Kaffeekonsum: Beliebt und kompliziert
Kaffee wird trotz steigender Preise zunehmend zum Massengetränk. Gerade afrikanische Produzent:innen haben davon aber nichts.
Produzent:innen in Zentral- und Südamerika, Afrika und Asien profitieren laut Kaffeebarometer 2023, das die Nichtregierungsorganisationen Solidaridad, Ethos Agriculture und Conservation International am Donnerstag veröffentlicht haben, allerdings nicht.
Weltweit gibt es rund 12,5 Millionen Anbauer:innen, von denen 95 Prozent weniger als fünf Hektar bewirtschaften. Der großen Mehrheit – 84 Prozent – stehen sogar weniger als zwei Hektar zur Verfügung. Das limitiert einerseits Gewinnmöglichkeiten, andererseits aber auch den Zugang zu Krediten für Investitionen.
Nach Angaben der Internationalen Kaffeeorganisation (IOC) wurden im Zeitraum 2021-2022 weltweit 168,5 Millionen Säcke konsumiert. Nach Preisanstiegen in den Jahren 2021 und 2022 lag der Kilopreis im August bei 3,09 US-Dollar. 40 Prozent des Kaffees wird alleine in Brasilien angebaut, gefolgt von Vietnam mit 20 Prozent. Die afrikanischen Anbaugebiete machen gerade einmal elf Prozent aus. Dort, so ein Ergebnis der Studie, sei die Landwirtschaft „kleinteilig und zersplittert“. Auch fehle es an staatlicher Unterstützung, um sich an europäische Anforderungen anzupassen.
Klimakrise schadet auch dem Kaffee
Das könnte künftig weitreichende Konsequenzen für die Ökosysteme haben. „Die wachsende Nachfrage in Verbindung mit niedrigen Einkommen und zunehmend unproduktiven Böden könnte die Bauern dazu veranlassen, ihre Betriebe in höhere Lagen und in bisher unberührte Wälder auszudehnen“, sagt Sjoerd Panhuysen von Ethos Agriculture.
Dabei soll ab 2025 die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten dieser Praxis vorbeugen. Laut Kaffeebarometer könnte sie aber dazu führen, dass Unternehmen möglicherweise versuchen, „risikoreiche“ Bereiche, in denen die Einhaltung der Verordnung mit größerem Aufwand verbunden wäre, zu meiden. Das könnte wiederum dazu führen, dass die Kaffeeproduktion in Ländern wie Brasilien weiter ausgebaut wird. Dort hätten Landwirt:innen schlicht mehr Ressourcen, um Anforderungen umzusetzen.
Zunehmend auf die Kaffeeproduktion auswirken kann sich nach Einschätzung des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) auch der Klimawandel. Bereits 2021 prognostizierte es, dass die Ernte für Robusta-Kaffee um 23,5 Prozent und für Arabica sogar um 45,2 Prozent sinken kann. Die optimale Temperatur für letzteren liege zwischen 18 und 21 Grad Celsius. Wird es wärmer, dann reift die Frucht zu schnell. Temperaturen über 30 Grad Celsius schädigen die Pflanze schwer.
Ein weiteres Ergebnis lautet: Trotz verschiedener Zertifizierungen würde keine der elf größten Kaffeeröstereien weltweit bisher nachhaltige Lieferkette haben. Statt umfassender Nachhaltigkeitsstrategien und messbarer Ziele würde es zu viele Einzelprojekte geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch