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Klima und KonservatismusDie Kammer des Schreckens

Herr L. ist ein Konservativer und hasst die Hitze. Weil seine Klimaanlage ausgefallen ist, fragt er sich nun, ob diese beiden Dinge zusammenhängen.

24 Grad um 6.51 Uhr sind Herr L. zu viel, doch leider ist seine Klimaanlage kaputt Foto: Michael Gstettenbauer/imago

A n einem Sonntag im Juli 2021 war es zu heiß, morgens schon. Herr L. betrachtete besorgt die Temperaturanzeige seines digitalen Weckers. 24 Grad um 6.51 Uhr waren zu viel und Herr L. war genervt, dass sein Sohn es versäumt hatte, die Handwerker mit der Reparatur der Klimaanlage zu beauftragen und jetzt spontan nach Ibiza geflogen war. In der Wetter-App sah Herr L., dass die Höchsttemperatur gegen 16 Uhr erreicht werden sollte. 35 Grad. Früher hätte es das nicht gegeben. Er vermisste früher und er hasste die Hitze.

Herr L. mochte sein Leben. Er hatte hart gearbeitet und einiges erreicht: Ein Haus, eine Frau, die Kinder, einen kleinen Vorgarten und einen deutlich größeren Garten hinter dem Haus. Zwei Autos, davon ein BMW, einen Fire Magic Aurora A660S Gasgrill, diverse Aktien, eine Wohnung in Stuttgart, die er unter Wert an einen Freund seines Sohnes vermietete. Er hatte auch gute Bekannte: einen Internisten, einen Chirurgen, viele aufrechte Mittelständler, mehrere Banker, jemanden vom DFB. Kurzum: Herr L. hatte kein schlechtes Leben, und weil er dafür durchaus dankbar war, ging er sonntags in die Kirche und steckte einen Schein in die Kollekte. Das Einzige, was Herrn L. wirklich nervös machte, waren die Hitze und seine Abstellkammer.

Herr L. sagte gern: „Ich bin ein Konservativer, ob es den Leuten gefällt oder nicht.“ Konservativ, also conservare, erhalten, bewahren – das erschien ihm richtig. Herr L. bewahrte und erhielt vieles, das meiste in der Abstellkammer. Das Problem war, dass er nicht mehr genau wusste, was sich alles in der Kammer befand. Herr L. hatte gern den Überblick, aber er traute sich nicht mehr, die Tür zur Kammer zu öffnen.

Vakuumverpackte Normalität

Er erinnerte sich an einen Karton voller christlicher Werte: die steinerne Skulptur einer traditionellen Kleinfamilie, seine Ludwig-Erhard-Gedenkmünze, ein Modell des Abendlandes, das sein Sohn 1995 im Kunstunterricht gebastelt hatte, und eine Sonderedition des Gesellschaftsspiels „Festung Europa“. Im vorletzten Winter hatte seine Frau acht Einmachgläser mit alter deutscher Rechtschreibung befüllt und in die Kammer gestellt. Und irgendwo müsste noch die vakuumverpackte Normalität liegen.

Trotzdem spürte Herr L. dieses Unbehagen, immer, wenn es zu heiß war und wenn er an die Kammer dachte. Leider war es oft zu heiß. Die Hitze, die Kammer. Hing das zusammen? „Quatsch“, sagte Herr L. zu sich selbst, die Scheißhitze vernebelte den guten Menschenverstand. Und doch: Er fühlte sich wie vor einer Reise, wenn er fürchtete, etwas vergessen zu haben. Als ob es etwas Essenzielles zu bewahren gab, das ihm nicht einfallen wollte. Herr L. drehte das Radio auf, um seine Gedanken zu übertönen.

Angela Merkel sagte, „wir müssen uns sputen“, eine andere Frauenstimme redete von Extremwetterereignissen. Ihm lief der Schweiß, wie ärgerlich, vor allem wegen der gelben Rückstände auf dem weißen Poloshirt. So ging es nicht weiter. Gleich morgen würde er sich selbst um die Klimaanlage kümmern.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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17 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Da hat Herr L. aber nicht viel erreicht. Also wer für sind Geld *hart* arbeiten muss, der hat was falsch gemacht. Gewinner™ bekommen doch bekanntlich den Bimbes hinten und vorn reingeschoben, ohne auch nur einen Finger krumzumachen ;-)

  • Ein Artikel vollgepackt mit persönlichen Vorurteilen über andere Menschen.

    So sieht heute Leistung aus!

  • Weil wir grade beim Thema sind:

    Hat das taz-Gebäude eigentlich eine Klimaanlage? Und wie wird das Gebäude beheizt?

    Ich denke das interessiert viele Leser!

    • @Argonaut:

      Berechtigte Frage. :-)

  • Ne Klimaanlage nutzt ja dann Strom wenn er zu Negativpreisen an den Börsen gehandelt wird, da hat der Kunde zwar nichts von aber ein schlechtes gewissen hätte ich nicht mittags die Klima anzuschalten. Is ja 100% Sonnenstrom.

  • Etwas aufgekochte Klischees, kein Inhalt.

  • Snd das nicht die Gelbwestenwähler der Linkspartei die Co2 Steuern wie die Partei auch ablehnen?

    • @Rudolf Fissner:

      die linkspartei lehnt nicht co2 steuern sondern sozial ungerechte und im hinblick auf das ziel der emmissionssenkung ineffiziente co2 steuern ab



      sie will dass co2 -emmissionen desto mehr kosten je mehr jemand sie vermeiden kann und je mehr jemand sie trotzdem weiter verursacht.



      in anbetracht dessen dass eine reiche minderheit den grössten teil der emmissionen verursacht ist das auch die einzige richtige strategie

  • Aha, der typisch deutsche Durchschnitts-Boomer. So einen habe ich als Nachbarn.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Wer die 50 überschritten hat und mangels Religiosität und Kinder keine besondere Verbindung zum Leben nach seinem persönlichen Tod hat, für den ist es ein sehr rationales Verhalten nicht die Ursachen sondern nur die Symptome des Klimawandels zu bekämpfen

  • Ein Text der nahe geht. Leise und intensiv. Verspielt - acht Einweckgläser alte Rechtschreibung - und ernsthaft.

    Ob ich mal in meine "Abstellkammer" schaue?

  • Lin Hierse, danke für diesen kafkaesken Text...wunderbar erheiternd und tiefsinnig - was ja wohl der Sinn sein sollte - ...da lässt es sich den Nachmittag genießen...

    • @Struppo:

      Hm, fand ich jetzt weder kafkaesk, erheiternd oder gar tiefsinnig. Halt die Beschreibung eines Durchschnitts-Hampelmanns.

      • @Stefan L.:

        Streiten will ich nicht. Jeder gewinnt seine Auffassung. Doch ich finde, die Autorin zeigt mir geschickt die unheimliche Seite des "Durchschnitts-Hampelmanns*. Beklemmend.

        Lange her, da schrieb Bob Dylan einen Song

        *Ballad of a Thin Man*

        Der erlebte allerlei skuriles u. und unheimliches.

        *You try so hard but you don't understand

        Just what you will say when you get home

        Because something is happening here but you don't know what it is

        Do you, Mr. Jones?*

        Hier die Ballade:

        www.youtube.com/watch?v=we37yX3zpKA