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Kampf gegen die InflationLeitzinserhöhung der EZB ist fatal

Gastkommentar von Joscha Wullweber

Die geplante Leitzinserhöhung der EZB birgt das Risiko einer wirtschaftlichen Rezession. Auch gegen die Inflation ist sie derzeit das falsche Mittel.

Die Europäische Zentralbank erhöht den Leitzins Foto: imago

D ie EZB wird diese Woche beschließen, die Leitzinsen zu erhöhen. Das Anleihekaufprogramm wurde bereits heruntergefahren. Beide Entscheidungen sind zum jetzigen Zeitpunkt ein großer Fehler. Sie beruhen auf der Hoffnung, die Inflation wieder auf ein erträgliches Maß drücken zu können. Doch genau dieses Ziel wird verfehlt. Stattdessen droht eine wirtschaftliche Rezession bei weiterhin hoher Inflation.

Joscha Wullweber

ist Professor für Politische Ökonomie und Nachhaltigkeit an der Universität Witten/Herdecke. 2021 erschien bei Suhrkamp sein Buch „Zentralbankkapitalismus“.

Höhere Leitzinsen machen Kredite teurer. Also investieren Firmen weniger. Zudem muss der Staat mehr Geld für seine Schulden aufwenden. Es werden insgesamt weniger Jobs geschaffen und weniger Menschen angestellt. Auch das eigentliche Ziel wird verfehlt, weil eine moderate Leitzinserhöhung die Geldentwertung kaum beeinflusst, da es sich vor allem um eine importierte Inflation handelt: Die Preise steigen vor allem durch Lieferkettenprobleme und die hohen fossilen Energiekosten, aber auch aufgrund höherer Profitmargen einiger Firmen.

Diese Faktoren lassen sich nicht durch höhere Leitzinsen steuern. Nur wenn die Zinsen so stark angehoben würden, dass die Ökonomie schrumpft, lässt auch die Inflation nach. Leidtragende wären die unteren Einkommensgruppen. Gleichzeitig führte die angekündigte Zinswende dazu, dass die Risikoprämien für die Staatsanleihen der einzelnen Euroländer auseinanderdriften. Die Stabilität der Eurozone ist damit in Gefahr. So muss zum Beispiel Italien jetzt deutlich mehr Zinsen zahlen als Deutschland.

Die Eurozone schwächelt, Zinserhöhungen wären fatal

Leitzinserhöhungen können sinnvoll sein, um eine überhitzte Wirtschaft abzukühlen. Doch derzeit schwächelt die Eurozone. Zinserhöhungen wären daher fatal, denn sie würden die Krise vertiefen und zugleich staatliche Konjunktur- und Sozialprogramme verteuern.

Gut 50 Prozent der Inflation geht auf die fossilen Brennstoffe zurück. Wir sollten uns von ihnen unabhängig machen, indem wir Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umbauen. Die EZB sollte diese Politik durch den Ankauf von Staatsanleihen unterstützen.

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35 Kommentare

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  • einmal ökonomisch fundierter ausgedrückt:

    makroskop.eu/25-20...richtigen-spreads/

  • Die EZB hat bereits viel zu lange mit einer Leit-Zinserhöhung gewartet, um die europäischen Mittelmeerländern mit ihren Staatsdefiziten nicht nochmals stärker unter zusätzlichen Druck zu bringen.



    Bereits vor Corona standen da schon einige Länder auf sehr wackligen Beinen.



    Doch infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine ist die Rechnung der EZB leider nicht aufgegangen.

    Ja, wir müssen uns von fossilien Energien schnellstmöglich unabhängig machen. Doch dies wird ganz sicher nicht bis zum kommenden Winter geschehen sein, sondern gut 10 Jahre benötigen, WENN wir uns diesbezüglich wirklich maximal anstrengen. Und für diese Zwischenzeit benötigen wir tragfähige Übergangslösungen, welche auch in sozialer Hinsicht tragfähig sind.



    Und ja, die Kredite werden dann etwas teurer. Doch dies hindert den Staat doch nicht, z.B. hinsichtlich der erneuerbaren Energien bestehende Hürden zu beseitigen und Anreize & Geld in den Markt zu pumpen, dass wir dann wenigstens in 10 Jahren von fossilen Engergien unabhängig sind. (An dem 100 Mrd.-Euro Sondervermögensfond für die Bundeswehr sehen wir doch überdeutlich: Wenn der Wille vorhanden ist, dann ist auch das Geld zur Umsetzung dieses Willens da!)



    😉

  • haben Sie schon mal die Preise aus Ihrer Kindheit mit den heutigen verglichen? Oder den Preis auf einer Micky Maus aus dem Bücherschrank der Boomergeneration? Da könnte man schon denken, erschreckend wie teuer alles geworden ist, wenn es doch bloß die böse Inflation nicht gäbe... aber, die Löhne sind in der selben Zeit auch gestiegen. Und das ist der Kern von Inflation, ohne Inflation kein (fiskales) Wachstum. Was in den letzten Jahrzehnten falsch gelaufen ist, ist dass die dt Löhne nicht mit dem Wirtschaftswachstum mitgehalten haben (real gesunken sind) finanziert hat`s das Ausland (Export), eine logische Folge war die sinkende Konkurenzfähigkeit der anderen Euroländer, denn die konnten die Löhne nicht analog senken, das kann nur der erste. und daraus folgend die Eurokrise und die EZB Antwort: Null Prozent Zinssatz und weil Zinsen eben nicht DAS Steuerinstrument sind und nicht halfen: Anleihenkäufe.



    Wenn Sie jetzt die Wirtschaft drosseln wollen, eine Rezession heraufbeschwören wollen, um die Inflationsrate zu senken, wird das sogar auf dem Papier gelingen, nur wird die Energie nicht billiger werden, die ist ja extern getrieben (nicht innerhalb der Eurozone) und es werden noch weniger Menschen die Energie bezahlen können, da dann weniger Geld im Geldbeutel ist.



    Was eine Rezession bei unverändert hohen Energiepreisen bedeutet: viel Spaß mit den Fratellis in Italiens Regierung mit Le Pen in Frankreich mit Putin in der Ukraine, denn die Sanktionen werden fallen müssen, wenn wir uns in eine Rezession stürzen. Und das für einen moralisierten durch nichts gestützten Wirtschaftskurs? Was bei uns in D passieren wird, tja, hoffen wir das beste....

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Kommentar an @nutzer

      Die tieferen Ursachen der Inflation = == drei D







      1.. De-karbonisierung,



      2.. De-globalisierung



      3.. Digitalisierung

      1..Oberflächlich betrachtet ist natürlich die Energieabhängigkeit der Bundesrpublik, bzw. der Versuch sich aus dieser Abhängigkeit von Putler zu befreien ein gewaltiger Preistreiber.

      Unabhängig von der wiederlichen blutrünstigen Vergewaltigung Putlers der Ukraine wäre die Decarbonisierung eh irgendwann passiert - der Klimawandel macht es nötig - nichtsdestotrotz wird der Prozess, kein CO2 mehr zu produzieren, die Energie verteuern.

      2. Dank der Pandemie hat der Prozess der Deglobalisierung längst eingesetzt Mit der Erkenntnis, sich nicht länger in weitere Abhängigkeiten zu begeben. Beispiel: Maskenlieferung aus China - die am Anfang der Pandemie nicht geliefert werden konnten weil die China selbst benötigt hat. Deglobalisierung ist ein nicht zu unterschätzender Preistreiber - in Europa zu produzieren ist sehr viel teurer als in Chin oder anderswo.



      Deglobalisierung bedeutet: Höhere Stückkosten durch höhere Löhne.

      3.. Digitalisierung - in diesem Bereich ist ganz Europa abhängig - völlig egal wo man anfängt zu suchen: soz. Medien, PC, Laptopp, smart-phones oder in der Erstellung der Software.

      Es werden riesige Summen benötigt um diese Abhängigkeit zu verändern.

      Klartext: Das Modell Deutschland - geringe Energiekosten und geringe Kosten der Einzelteilfertigung durch Globalisierung ist nach der Entzauberung Chinas und Putlers definitiv beendet.

      Die Frage ist: Was kommt nun?

      • @06438 (Profil gelöscht):

        der entscheidende Punkt ist aber wie schnell die Energiepreise steigen. Mit einem Schock, so wie jetzt oder mit Zeit zur Adaption. Eine Rosskur, so wie sie jetzt gerade geschieht, verkehrt sich das ganze möglichweise (ich sage sogar ziemlich sicher ) ins Gegenteil

    • @nutzer:

      @Coriander23

  • Eine Reduzerung der Staatsdefizite wäre vermutlich das bessere Mittel zur Eindämmung der Inflation, die ja durchaus auf einer Übernachfrage beruht.



    Die Zinserhöhung wird schon benötigt, um die Realzinsen nicht noch weiter ins negative zu drücken.

    • @meerwind7:

      aktuell ist der Staatsektor, der einzige Sektor der noch investiert (sprich sich verschuldet). Wenn der Staat auch nicht mehr investiert, gibt es auch eine Rezession. Was helfen würde, wäre den Privatsektor zum Konsum anzuregen, am besten geht das mit steigenden Einkommen... Den Wirtschaftssektor durch niedrige Zinsen zum investieren zu bringen hat ja nicht geklappt... Dann könnte der Staat "sparen".



      Das ist nicht so mal eben gemacht, aber die Zinsen erhöhen, bringt die Wirtschaft nicht zum investieren und den Privatsektor ebenso nicht. Eine Wirtschaft in der alle sparen gerät in eine Rezession. Dank der exobitanten Exporte der letzten Jahre hat das Ausland unseren Sparkurs finanziert, hat nur keiner bemerken wollen. Aber das mit dem Export dürfte jetzt erstmal auch rückgängig sein.... schlechte Zeiten für das Modell Deutschland.

      • @nutzer:

        "aktuell ist der Staatsektor, der einzige Sektor der noch investiert (sprich sich verschuldet). Wenn der Staat auch nicht mehr investiert, gibt es auch eine Rezession."



        Wenn der Staat mehr investieren will, dann soll er sich ehrlich machen und die Steuern erhöhen, auf demokratischem Weg und durchs Parlament (Wer ruft eigentlich noch nach einer Finanztransaktionssteuer?).



        Statt über das in keiner Weise demokratisch legitimierte Schneeballsystem über Schulden, die dann durch Inflation (a) "unwichtig" gemacht werden und (b) von uns bezahlt werden (Die Inflation wirkt wie eine Mehrwertsteuererhöhung und trifft daher die weniger begüterten Teile der Gesellschaft am härtesten).



        Zum Nachdenken: (1) Die EZB kann Geld drucken, aber keinen Wert. Wo kommt der Wert des neu gedruckten Geldes her? (2) Sind die Probleme der EZB meine Probleme?

  • Das billige Geld hat ja wohl auch zur Zockerei auf dem Immobilienmarkt geführt. Da wurde nix gebaut sondern mit vorhandenen Wohnraum spekuliert. Lieferdienste ohne Ende und Schwachsinn wie E-Skooterverleih, die ohne Ausbeutung von Arbeitskräften nicht rentabel sind. Der Finanzsektor bläht sich immer weiter auf und hat sich von der Realwirtschaft längst abgekoppelt. Es wurde viel Scheiß mit dem billigen Geld gemacht.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Bei In­fla­ti­on sinkt der Geld­wert, die Kauf­kraft des Gel­des nimmt ab. Ein Bei­spiel: Ein Paar Schu­he kos­ten heute 100 Euro. Bei einer In­fla­ti­ons­ra­te von 5 Pro­zent muss man dafür in einem Jahr 105 Euro be­zah­len, in 5 Jah­ren schon rund 128 Euro. Je höher die In­fla­ti­ons­ra­te, desto dra­ma­ti­scher sind diese Fol­gen. Emp­fän­ger von Ge­häl­tern, Ren­ten und So­zi­al­leis­tun­gen sind be­son­ders be­trof­fen. Denn diese Ein­kom­men blei­ben auch bei In­fla­ti­on zu­nächst ein­mal gleich.



    ===



    Das führt dazu, dass sich die Men­schen von ihrem Geld wegen stei­gen­der Prei­se immer we­ni­ger leis­ten kön­nen.



    ===



    Bei In­fla­ti­on werden Zin­sen er­hö­ht. Da­durch wer­den we­ni­ger Kre­di­te auf­ge­nom­men, es kommt we­ni­ger Geld in Um­lauf und es wer­den we­ni­ger Güter nach­ge­fragt. Die Un­ter­neh­men blei­ben zum Teil auf ihren Waren sit­zen und kön­nen ihre Prei­se kaum noch er­hö­hen. So kann eine An­he­bung der Zin­sen die In­fla­ti­on be­kämp­fen, bis wie­der Preis­sta­bi­li­tät herrscht.

    Wer anderer Meinung ist sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei ansehen:



    Dank Erdogans Verbot Zinsen zu erhöhen stieg die Inflation auf 75%.

    Möchte das jemand?

    Sicher sind die derzeitigen Inflationsraten Energie-getrieben. Allerdings erhöhen sich die Preise auch bei vielen Artikeln die nicht oder nur wenig von Energiepreisen abhängig sind.

    Diese Artikel sollten als erstes in den Regalen verschimmeln - um die Trendwend einzuleiten. Kaufboykott bei hohen Preisen ist die nachhaltigste Lösung Inflation zu bekämpfen.

  • "Gut 50 Prozent der Inflation geht auf die fossilen Brennstoffe zurück. Wir sollten uns von ihnen unabhängig machen..."



    "Unabhängig machen" ist ja schön und gut. Aber was schlägt der Herr Professor gegen die anderen 50 % der Inflation vor???

    • @sollndas:

      hat er doch geschrieben, die EZB muß die Staaten stützen und die Umbauten finanzieren, anstatt sie der Spekulation zu überlassen und die Eurozone in eine Rezession zu führen.



      Eine Zentralbank kann so viel Anleihen in der eigenen Währung aufkaufen wie sie will, es gibt kein Limit, das ist der entscheidende Unterschied zwischen Makro- und Mikronomik. Japan macht das seit Jahren. Nur der Mainstream der dt Ökonomen, die im Kern BWLer/ Mikroökonomen sind versteht das nicht , benutzen sie doch den falschen Referenzrahmen. Stattdessen wird von einer Reinigung durch die Marktkräfte fabuliert, was im Klartext eine Rezession bedeutet, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen könnte/wird. Im Namen eines ideologisierten Buchhaltungsfetischismus, der das SOLL in der Bilanz der EZB mit Schulden / Schuld verwechselt.... (in Wahrheit ist sogar sämtliches Geld in der Eurozone ein Bilanzbetrag auf der SOLL-seite der EZB Bilanz)



      Was kam nach den goldenen 1920iger? War das auch die gerechte Strafe für die Sause vorher, wie hier einige Kommentare andeuten?



      Es ist schlicht eine Katastrophe, das links keine ökonomischen Kenntnis hat und immerzu auf die moralisch gefärbten Köder der Neoliberalen anbeißt.

      • @nutzer:

        Japan ist aber nun gerade ein ökonomisch schlechtes Beispiel. Dort herrscht seit Jahrzehnten Stagflation. Das ist exakt das Szenarion vor dem alle (zu Recht) am meisten Angst haben.

        Was die generelle Ökonomenschelte angeht bin ich ganz bei Ihnen, würde das aber auch auf alle Makroökonomen ausweiten. Wenn man sich mal mehr als 3 Minuten mit der Ökonomie (egal ob neoklassisch, keynesianisch oder post-keynesianisch) beschäftigt merkt man erst, dass die Ökonomie generell die Vereinigung der wissenschaftlich lackierten Kaffeesatzleser ist.

  • Die EZB erzeugt über Ankäufe und Zinsen immer noch viel zu viel billiges Geld.

    Natürlich ist es verlockend einfach alle Menschen fair zu bezahlen, über Arbeitsplätze, Renten, Sozialmaßnahmen. Wenn ich das Geld billig genug mache, werden dafür auch genügend Firmen überleben, das scheint mir relativ sicher.

    Das Geld muss dafür aber vielleicht sehr billig gemacht werden und einen Anreiz zu überprüfen, ob meine Arbeit und meine Firma auch nachgefragt sind, gibt es dann weniger. Die Menschen werden dann auf längerer Sicht lieber asiatische Produkte kaufen und dort investieren.

    Das ist aber ein langwieriger und sehr multikausaler Prozess, bei dem man Ursachen und Wirkungen ohnehin nie genau zuordnen kann. Insofern stimmt es wahrscheinlich: das kann erst ein Anfang gewesen sein - jetzt sollte die EZB erst richtig für faire Löhne, Arbeitsplätze, gesicherte Renten und Sozialleistungen sorgen. Gelddrucken ist so einfach - es kann einfach nicht sein, dass es daran scheitert.

    (ok, das war jetzt etwas bissig-satirisch).

    • @Markus Michaelis:

      "jetzt sollte die EZB erst richtig für faire Löhne, Arbeitsplätze, gesicherte Renten und Sozialleistungen sorgen." das ist nur leider nicht der Auftrag der EZB, der ist die Geldwertstabilität (daran hält sie sich zwar auch nicht) und sonst nichts

    • @Markus Michaelis:

      "sehr multikausaler Prozess, bei dem man Ursachen und Wirkungen ohnehin nie genau zuordnen kann."

      Doch, das kann man! nennt sich Makroökonomie.

      • @nutzer:

        Nein. Die Makroökonomie besteht nur aus smoke & mirrors zur Verschleierung, dass sie absolut keine Antworten hat.

        So arbeitet die Makroökonomie immer mit Modellen, also Teilausschnitten der Realität, die nur bestimmte Bereiche jeweils separat betrachtet. Selbst diese Teilbetrachtung ist dann aber immer noch zu komplex, sodass mit den "ceteris paribus"-Annahmen immer nur ein Faktor betrachtet wird.

        Die Betrachtung eines einzigen Faktors in einem Teilausschnitt der Realität ist das genaue Gegenteil einer multikausalen Betrachtung.

        Deshalb ist die Ökonomie als Disziplin genereller Unfug.

  • "da es sich vor allem um eine importierte Inflation handelt"



    Aha, dass die Zentralbanken die Märkte die letzten anderthalb Jahrzehnte mit super-billigem Geld bei Null- und Negativzinsen geflutet haben hat demnach so gar nichts mit der aktuellen Entwicklung zu tun? Mir scheint es relativ logisch und plausibel, dass auf die endlose Party irgendwann doch mal ein böser Kater folgen musste.

    • @Ingo Bernable:

      Es ist aber weder logisch noch plausibel, auch wenn ihnen das so erscheint.

      Die aktuelle Inflation beruht auf Problemen beim Angebot und nicht darauf, dass den Nachfragern das Geld zugeflossen wäre und die nun mit vor Geld gebeulten Taschen an der Supermarktkasse stehen.

      • @Reno Zeh:

        Im Falle der Energiepreise die erheblich zur Inflation beitragen, geht es auch um deformierte Märkte an den Energiebörsen. Beim Strompreis an der Börse bestimmt die teuerste Produktion innerhalb des benötigten Bedarfes den Preis, der dann für alle anderen zählt. Nicht der Durchschnitt oder anteilsmäßig. Da in Frankreich die AKWs ausfallen wird teurer Strom aus Gaskraftwerken benötigt der dann die Basis für den Preis bildet. Billige Produzenten z.B. mit Kohle fahren dadurch Rekordgewinne ein. Beim Gas ist in Deutschland der Verbrauch zur Stromerzeugung gerade auf Rekordhöhe. Für den Export.



        www.ardmediathek.d...C02ZmJjZjc3ZmY4MWE

      • @Reno Zeh:

        Und können sie auch begründen warum das so ist bzw. sein soll? Warum die seit 2008 praktizierte Nullzinspolitik, Negativzinsen auf Spareinlagen, die aus zu viel zu billigem Geld gespeisten Preisexplosion bei Immobilien oder die endlose Rally an den Aktienmärkten (der DAX hatte sich etwa seit 2008 von 4800 auf 15800 Punkte mehr als etwa verdreifacht) in keinem Zusammenhang mit der Inflation stehen soll bzw. die Inflation nicht mit der zirkulierenden Geldmenge?

  • "Gut 50 Prozent der Inflation geht auf die fossilenBrennstoffe zurück. Wir sollten uns von ihnen unabhängig machen, indem wir Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umbauen."

    Erzählen Sie das doch bitte mal dem cleveren Herrn Lindner, der ab 2023 die Pendlerpauschale erhöhen will...

  • Normalerweise ist eine Zinserhöhung eine Antwort auf eine durch zu hohe Nachfrage angekurbelte Inflation, eine dämpfende Konjunkturbremse. In dieser Lage einer durch Kaufkraftverlust, Erhöhung der Rohstoffpreise, und einem Mangel an Arbeitskräften hervorgerufenen Rezession wäre eigentlich nach klassischer Ökonomie eine Spritze notwenig, um den Motor am Laufen zu halten. Angesichts der so hohen Verschuldung, die mit steigenden Zinsen noch dramatischer wird, kann diese Zinserhöhung nur ein fast hilfloser Versuch sein, gegenüber der Fed, der US-Notenbank ein Gleichgewicht herzustellen, bevor der € ganz aus dem Ruder läuft. Gewinner kann es in diesem Spiel nirgendwo geben, wobei trotz allem der $ noch die etwas besseren Karten hat, schließlich ist er noch die Leidwährung für fast alle Rohstoffpreise, bevor er von der chinesichen Währung verdrängt wird.

  • Die Politik des gedruckten Geldes sollte eine Übergangssituation bleiben und schon seit längerem wirkt die Euro-Zone wie ein Drogenabhängiger, süchtig nach billigem Geld.

    Diese Politik hat jedoch unter anderem auch zur Folge, dass die Bodenpreise immer weiter gestiegen sind (irgendwo muss das ganze Geld ja hin).

    Wenn und soweit nicht zumindest eine moderate Zinserhöhung kommen sollte, dann verliert der Euro im Vergleich zum Dollar immer weiter an Wert und die Energiekosten steigen alleine wegen der Wechselkursentwicklung weiter an. Insoweit ist die Analyse des Autoren viel zu kurz gegriffen.

    Gegen den Zinsspread hat die EZB ja bereits kürzlich in einer übereilten Nachtsitzung reagiert und kauft nunmehr verstärkter Staatsanleihen bestimmter Länder; die ursprünglich vorgesehene Gleichgewichtung ist aufgegeben worden. Damit kommt die EZB mal wieder in den Bereich der verbotenen Staatsfinanzierung (siehe Artikel 123 AEUV).

  • Die Annahme, dass eine niedrige Arbeitslosigkeit mit einer erhöhten Inflationsrate erkauft werden kann, wurde doch bereits in den 70ern widerlegt.



    Ganz im Gegenteil gibt es eine Parallelität von schwächelnder Wirtschaft und Inflation, Stichwort Stagflation.



    Es ist schon unschön genug, dass die EZB so lange ihr wichtigstes Ziel der Geldwertstabilität mißachtet hat; die Folgen sehen wir ja.

  • Der Autor scheint mit seiner Meinung mittlerweile allerdings zu einer Minderheit zu gehören.

    Ich glaube eher dass die Folgen umso schlimmer werden je länger man jetzt noch zögert. Die FED fährt nicht zum Spaß einen deutlich strafferen Kurs. Wenn die EZB jetzt nicht reagiert wird der Euro noch viel weiter einbrechen und die Importe, die jetzt schon die Inflation antreiben, werden noch teurer.

    • @CrushedIce:

      die Situation in den USA ist gänzlich anders, dort zog zuletzt die Wirtschaft wieder an, während die Eurozone (dank Sparmaßnahmen und der fiskalischen Bestrafung der Südländer) sich nie erholt hat, die Eurozone befindet sich auf einem niedrigen Plateau, wo schon leichte Schwankungen als Wachstum verkündet werden.



      Die Zinserhöhung in den USA wird auch dort einen Wirtschaftseinbruch erzeugen, mit den bekannten Folgen, aber immerhin ist die Ausgangslage eine andere. Trump und Co dürfte es trotzdem in die Hände spielen...



      Das was den Blick vernebelt ist die Berechnung der Inflationsrate, exorbitante Steigerungen beim Rohstoffimport bei dümpelnden Teuerungsraten der restlichen Indikatoren (zumindest bis die Rohstoffpreise auch dort durchgeschlagen sind) daraus ergibt der Durchschnitt eine allgemeine Teuerung, die aber im eigentlichen Sinn keine Inflation ist, sondern eine Importverteuerung und eben keine heißgelaufene Wirtschaft.



      Klar, wenn jetzt die schwache Wirtschaft abgewürgt wird, wird auch weniger Rohstoff verbraucht, (evtl. hat das ja auch minimale Auswirkungen auf den Öl und Gaspreis weltweit) aber es wird eben auch eine Einkommensverschlechterung für viele Menschen bedeuten. Soziale Probleme bei uns und noch stärker z.B. in Italien. Wenn nach den Wahlen die Fratellis in der ital. Regierung sitzen, Euro, was dann?



      Frei nach dieser verqueren Rosskur, würde ich für das Arztstudium auch einen Waffenschein empfehlen, das führt signifikat schnell zu einer Besserung der allgemeinen Gesundheit, weil schneller kann man die Krankenrate in der Gesellschaft nicht senken.... allen anderen sei der Selbstmord aus Angst vor dem Tod empfohlen (tschuldigung für diesen blanken Zynismus, aber dieser Irrsinn wird uns alle in böse Gewässer führen. Spätestens wenn die Rezession da ist, werden die Sanktionen gegen Russland wackeln, retten wirds uns dann nicht mehr, aber hoffentlich vor einer AFD (oder schlimmeren) Regierung bewahren...

    • @CrushedIce:

      Wo bricht denn der Euro ein? Es gibt nicht nur den Wechselkurs zum Dollar.

      • @Reno Zeh:

        in der Wirtschaft geht es aber nicht allein um Wechselkurse und auch nicht um Schuldenquoten.



        Das sind nur griffige Kategorien, die sich dem nicht-Wirtschaftswissenschaftler eingängig und oben drein moralisch gut vermitteln lassen. Von einer Euroentwertung sind wir weit entfernt und wie teuer der USA-Urlaub dank Wechselkurs wird, sollte nicht Kriterium für die Geldpolitik sein!

        • @nutzer:

          das ging nicht an Thomas Worm, sondern an CRUSHEDICE

  • "Stattdessen droht eine wirtschaftliche Rezession bei weiterhin hoher Inflation."

    "Nur wenn die Zinsen so stark angehoben würden, dass die Ökonomie schrumpft, lässt auch die Inflation nach."

    Den Göttern sei es gedankt, ich bin kein WiWianer oder BWLer, denn wir sehen ja wohin das alles geführt hat und weiter führt. Aber zu meiner Frage: Bedeutet denn Rezession nicht genau --> schrumpfende Ökonomie?

    • @Thorsten Sippel:

      ja, das bedeutet es. nur werden die importierten Rohstoffe nicht signifikant billiger, wenn die inländischen Firmen in eine Krise rutschen und keine Rohstoffe mehr kaufen. Die marginale Preiserleichterung wird auch nichts nutzen, weil für einen Käufer, der nichts kauft, ist der Preis schlicht egal.



      Für die Menschen wirds auch nicht erträglicher, weil (in toto) die Einkommenssumme schrumpft. Die Energiekosten aber nur marginal schwanken werden (denn D ist nicht die Welt), sprich die Wirtschaft schrumpft, die Einkommen stagnieren, sinken evtl sogar, die Energiepreise bleiben hoch (weil nach wie vor extern).



      Im Durchschnitt allerdings beim berechnen der Inflationsrate, werden Wunder zu erwarten sein. Denn mathematisch sind (Achtung Fantasiegrößen) : (100+100)/2= 100 aber (100+50)/2=75 ergo die Inflation ist bekämpft. Hurra! nur, dass die erste Zahl die Preissteigerung der Energieimporte darstellt und die zweite Zahl das Wachstum der inländischen Wirtschaft, ergo auch die Einkommenssituation der Menschen.... Wem da nichts auffällt... Milchmädchenrechnung heißt das, glaube ich.

  • Was langfristig getan werden muss muss nicht zwangsläufig kurzfristig die richtige Lösung sein..., zumindest was DE betrifft ist eine Zinserhöhung längst überfällig. Und das die unteren Lohngruppen leiden; nun ja, da sehe ich eher Arbeitskräftebedarf ohne Ende und somit null Tendenz Löhne abzusenken. Das Gegenteil ist richtig: das frisch eingestellte Zimmermädchen im Hotel bekommt sogar mehr als die Stammbelegschaft, so groß ist der Mitarbeitermangel.



    Etwas Luft rauszunehmen aus der Konjunktur scheint mehr als verträglich. Fragen Sie mal Handwerker Betreff Auftragsstand.

    • @Tom Farmer:

      von den Handwerkeraufträgen auf eine heißgelaufene Wirtschaft rückzuschließen ist etwas weit gegriffen.



      Inflation ist etwas gesamtwirtschaftliches und ebenso die Konjunkturlage, der Fehler von mikroökonomischen Zuständen auf die Makroökonomik zu schließen ist DER Fehler der allenthalben begangen wird, auch von sogenannten Experten.



      auch in der größten Krise gibt es immer einige Bereiche die boomen, es kommt auf Ganze an.