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Jan Böhmermann gegen die „FAS“Viel Wind

Jan Böhmermann behauptet, der Herausgeber der „FAZ“ habe ein mit ihm geführtes Interview verhindert. Empört er sich zu Recht?

Jan Böhmermann hat gerade ein Buch übers Twittern geschrieben Foto: Christophe Gateau/dpa

Es klingt fast wie Satire: Jan Böhmermann bringt ein neues Buch heraus, in dem er seine Tweets aus dem Internet abdruckt. Zu diesem Buch gibt er Interviews, auch der FAS. Die FAS will das Interview veröffentlichen, doch kurz vor Druck kippt der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube das Interview aus der Zeitung. Böhmermann, wiederum bei Twitter, behauptet zumindest, dass es so gewesen sei. Er fordert eine Stellungnahme von Kaube und veröffentlicht schließlich das gesamte Gespräch, was am vergangenen Sonntag in der FAS hätte erscheinen sollen, in 73 Tweets bei Twitter.

Böhmermann bekommt für seinen Aufreger-Tweet über Kaube mehr als 10.000 Likes. Das ist selbst für Böhmermann mit seinen mehr als zwei Millionen Followern viel. Spekuliert wird viel und heftig: Wolle da ein konservativer Herausgeber einen linken Clown canceln? Fand Kaube das Interview einfach schlecht? Oder ist das alles womöglich wieder eine große Spaßaktion von Böhmermann?

Man könnte das abtun als die Abgehobenheit des Jan Böhmermann, der, leicht spießig, schreibt „Sowas habe ich wirklich noch nie erlebt.“ Immerhin beschert ihm sein Twitter-Furor mehr Aufmerksamkeit, als ein Interview in der FAS es gekonnt hätte.

Denn was diese Geschichte auch zeigt, ist, welche neuen Kräfteverhältnisse sich im öffentlichen Diskurs ergeben haben. Böhmermann gegen Kaube – da krachen neue auf alte Medien und damit Welten aufeinander. Jeder der beiden bedient sich des Mediums, dessen er mächtig ist: Kaube, der als Herausgeber der FAZ auch gleichzeitig der für das Feuilleton der FAS verantwortliche Chefredakteur ist. Natürlich darf er in redaktionelle Entscheidungen eingreifen und ein Interview herausnehmen. Schön ist das nicht immer, aber es passiert ab und zu, auch in anderen Zeitungen.

Neue MedienmacherInnen

Und Böhmermann, der so viele Twitter-Follower hat wie kaum ein Deutscher in diesem Medium. Wenn Böhmermann etwas twittert, dann erreicht das so viele Leute, davon kann die Feuilleton-Redaktion der FAS nur träumen. Man muss also kein Mitleid mit Böhmermann haben. Seine Gedanken über Twitter kann man in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende nachlesen. Oder im Deutschlandfunk von dieser Woche nachhören. Oder eben in seinem Buch.

Böhmermann versus Kaube, das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die neuen MedienmacherInnen die klassischen Medien nicht mehr brauchen. Im vergangenen Sommer zettelte die Influencerin Enissa Amani via Instagram einen Beef mit der Spiegel-Journalistin Anja Rützel an, die in einer Fernsehrezension schlecht über Amani geschrieben hatte.

Ein Jahr zuvor schickte Capital Bra, einer der erfolgreichsten deutsche Rapper, seine drei Millionen Follower gegen einen Redakteur der Rheinischen Post, nachdem der geschrieben hatte, den Hype um Capital Bra nicht zu verstehen. Manch einem Kulturjournalisten wird mulmig bei so viel potenziellem Gegenwind.

Böhmermann hat schon einmal gegen Kaube angetwittert. Als die FAZ 2019 ihr 70-jähriges Jubiläum im Berliner Edelrestaurant „Borchardt“ feierte, wurde durch ein Foto des Berliner Galeristen Johann König öffentlich, dass auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland Partygast war. Böhmermann teilte das Foto und formulierte bei Twitter zehn Fragen an die FAZ und ihre Herausgeber. Die FAZ schwieg.

Sie schweigt auch dieses Mal. Pikant ist, dass die Ausgabe der FAS, für die das Böhmermann-Interview offenbar geplant war, die erste unter der neuen Feuilleton-Ressortleiterin Julia Encke war. Ihr Vorgänger Claudius Seidl, der das Feuilleton 19 Jahre lang geleitet hat, ist seit Ende August kein Ressortleiter mehr. Geführt wurde das Interview also noch zu Seidls Zeit, produziert und gekippt zum Amtsantritt von Encke.

Aber die Frage, wie genau und vor allem warum Kaube in das Interview eingegriffen hat, ist ja mittlerweile sowieso in den Hintergrund getreten. Böhmermann hat viel Wind produziert. Sein neues Buch erscheint übrigens heute.

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10 Kommentare

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  • "Böhmermann versus Kaube, das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die neuen MedienmacherInnen die klassischen Medien nicht mehr brauchen."



    Na, wenn das mal kein Fehlbefund ist. Nach meiner Kenntnis ist Böhmermanns Bekanntheit maßgeblich dem TV geschuldet. Wusste noch nicht, dass das nicht den "klassischen Medien" zuzurechnen ist..

  • Empörung ist eine emotionale Äußerung. Wird hier neuerdings über die Rechtmäßigkeit von emotionalen Äußerungen schon Gericht gehalten? Let it be!

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Verharmlosend.

    Ich unterstelle jetzt mal, dass Böhnermann nicht lügt, denn dann wäre seine Geschichte vonseiten der FAZ/FAS dementiert worden.

    Weiterhin fehlt in dem Kommentar die Tatsache, dass Böhmermann mit seinen Tweets ein völlig anderes Publikum erreicht als im Feuilleton der FAS.

    Die Frage, warum das Interview gecancelt wurde, tritt hier in den Hintergrund, d.h. sie wird gar nicht geführt. Das Problem, das im Kommentar angesprochen wurde, wird also reproduziert.

    Im besonderen Maße problematisch ist dies deswegen, weil es im Interview mit Böhmermann um rechte "Cancel Culture" ging, wie sie auch die FAZ betreibt, wie man im Fall Don Alphonso bestens sehen kann.

    Hier wird also Kritik an rechter "Cancel Culture" im Fall Böhmermann gecancelt, der wiederum über rechte Cancel Culture in anderen Fällen geredet hat, wobei die Kritik an diese Cancel Culture zuvor durch den Vorwurf, die Linke würde Cancel Culture betreiben, gecancelt wurde.

    Hier findet also die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung statt. Da sage mal jemand, der vermeinte linke Rand der Gesellschaft würde den ergebnisoffenen Diskurs strukturell einschränken. Der ergebnisoffene Diskurs wird zuerst und vor allem durch die Struktur der meinungsbildenden Verlagswirtschaft in dieser Gesellschaft eingeschränkt.

    Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie falsch Publizist:innen wie Unfried liegen, wenn sie im Einklang mit dem Innenministerium und dem Verfassungsschutz behaupten, die Bedrohung der Demokratie würde von den vermeinten Rändern der Gesellschaft ausgehen und die vermeinte Mitte müsse gestärkt werden, um die Demokratie zu schützen.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      "Ich unterstelle jetzt mal, dass Böhnermann nicht lügt, denn dann wäre seine Geschichte vonseiten der FAZ/FAS dementiert worden". - Steht im Artikel anders. Bei vielen seriösen Menschen gehört es zum guten Ton, auf ein bestimmtes Niveau gar nicht zu reagieren, um es nicht aufzuwerten. Und gerade Böhmermann lebt mehr von der Reaktion auf sich als von besonders klugen Gedanken, siehe etwa Erdogan-Gedicht, wo es vorher deutlich bessere Reaktionen auf den türkischen Herrscher gab, die alle vergessen sind, nur Böhmermanns wenig intelligente, aber provokante Einlassung bleibt in Erinnerung.

  • "Natürlich darf er in redaktionelle Entscheidungen eingreifen und ein Interview herausnehmen. Schön ist das nicht immer, aber es passiert ab und zu"

    Jo und da wundert man sich tatsächlich noch, warum viele Leute die "("alten") Medien" als gleichgeschaltete Machtinstitution wahrnehmen. Bin mal gespannt, wann in der taz der Herr Reichelt verteidigt wird, wenn er ein ihm nicht genehmes Interview cancelled. Zum Glück hat diem FAZ ja keinen twitter Account. Papier ist halt dicker als Haltung....

  • generell finde ich es sehr fraglich, einer einfachen Zahl von Likes solche Bedeutung zuzuschreiben.



    Auf Twitter ist das nochmal extra fraglich.



    Das steht nicht für eine bedeutungsvolle Mehrheit.

    Kurzmitteilungen sind vor allem kurz, in der Regel zu kurz. Keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema, praktisch nur ein paar Schlagworte.



    Darauf kann man ebenso knapp reagieren.



    Also ein Schlagabtausch, aber kein Gespräch.

    Ein Like ist ultra-schnell angeklickt, also absolut nicht bedeutungsvoll, eher (wie der Name auch schon sagt) eine kurze Gefühlsregung.

    All das ist sehr stark zur Polarisierung geeignet. Es werden hauptsächlich (oft absichtlich) Fronten geschaffen.

    Verständnis oder eine differenzierte Haltung kann höchstens durch die Menge an verschiedenen Gedanken entstehen. Aber die Follower von polarisierenden Personen sind sich vermutlich untereinander recht ähnlich. Da die Fetzen alle verkürzt sind, bleibt trotzdem alles >Schlag

    • @haribo:

      zumal ja die FAS eine ganz andere Zielgruppe hat. Die Follower auf Twitter sind ja bereits äh Böhmermann-adjazent, und die wissen bereits dass ein neues Buch herauskommt. Die Aufmerksamkeit ist da also eher gering, denn auch die Follower der Follower haben es vermutlich bereits mitbekommen. Das Publikum der FAS zu erschliessen ist dann doch noch eine ganz andere Geschichte

  • Also Böhmermann bekommt von der FAS keine kostenlose Werbung (wofür sonst das Interview unmittelbar vor dem erscheinen des Buches) und ist jetzt beleidigt?

    • @Strolch:

      Und Sie wären wahrscheinlich hellauf begeistert wenn Sie jemandem ein Interview geben und das dann ohne irgendeinen Hinweis nicht wie geplant erscheint, was?

      Ein Interview ist immer etwas gegenseitiges. Die eine Seite bekommt etwas zum Veröffentlichen, die andere Seite bekommt Aufmerksamkeit. Das mit "keine kostenlose Werbung" klingt als wäre sowas eine völlig einseitige Sache und als würde nur Jan Böhmermann davon profitieren. Zumal das ja auch kein Novum ist dass Leute zeitnah zum Erscheinen eines Buchs oder zu einem Filmstart interviewt werden. Es ist schlicht einfach zu diesem Zeitpunk relevantes Tagesgeschehen.

      Zumal, wenn man als Zeitung diese "Werbung" nicht machen möchte führt man halt das Interview nicht und spart demjenigen dann Zeit ein. Und wenn man es kippt dann gebietet es doch wohl die Höflichkeit demjenigen eine kurze Nachricht zu schicken dass man das tut und warum. Es einfach so unter den Tisch fallen zu lassen ist schlicht kein gutes Vorgehen. Und sich dann auf Anfrage nicht dazu zu äussern erstrecht nicht.

  • Mir scheint Böhmermann fühlt sich in seiner Wichtigkeit von der FAZ nicht ausreichend gewürdigt und ist ist deswegen beleidigt.

    Vermutlich ist er auch der Ansicht dass sein Buch ein Meilenstein der deutschen Kulturgeschichte ist. Mindestens!