hier essen die Kinder plötzlich Dinge, die sie zu Hause mit großem Äh-bäh wieder ausgespuckt hätten.

Zahlreiche Elternabende in der ostwestfälischen Provinz, in die es mich verschlagen hatte, lehrten mich allerdings auch: Es ist ein Minenfeld. Obwohl die Zusammensetzung für einen Vorort erstaunlich divers war, herrschte rigoros das, was ich Mittelschichtsfaschismus nenne, verzeihen Sie die Übertreibung.

Die Norm setzten jedenfalls die biodeutschen Vorstadtmuttis, alle anderen wurden misstrauisch beäugt. Wer seltsames ausländisches Zeug in der Brotdose hatte, Abgepacktes oder Zuckerhaltiges, wurde beschämt und vorgeführt. Ich erinnere mich an die Empörung eines Kollegen, als sein Kind weinend aus dem Kindergarten kam, weil seine Brotdose ein „Rot“ erhalten hatte. Man verteilte dort Bewertungen nach dem Ampelsystem. Auch in unserem Kindergarten wurden Praktikanten angehalten, die Inhalte der Brotdosen zu kommentieren: „Oh Kevin, hat dir die Mama wieder nur ein Nutella­brot eingepackt?“ Unter dem Deckmantel der Ernährungslehre kehrte die gute alte schwarze Pädagogik wieder ein.

Der persönliche Exzess-Beauftragte

Als es bei einem Elternabend um eine moderate Erhöhung der Essensbeiträge ging, weil der Kindergarten zwischendurch ein paar gesunde Snacks anbieten wollte, fragte eine Mutter pikiert: „Ich soll hier also mehr Geld bezahlen, damit andere Kinder mal etwas Gesundes zu essen kriegen?“ Das sind die gleichen Leute, die später bei der Schulwahl als erstes auf den „Ausländeranteil“ gucken. Weil sie die Privilegien ihrer Kinder schützen und ausbauen wollen. Wobei hier jetzt auch nicht von irgendeiner urbanen, bildungsbürgerlichen Elite die Rede ist.

Das war schon sehr kleinbürgerlich und keineswegs rigoros öko. Auf Kindergeburtstagen gab es dort immer noch Chicken Nuggets, Softdrinks, Schokoküsse. Ich führe seither eine Liste von Lebensmitteln, die mir nicht mehr ins Haus kommen, wenn meine Kinder ausgezogen sind: Bananen. Muffins. Fischstäbchen.

Der neue Mann in meinem Leben ist zum Glück ein großer Hedonist. Ich nenne ihn meinen persönlichen Genuss- und Exzessbeauftragten. Wenn wir essen gehen, schmeckt meine ungeschulte und totgerauchte Zunge nur ungefähr die Hälfte der Nuancen, von denen er redet, aber ich freue mich, wenn jemand über gutes Essen so aus dem Häuschen geraten kann.

Er kann auch sehr gut kochen, tut das aber selten. Wenn er es doch tut, stehe ich ihm dabei gern im Weg herum, weil ich mich daran nicht satt sehen kann. Ich tue dann so, als würde ich assistieren, und wir kabbeln uns, weil ich zu früh anfange, Kram in die Spülmaschine zu räumen. Insgeheim hoffe ich, dass irgendwas davon auf meine Söhne abfärbt. Bitte sehr, liebes Schwiegerkind in spe. Du kannst mir dann Weihnachten 2034 danken.

Beim Kartoffelsalat übrigens, aber ohne Mayo bitte. Ich bin zwar Norddeutsche, aber nicht so militant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • Beschämen und vorführen für gesunde Ernährung. Typisch...

  • Vielleicht haben die Italiener einfach nur mehr Zeit zum Einkaufen und Kochen, weil die Deutschen währenddessen mit politischer und gesellschaftlicher Analyse beschäftigt sind?

  • Danke für diesen unterhaltsamen Artikel, an dem einem Vieles vertraut vorkommt.



    Um mal eine Lanze für Ernährung in heimatlichen Gefilden zu brechen:



    Rohkost, Bio, nachhaltig, vegetarisch, vegan etc., sind positive neue Ansätze in der deutschen Küche.



    Mir scheint, dass "deutsche Hausmannskost" mittlerweile vom Aussterben bedroht ist.



    Während in den 80ern noch mühsam erklärt werden musste, dass man gerne einen Salat ohne Fleisch hätte, und dass Speck und Wurst auch Fleisch ist, gibt es heute eigentlich kein Restaurant ohne vegetarisches Gericht mehr.



    Kochen ist auch Teil der Emanzipation. Während Kochsendungen bei unseren Vätern die Lust aufs Kochen weckte, Verschob sich die Rolle der "Frau am Herd".



    Wir Kinder lernten so, geschlechtsunabhängig, in von Elterninitiativen geförderten Kochkursen Grundlagen, die zu Hause das Überleben ermöglichten und der Mama das Arbeiten.



    Unvergessn bleibt die Umzugshilfe Anfang der twens: Zwei, ein "Verletzter" und eine Elfe wurden zum Spagetti kochen bestimmt, damit, für Alle, bei Arbeitsende, was Warmes auf dem Tisch stand.



    Das Ergebnis waren Tortenstücke mit Ketchup, da die Beiden (noch ) nicht wussten, dass das Nudelwasser abgeschüttet werden muss

    • @Philippo1000:

      Wurst ist tatsächlich kein Fleisch. Sonst gäbe es ja keine Fleischwurst.

      • @PeterArt:

        Seegurken sind auch kein Gemüse. Was machen wir da nur? Spoiler: hat was mit dem Gehirn zu tun.

        Wenn man sich aber sonst eher für Stahlindustrie und die "Verfehlungen von Naturschutzverbänden" interessiert, ist man natürlich von der persönlichen Verantwortung ausgenommen.

  • Danke. Hachja, wie sehne ich mich zurück zu dieser unbeschwerten hedonistischen Zeit, in der einfach alles gegessen wurde, was nicht mehr laufen konnte. Stattdessen sage ich jetzt Weihnachtsessen ab, bei denen Tiere gegessen werden. Ich Armer.



    (Geht nämlich immer nur um mich dabei.)

    Auch zwischenmenschlich schlimm, dass wir jetzt immer mehr auf die Befindlichkeiten Anderer achten müssen. Früher hätten die Leute einfach ein wenig Bauchschmerzen oder nen kleinen anaphylaktischen Schock gehabt und gut is. Früher war aber auch weniger Mikroplastik. Und weniger Feinstaub. Der Bergmann, der den doch hatte, is einfach früher gestorben - und alle waren glücklich damit. Früher hatten Kinder aber auch noch Kontakt zu Tieren und Natur, da waren Allergien seltener. Und wenn doch? Darwin erklärts.

    Dabei ist das doch so ein hochprivater Bereit, die Völlerei. Weil Strom aus der Steckdose kommt und Essen aus dem Supermarkt. Ja, schlimm, dass eine gesellschaftliche Debatte uns immer weiter dahin gebracht hat, auf Andere zu achten. Hätten wir bereits die Aufklärung hinter uns, würden wir das Kulturleistung nennen.

  • "Insgeheim hoffe ich, dass irgendwas davon auf meine Söhne abfärbt. Bitte sehr, liebes Schwiegerkind in spe. Du kannst mir dann Weihnachten 2034 danken."



    Sofern das hilft, wäre - wie früher beim Tanzkurs - auch der wieder in Mode gekommene Kochkurs bis hin zur aktuell in meinem Umfeld bei einzelnen "eingefleischten" Nicht-Veganern gehypten Teilnahme an einer "Grillakademie" eine Unterstützung, die per Weihnachtsgeschenk sogar einen "Fördergutschein" mit befördern könnte.



    Erlebniskochen hilft auch prophylaktisch gegen Einsamkeit.



    www.ndr.de/fernseh...endung1417540.html

  • Es nervt einfach nur, ständig den westdeutschen Alltag als alleingültige Norm präsentiert zu bekommen- niemand mag hier Kartoffelsalat und Würstchen am Heiligabend der Atheisten. Ist es wirklich nicht möglich, nach mehr als 30 Jahren „den Rest“ der Bundesrepublik in eure Nostalgie-Essays mit einzubeziehen? Und wenn ihr es schon nicht hinbekommt…- geht es wirklich nicht weniger langatmig? Diese allumfassende westliche Selbstverständlichkeit ist so wenig wahr, so wenig historisch, so wenig zukünftig.

    • @Ohne…geht es nicht:

      Können Ostdeutsche nach 30 Jahren nicht endlich mal aufhören, immer nur wegen der "allumfassenden westliche Selbstverständlichkeit" herumzunölen? Die Autorin erzählt ihre ureigene Geschichte ("Ich fange mal an, folgen Sie mir, wenn Sie mögen oder lassen Sie es bleiben, diese Geschichte ist genauso besonders wie jede andere auch. ")

      Statt Ihres Gemeckeres könnten Sie ja davon erzählen, wie das bei Ihnen so war.

      Dann hätten alle - Ossis und Wessis - was davon.

    • @Ohne…geht es nicht:

      Klar gibt's dann in der Übergangszeit ab '89 auch Anekdoten wie diese: Ein Kollege aus Sachsen, der warmen Kartoffelsalat liebte, hatte in der Küchenzeile des Sozialraumes diesen westlichen, fettigen, Mayonnaise-geschwängerten Kartoffelsalat aus der Conveniance-Food-Industrie warm gemacht, auf dem Herd und in einer Pfanne. Der Rest ist klar:🚮



      Danke für den Einwand, sonst wäre ich auf folgende Adresse nicht gestoßen:



      www.erichserbe.de/...mer-kartoffelsalat



      Vielleicht gibt's inzwischen hybride Varianten, die viel besser schmecken, vegane gibt's in jedem Fall.

    • @Ohne…geht es nicht:

      Hä? In Sachsen sind Kartoffelsalat (natürlich mit Mayo!) und Würstchen in allen Haushalten Standard. Bei Christen und Atheisten.

    • @Ohne…geht es nicht:

      Ach ja, immer wieder mal der Grinch beim Kommentieren…



      Ich bin mir nicht sicher, welcher „westdeutscher Alltag“ „hier“ (wo immer das ist) zur Norm erklärt wurde - es handelt sich um eine Erzählung von Erinnerungen einer einzelnen Person.



      Und seien Sie versichert: bei mir in der Familie (Zonenrandgebiet, West) gab es und wird es nie Kartoffelsalat und Würstchen zu Weihnachten geben. So richtig christlich sind wir auch nicht.



      Also vielleicht einfach mal den lange kultivierten Selbst- und Fremdhass beiseite schieben und neugierig auf die Welt da draußen blicken! Es macht Spaß, man lernt etwas und das Leben ist nicht mehr so grau…

    • @Ohne…geht es nicht:

      Die taz hat doch zu ihrem Geburtstag erst einen Einblick in ihre bezahlende Leserschaft gegeben - in dem Artikel wurde aufgeführt der typische taz-Leser ist demnach männlich, ü60 und Westdeutscher... - der Artikel passt also perfekt zur Leserschaft😉



      Andererseits wurde uns gestern in Thüringen im Ilmkreis zum Heiligen Abend bei bekennenden Atheisten Ente, Klöße und Rotkraut aufgetischt samt festlich geschmückten Baum, Kerzen, Weihnachtsmusik, Rotwein, dem obligatorischen Geschenkeüberfluss und der Weihnachtsmann in Form des verkleideten Nachbarn samt Mütze, Rute und Geschenkesack war auch noch da - final wurde in feierlicher Runde "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" geschaut.



      Was ist also heutzutage Tradition, Kultur, etc?



      Das was jeder drauß macht🤷‍♂️😅

  • Herrlich! Ich bin in einer Zeit und in einer (Pflege) Familie aufgewachsen wo gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Punkt. Da gab es echt keine Diskussionen. Den Stress und Familienterror, als ich mit vierzehn Jahren beschloss, kein Fleisch mehr zu essen, kann man sich denken, oder? In die Schulbrotdose kam Vollkornbrot mit Wurst oder Käse und ein Apfel - manchmal auch eine Apfelsine - dazu, fertig. Die meisten Schüler hatten das. Kochen hasse ich allerdings bis heute, lebe immer noch vegetarisch und mische mich nicht in die Essgewohnheiten anderer Leute ein.

  • Schöne Kolumne! Hab ich gerne gelesen und vieles bei uns in Varianten wiedergefunden.

  • Das – würde ich mal sagen – ist ein ordentlicher, schmackhafter Artikel, der in die Weihnachtsausgabe einer linken Zeitung einfach hineingehört.

    Fachmännische Beurteilung: Obwohl die süddeutsche Küche etwas näher an der mediterreanen gebaut ist, würde ich persönlich die norddeutsche Kartoffelsalat-Variante bevorzugen.

  • Spannend - linker, lutherischer Rigorismus trifft auf südländisch-katholische Lebensfreude.. Plötzlich verwischen die Gut-Böse-Schemata :-)



    Aber ja: wer seinen Kindern Nutellabrote mitgibt, macht sich der Kindsmisshandlung schuldig (keine Ironie!)



    Frohe Weihnachten allesamt!

    • @Emmo:

      Stimmt. Da gehört Nudossi drauf!

      😍

    • @Emmo:

      "Aber ja: wer seinen Kindern Nutellabrote mitgibt, macht sich der Kindsmisshandlung schuldig (keine Ironie!)"



      Richtig, aufs Brot gehört Nudossi und sonst nichts!😉

      • @Farang:

        ;-) Sorry, als in der Schweiz aufgewachsenes Kind kannte ich weder Nutella - und schon gar nicht Nudossi ;-)



        Aber jetzt bin ich neugierig geworden!

    • @Emmo:

      Für mich zählte es dann unter "zivilem Ungehorsam" wenn Kevin das Nutellabrot dem Ernährungskritiker in den Schritt wammst (wegen der Höhe, an den Mund kommt Kevin ned*lol*). Und eh mer hier Nutella als Körperverletzung "hochsterilisiert", möge mensch dafür sorgen, daß es in den Kindergärten und -krippen und Grundschulen wohlschmeckende Tagesvollverpflegung gibt.

      • @Hugo:

        Nutella IST Körperverletzung, da wird nix "hochsterilisiert" ;-) Aber er kanns mir gerne in den Schritt wamsen, dann ist er s wenigschtends ned ;-)

  • Vegan ist zuerst immer ethisch und keine Ernährungsform, Diet. Das wäre dann plantbased. :-)

  • Das war mal schön zu lesen!

  • NICE! Ein Lesegenuss, der Appetit auf mehr macht!

    Ich habe das Brotdosendilemma für mich ganz einfach gelöst, indem ich schon in recht jungen Jahren das Braten von Chapatis lernte. Ein paar zum essen, ein paar zum tauschen - für den Belag, denn trockene Chapatis sind nicht magenfüllend: niemand sonst in meiner Klasse hatte Chapatis, und das machte die Dinger unwiderstehlich.

    Aber Nachmittagsunterricht war damals nur 2 Tage die Woche, ansonsten wäre das Spielchen recht bald alt geworden.

    • @Ajuga:

      Wahrscheinlich gibt's die heute einschließlich Zutaten auch in Ostwestfalen, wo es früher oft noch hieß:



      Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich!