Jüdische Verbände gegen die AfD: „Radikal und religionsfeindlich“
Vor der Bundestagswahl appellieren 60 jüdische Verbände, nicht die AfD zu wählen. Die Partei sei eine Gefahr. Die AfD reagiert entrüstet.
Der Aufruf stammt von 60 jüdischen Verbänden, den diese am Donnerstag veröffentlichten. Darunter befinden sich der Zentralrat der Juden, der World Jewish Congress, die Rabbinerkonferenz sowie diverse Landesverbände und Gemeinden. Man vertrete verschiedene Einstellungen und politische Positionen, habe unterschiedliche Hintergründe, Lebensgeschichten und Muttersprachen, hält die Erklärung fest. „Was uns jedoch alle eint, ist unsere Überzeugung, dass die AfD eine Gefahr für unser Land ist.“
Die AfD reagiert entrüstet
Für die AfD kommt der Aufruf zur Unzeit. Die Partei dümpelt zwei Wochen vor der Bundestagswahl in Umfragen vor sich hin. Ihre Radikalität streitet sie immer wieder ab, gab sich wiederholt proisraelisch. Einige Mitglieder gründeten 2018 gar die Vereinigung „Juden in der AfD“ – die allerdings nur wenige AnhängerInnen hat und kaum mehr als ein Feigenblatt ist.
Die AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und Jörg Meuthen reagierten denn auch entrüstet auf den Aufruf der jüdischen Verbände. „Wir weisen die Vorwürfe entschieden zurück“, antworteten sie in einem gemeinsamen Statement auf eine taz-Anfrage. „Die Alternative für Deutschland setzt sich seit jeher für das Wohl jüdischen Lebens in Deutschland und weltweit ein.“ Deshalb gehe man davon aus, dass viele jüdische Bürger der Partei bei der Wahl ihre Stimme geben.
Der Zentralrat der Juden und andere jüdische Verbände hoffen genau das nicht – und warnen seit langem vor der AfD. Schon 2018 forderten sie in einer gemeinsamen Erklärung die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz auf. Diese sei „antidemokratisch und menschenverachtend“, Judenhass habe dort ein Zuhause, hieß es damals. Die Partei vertrete „keinesfalls“ die Interessen der jüdischen Gemeinschaft. Bis heute empfinden die Verbände auch die Äußerung von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, die NS-Verbrechen seien ein „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte, als unerträgliche Entgleisung.
„Wir werden kein Feigenblatt sein“
Mit dem neuen Aufruf bekräftigen die Verbände nun ihre Kritik. Bei der Bundestagswahl entscheide sich, ob die AfD erneut im Bundestag, „dem Herzen unserer Demokratie, ihr Unwesen treiben“ könne, heißt es dort. Im Wahlprogramm der Partei würden Juden ganze drei Mal erwähnt – aber nur damit, dass Muslime Juden bedrohten. Ihre Gemeinschaft diene also „einzig und allein dazu, den antimuslimischen Ressentiments der Partei Ausdruck zu verleihen“, kritisieren die Verbände. „Dieses Feigenblatt wollen und werden wir nicht sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen