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Israel, Iran und das MullahregimeTeheran, was nun?

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

Vor der Kamera sagt es niemand, doch viele Menschen in Iran freuen sich über die Verluste des despotischen Regimes. Es wirkt instabiler denn je.

Mann mit Kopftuch, Teheran am 8. März 2009. Auf dem T-Shirt steht: Nieder mit dem Patriarchat Foto: Stringer/reuters

D as islamistische Regime in Teheran konnte von Anfang an nur überleben, indem es seine inneren Konflikte nach außen verlagerte. Schon kurz nach der Iranischen Revolution von 1979 weitete es den Krieg mit Irak zu einem Endloskonflikt aus. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte Iran 1980 überfallen. Der iranische Islamistenführer Ruhollah Chomeini setzte den Krieg dauerhaft fort.

Im Schatten der religiös-nationalistischen Mobilisierung schaltete er in den 1980ern sämtliche Opposition gegen sich aus, die gemäßigte schiitische Geistlichkeit genauso wie demokratische und sozialistische Gruppen.

Irak hatte damals mehr Waffen, Iran mehr Menschen. Von 1980 bis 1988 starben auf irakischer Seite fast 400.000 Menschen, etwa eine Million auf iranischer, darunter Zehntausende iranische Kindersoldaten. Ihnen hatte man Plastikschlüssel um den Hals gehängt als Symbol für den bevorstehenden Eintritt in das Paradies. Dann wurden sie vor den regulären Einheiten als „Minenräumer“ ins Feld geschickt.

Seit Beginn prägen Skrupellosigkeit und expansionistische Außenpolitik das Teheraner Mullahregime. Den bis 1979 regierenden Schah bezeichnete der Kulturkämpfer Chomeini konsequent als ausländischen zionistischen Agenten und reine US-Marionette, die Gleichberechtigung der Frau sowie der Laizismus seien uniranisch.

Nahost-Debatten

Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.

Aggresiv und schwach zugleich

1989 starb Ajatollah Chomeini. Sein Nachfolger und Kampfgefährte Ali Chamenei setzte den extremistischen Kurs nahtlos fort. In der fortdauernd hetzerischen Rhetorik gegen die USA, Israel und die Ungläubigen im Westen suchte man die Führerschaft im gesamten islamistischen Lager zu erringen. Auch andere, gemäßigtere Strömungen in der islamischen Welt gerieten so unter Zugzwang.

Die Mullahs und ihre Revolutionsgarden gewannen schließlich die Hegemonie über einst feindliche Territorien wie Irak und Syrien. Und schoben sich immer dichter an Israel heran.

In Libanon und im Gazastreifen unterstützten und unterhielten sie mit Hisbollah und Hamas kostspielige Schattenarmeen, die Israel direkt militärisch bedrohten. Andere ihrer Verbündeten wie die Huthis in Jemen hielten rivalisierende Staaten wie Saudi-Arabien in Schach und stressten im Bedarfsfall die internationale Seefahrt.

Während die iranischen Mullahs außenpolitisch den Extremismus forcierten, wurden sie im Inneren in letzter Zeit allerdings immer schwächer. Die Ökonomie ist am Boden, Streiks und menschenrechtlich orientierte Protestwellen flammten wiederholt auf. Am Ende provozierte der Tod von Jina Mahsa Amini wegen eines falsch sitzenden Kopftuchs 2022 Massenproteste. Unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ gingen im ganzen Land, insbesondere auch in den kurdischen Provinzen, die Menschen auf die Straße.

Auch die Bombardierung des Evin-Gefängnisses ist ein deutliches Signal

Tod im Gästehaus

Mit dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 suchte das von den Mullahs in Iran angeführte Spektrum die ultimative Eskalation im Nahen Osten. Ismael ­Hanijeh, Auslandschef der Hamas, bejubelte die Massakrierung von 1.200 Menschen in Israel und die Verschleppung von 250 Geiseln in den Gazastreifen. Er rief andere dazu auf, man möge es der Hamas gleichtun. An Orten wie Berlin-Neukölln feierten Islamisten das Massaker mit der Verteilung von Süßigkeiten auf den Straßen.

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Hanijeh wurde schließlich im Juli 2024 bei einer Explosion in Teheran in einem Gästehaus der iranischen Revolutionsgarden getötet. Das Mullahregime konnte seinen Gast auch in dem scharf gesicherten Komplex nicht schützen.

In Israel sammelte sich die existenziell bedrohte Nation nach dem 7. Oktober zunächst hinter Benjamins Netanjahus umstrittener Rechtsregierung. Trotzdem gelang es Israels Streitkräften aber bis heute nicht, die Hamas im Gazastreifen final zu besiegen.

50 Geiseln befinden sich nach wie vor in der Gewalt der Terroristen, unklar bleibt, wie viele von ihnen noch leben. Dabei führen die Bilder des weitgehend zerstörten Gazastreifens und die hohen Opferzahlen inzwischen zu heftiger Kritik an der israelischen Kriegsführung. Auch in Israel selbst.

Pager und Tyrannen

Erfolgreicher als gegen die Hamas war das militärische Vorgehen Israels gegen die Hisbollah im Libanon. Dem fortdauernden Raketenbeschuss durch die Hisbollah folgte die weitgehende Entwaffnung der schiitischen Terrormiliz durch die israelische Luftwaffe und Armee.

Die Aktion der massenhaft zur Explosion gebrachten ­Pager im September 2024 war spektakulär. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde durch einen gezielten israelischen Luftangriff im selben Monat getötet.

Danach wendete sich eine is­rae­lische Bombenkampagne aus der Luft dem syrischen Staatsterroristen ­Baschar al-­Assad zu. Syriens Diktator, zuletzt enger Verbündeter von Irans Mullahs, setzte sich im Dezember 2024 nach Russland ab.

Im Juni 2025 folgte die israelische Operation „Rising Lion“ mit Luftschlägen gegen das militärische Atomprogramm des iranischen Mullahregimes, gegen dortige Raketenlager, Abschussrampen und Rüstungsanlagen, aber auch gegen führende Angehörige des militärisch-wissenschaftlichen Komplexes sowie des staatlichen Repres­sions­apparates.

Abwarten und Uran trinken?

Die Vernichtung Israels hatte das Mullahregime mehr als einmal angekündigt und zum Staatsziel erklärt. Sollte Israel erst auf Irans Atombombe warten?

„Man muss derartige Entwicklungen stoppen, solange die Kosten noch relativ gering sind, nicht erst, wenn es ums Überleben geht“, sagt John Bolton aktuell dazu in einem Spiegel-Gespräch. Und: „Die Israelis haben das verstanden.“

Als Nationaler Sicherheitsberater schied er 2019 im Streit aus dem ersten Kabinett von Donald Trump aus. Auch heute ist er ein entschiedener Kritiker des schwer berechenbaren US-Präsidenten. „Er hat keine politische Philosophie. Er verwechselt Außenpolitik mit den persönlichen Beziehungen, die er zu anderen Staatschefs hat“, so ­Bolton über Trump).

Aber manchmal tun die falschen Leute aus seltsamen Gründen das Richtige. Aus welchen Gründen auch immer Trump MOAB, die schwere bunkerbrechende „Mother of All Bombs“, gegen die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo schließlich doch einsetzen ließ – die Kampagne scheint am Ende militärisch wie politisch ein Erfolg zu sein.

Das Tor zum Evin-Gefängnis

Die Botschaft an die iranische Zivilbevölkerung hätte dabei kaum eindeutiger ausfallen können. Neben den verhassten Schergen des Regimes wurden auch Institutionen angegriffen, die seit Jahrzehnten der Folter, Erniedrigung und Ermordung der iranischen Opposition dienen. Die Bombardierung äußerer Bereiche des berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnisses ist ein deutliches Signal an die Menschen im Land.

Das Regime karrt nun seine letzten Anhänger für Propagandabilder zusammen, Verhaftungs- und Hinrichtungswellen werden befürchtet. Dabei ist es so geschwächt wie noch nie. Galoppierende Inflation, Mangelwirtschaft, Korruption – zusammen mit der Niederlage könnte dies zum Kollaps des Regimes führen.

Die israelischen Streitkräfte haben in Iran bislang jene Fehler vermieden, die sie im Gazastreifen begingen. Martialische Drohungen – „Teheran wird brennen“ (Verteidigungsminister ­Israel Katz) – bewahrheiteten sich nicht. Aber auch aus der Sackgasse im Gaza­krieg muss Israel nun bald he­raus­fin­den.

Die arabischen Player

Die Schlüssel für eine dauerhafte Friedensordnung in Nahost halten jedoch auch Israels arabische Nachbarn in ihren Händen. Aber sind Ägypten und andere arabische Staaten dauerhaft willens und bereit, den gegen Israel und den Westen gerichteten Extremismus zu bekämpfen, anstatt ihn nur rhetorisch zu kaschieren und von sich umzulenken?

Wer verhindert künftig, dass Organisationen wie Hamas oder Hisbollah erneut Territorien besetzen und militarisieren und dafür von Dritten finanziert werden?

Für eine allseits geforderte Zweistaatenlösung bräuchte es Mechanismen, die garantierten, dass ein an Israel angrenzendes Staatsgebiet nicht wieder zum Aufmarschgebiet gewaltbereiter Dschihadisten wird.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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