Israel wirft Iran Atom-Verstoß vor: Enthüllungsaktion mit klarem Motiv
Netanjahu schimpft Iran „Lügner“ und legt Beweise vor, die ein Ziel haben: das Atomabkommen mit Iran torpedieren. Er setzt dabei auf die USA.
Rund eine halbe Tonne hatten Mossad-Agenten dort Anfang des Jahres an Dokumenten in Form von Akten und CDs mitgehen lassen. Beweismaterial, dass „der Iran lügt“, wenn er behaupte, man habe niemals eine nukleare Aufrüstung verfolgt, so Netanjahu.
Irans geheime Nuklearakten umfassten „55.000 Seiten“ und weitere „55.000 Dateien auf 183 CDs“. Der Regierungschef präsentierte davon „einen Bruchteil“ und das auf Englisch, denn er zielte mit seinem Auftritt nicht auf das heimische Publikum, sondern auf die Staaten ab, die das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichneten. Allen voran an die USA richtet sich Netanjahus Botschaft.
Kaum zwei Wochen bleiben, bis das Ultimatum von US-Präsident Donald Trump ausläuft. Trump droht dem Iran damit, die ausgesetzten Sanktionen könnten wieder in Kraft treten, sollte das Abkommen nicht verbessert werden – und genau dahin will ihn Netanjahu bringen. Er lud westliche Experten nach Israel ein, um sich anhand des Materials selbst ein Bild zu verschaffen.
Israel hat Angst vor einer Machtverschiebung
Zumindest den neuen US-Außenminister Mike Pompeo scheinen die Mossad-Dokumente zu überzeugen: Pompeo versicherte noch in der Nacht auf Dienstag, persönlich mehrere iranische Unterlagen eingesehen zu haben. Diese zeigten, „dass Iran mehrere Jahre lang ein geheimes Nuklearwaffenprogramm hatte“, während die Islamische Republik zugleich ein Streben nach solchen Waffen abgestritten habe. Wie sich die USA bei den ausgesetzten Sanktionen entscheiden werden, sagte Pompeo aber nicht.
Dass Netanjahu die USA zum Ausstieg aus dem Atomabkommen bringen will, überrascht nicht. Der Iran gilt als ärgster und gefährlichster Feind für den Judenstaat. Netanjahu kündigte in der Vergangenheit an, Iran an der Atombombe wenn nötig durch einen militärischen Erstschlag zu hindern.
Israels Sorge gilt nicht unbedingt einem tatsächlichen Atomangriff aus Teheran, sondern der Machtverschiebung im Nahen Osten und Irans Unterstützung muslimischer Terrororganisationen. Die in Syrien stationierten Revolutionsgarden bedrohen Israel, die palästinensische Hamas im Gazastreifen ist über Jahre von der Regierung in Teheran finanziert worden, und die schiitische Hisbollah im Libanon – einst mithilfe der Iraner gegründet – verfügt heute über ein Arsenal von mehr als 100.000 überwiegend aus Teheran gelieferten Raketen.
Der jüngste Angriff Anfang der Woche auf zwei iranische Armeestützpunkte in Syrien könnte auf das Konto Israels gehen. Israels Regierung hält strikt daran fest, eine dauerhafte Stationierung iranischer Truppen in Syrien „mit allen Mitteln“ zu unterbinden, wie Verteidigungsminister Avigdor Lieberman ankündigte.
„Wir haben nicht wirklich neue Informationen per se“
Netanjahu inszenierte seinen Vortrag mit einem symbolischen Aktenschrank und einer Power-Point-Präsentation. Er berichtete über das Rüstungsprogramm „Amad“, das auf die „Gestaltung, den Bau und den Test nuklearer Waffen“ abzielte.
Während sich die Analysten einig darin waren, dass hier dem ausländischen israelischen Geheimdienst ein riesiger Coup gelungen ist, scheiden sich die Geister über den konkreten Nutzen der gestohlenen Akten. „Wir haben nicht wirklich neue Informationen per se“, kommentierte Emily Landau, Leiterin der Abteilung für Rüstungskontrolle und Regionale Sicherheitsprogramme am Tel Aviver Institut für Nationale Sicherheitsstudien.
Rüstungsexpertin Emily Landau
Bereits vor sechs Jahren sei eine „mögliche militärische Dimension“ des iranischen Atomforschungsprogramms bekannt gewesen. Landau zeigte sich enttäuscht: „Wir hatten gehofft, dass Netanjahu nachrichtendienstliches Material über eine konkrete iranische Verletzung seit Unterzeichnung des Abkommens liefern würde, aber das ist nicht passiert.“ Nichtsdestotrotz zeigten die Dokumente aus dem Atomarchiv, dass das Iranabkommen „auf einer Vortäuschung iranischer Arglosigkeit beruht“. Die Rüstungsexpertin rät dennoch dazu, am Abkommen festzuhalten.
Ähnlich äußerte sich EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Das Iranabkommen gebe es, „eben weil kein Vertrauen zwischen den Parteien besteht“. Sie habe kein Argument von Netanjahu gehört, dass der Iran das im Jahr 2015 unterzeichnete Abkommen verletzt habe.
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