Kleiderregel an Schulen und Augenklappen: Anständige Klamotte
Der Bundeselternrat will „lottrige“ Kleidung aus den Schulen verbannen. Wenigstens aus erotischer Verklemmtheit und nicht gegen religiöse Toleranz.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Fußball.
Und was wird besser in dieser?
Ich war schon immer Riesen-Basketball-Fan.
ist Journalist, Produzent und trägt Jeans, T-Shirt, Jacke.
Olaf Scholz plädiert in seinem Deutschlandpakt für ein „Kräftebündeln“ aller demokratischen Parteien. Ist also plötzlich alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Die SPD-geführte Regierung schlägt ein Programm vor, das Arbeitgeber und CDU-Ministerpräsidenten begrüßen, die Unionsspitze hingegen als „PR-Gag“ (MP Wüst), „nichts Neues“ (Merz) und „Bonsai-Paket“ (Spahn) verspotten: Da schrillt Alarm im politischen Seniorenheim. Denn genau so war’s bei Kanzler Schröders „Agenda“. Die war von Bertelsmann-Stiftung bis Bundespräsident gefordert worden, doch Oppositionsführerin Merkel knöterte: „Das war nicht der große Wurf.“ Um als Kanzlerin 16 Jahre von dieser Politik zu profitieren. Noch ist Scholz’ Vorschlag ein wabernder Flausch an Designerwörten: Wachstumschancengesetz, Zukunftsfinanzierungsgesetz, Onlinezugangsgesetz. Charmant an Scholz’ Vorgehen ist einstweilen nur genau dies: Mit „mutigen Kompromissen“ und „Gemeinsamkeit“ soll die olle Mühle Parteiendemokratie noch mal zeigen, was sie kann – gegen allerhand wabernde autoritäre Gelüste.
Die Automesse IAA zeigt, dass Deutschland nach wie vor an Verbrennerfahrzeugen festhält. Wird das noch was mit der Mobilitätswende?
Hoch lebe Andreas Flocken, der 1888 in Coburg das erste Elektroauto auf vier Räder stellte. Kurz drauf sind wir irgendwie falsch abgebogen. Heute konzentrieren sich deutsche Hersteller auf große, teure „Battery Electric Vehicles“ – mit starrem Blick auf die Marge pro Fahrzeug. Gefragt sind kleinere, günstige BEV in hohen Stückzahlen. Schlimm, dass die Brumm-brumm-Fraktion uns mit gefälschten Abgaswerten betrogen hat, Verbrenner und Umwelt gingen in eins. Schlimmer, dass sie sich den Quatsch selbst geglaubt haben.
Nach der Antisemitismus-Affäre um Hubert Aiwanger kommen die Freien Wähler in Umfragen auf Rekordwerte von 16 Prozent. Was ist da los in Bayern?
Aggressive Ungenauigkeit. Das Bündnis von CSU und FW wird nun Stimmen sammeln von Leuten, die auf Aiwangers Selbstmitleid reinfallen und vergorene Judenwitze auch nicht so schlimm finden. Und solchen, die den Jungs Empörung und Distanzierung abkaufen. Das schließt einander aus, macht aber zusammen 50 Prozent.
Der Bundeselternrat will „lottrige“ Kleidung aus den Schulen verbannen. Sinn für Ästhetik oder einfach nur Bevormundung?
Erst mal ein überkommenes Wort, dem heute „verlottert“ und „Lotterbett“ nachklingen. Die gute Nachricht: Der deutsche Elternrat bezieht seine Paranoias aus erotischer Verklemmtheit. Das Vorbild, Frankreichs Präsident Macron, fordert eine „Einheitsbekleidung“ gegen religiöse Toleranz. Das würde in Deutschland, wo Kruzifixe Klassenräume zieren und Kirchenabhängige Religionsunterricht erteilen, natürlich ein bisschen schwieriger. An Frankreichs Schulen wurde just der traditionelle Übermantel Abaya verboten, Macron schlug zur Güte „T-Shirt, Jeans und Jacke“ vor. In Deutschland wäre schon viel geholfen, wenn die Schule sekular, kirchenfrei wäre und somit Vorbild für das Gemeinte.
Nach einem Jogging-Unfall trägt unser Kanzler nun Augenklappe. Cool oder peinlich?
Scholz – der Einäugige unter den Linden. Hab’s gegoogelt, alle anderen Witze sind gemacht. Scholz’ offensive Einladung zu Memes und Scherzen wurde von der deutschen Pointenindustrie souverän umgesetzt. Wer sagt denn, dass staatlicher Anschub nix taugt? Mein Klassenkamerad Carsten errang einen soliden Schulverweis: Er begrüßte unseren kriegsversehrt glasäugigen Direktor mal zum Unterricht mit der Wendung „Chef, kann ich Sie mal unter drei Augen sprechen?“ Da liegt die Latte, Lindner.
Die Frage, wie mit Wölfen umgegangen werden soll, ist mittlerweile sogar bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel angekommen. Braucht der Problemwolf mehr Liebe und Zuneigung?
Die Idee, den ausgerotteten Wolf wieder anzusiedeln, hat wohl etwas Naturromantisches: Beißt er zu, staunen manche, dass das gar nicht stimmt mit dem heiter spielenden Wölfen und Lämmern auf Jehova-Traktätchen. Ein Kollege aus einem ARD-Landessender, der ein Bürgerbeteiligungsformat betreut, erzählte mir: „Wenn bei der Quote gar nichts mehr geht, machen wir den Wolf.“ Läuft doch.
Und was machen die Borussen?
Dienstag spielt Deutschland gegen Frankreich im Westfalenstadion. Headline: „Dortmund übt Trainerentlassung“.
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und trägt Jeans, T-Shirt, Jacke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga