Islamfeindliche Hetze: Shitstorm gegen Halal-Schlachter
Nach einem Aufruf von Pegida-Gründer Lutz Bachmann posten Islamfeinde rassistische Beleidigungen auf der Seite einer Halal-Schlachterei.
Der Betreiber Rolf Piepmeier schlachtet nach islamischem Brauch, aber deutschen Tierschutzstandards (siehe Kasten). Seine Kunden sind insbesondere Muslime. Im Netz wird Piepmeier nun als Tierquäler bezeichnet und übel beleidigt.
Ausgelöst hat den Shitstorm der Pegida-Gründer Lutz Bachmann. Der verwies auf seiner Facebook-Seite mit den Worten „Tierquäler! Wer hier kauft, befürwortet den qualvollen Tod von Tieren!“ auf die Facebook-Seite der Schlachterei.
Andere Nutzer taten es ihm nach. Einer fragt, warum die Fleischerei nicht in die Türkei auswandert und zum Islam konvertiert. „Wir leben hier in Deutschland und wollen nichts mit dem Islam zu tun haben.“ Ein anderer: „Was geschieht als nächstes? Steinigung fürs Ehebrechen?“
Das arabische Wort „halal“ bedeutet so viel wie „zulässig“ und wird für Dinge und Handlungen genutzt, die nach islamischem Recht erlaubt sind.
Beim Schlachten von Tieren sieht der Koran vor, dass das Tier ausblutet. Es soll nicht an einer Betäubung sterben.
Innerhalb des Islam gibt es verschiedene Strömungen und Auslegungen: So beharren Traditionalisten etwa darauf, dass das Tier nicht betäubt wird, bevor ihm die Kehle aufgeschnitten wird. Es gibt aber auch Gläubige, die eine Betäubung befürworten.
In Deutschland ist das Schlachten ohne Betäubung laut Tierschutzgesetz verboten.
Damit das Fleisch „halal“ ist, darf die betreffende Schlachterei nicht auch Schweine schlachten; den Tod des jeweiligen Tiers sollen keine anderen Tiere sehen müssen. Sein Kopf sollte in Richtung Mekka zeigen – und der Schlachter ein kurzes Gebet sprechen.
Shitstorm auf der Facebook-Seite
Schon häufig habe er von Deutschen Vorurteile gegenüber Muslimen zu hören bekommen, sagt Piepmeier. „Ich bin für die der Türkenschlachter.“ Der Shitstorm auf seiner Facebook-Seite, die der 15-jährige Sohn eines Mitarbeiters betreut, ist aber der erste. „Der Junge ist schockiert, dass er so beleidigt wird“, sagt Piepmeier.
Sein Betrieb ist klein. Sieben bis zehn Mitarbeiter arbeiten hier, fast alle sind Muslime. Schon 1964 hat Piepmeier angefangen, für muslimische Gastarbeiter zu schlachten. „Die wollten mal etwas anderes essen als Konserven“, sagt er. Nach der BSE-Krise brach die deutsche Kundschaft weg. Piepmeier ging zu türkischen Hochzeiten, machte seine Produkte bekannt.
Heute schlachtet der 73-Jährige nicht mehr selbst. Das wollen seine Kunden so. Für sie sei er ein Ungläubiger, sagt er. Getötet werden ausschließlich Lämmer und Bullen – keine Schweine. Die Tiere werden mit Strom oder einem Bolzenschuss betäubt, bevor ein Schlachter ihnen die Kehle aufschneidet.
Manchmal kämen Kunden und verlangten ein unbetäubt geschächtetes Tier. „Dem sage ich dann, dass er mal einen Bullen ohne Betäubung töten soll“, sagt Piepmeier und lacht.
Strikte Vorgaben
Zudem ist die Betäubung in der Tierschutz-Schlachtverordnung vorgeschrieben. In seltenen Fällen bekommen islamische Gemeinden eine Ausnahmegenehmigung vom Veterinäramt und dürfen ein Tier beim traditionellen Opferfest unbetäubt schächten.
Allerdings nur für den privaten Verzehr. Verkauft werden darf das Fleisch nicht. In solchen Fällen müsse auf religiöse Riten Rücksicht genommen werden, sagt der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer – mit strikten Vorgaben.
Dafür hat Vera Steder vom Deutschen Tierschutzbund in Niedersachsen kein Verständnis. Sie fordert, die Ausnahmeregelung abzuschaffen. „Solange Tiere gegessen werden, ist es wichtig, dass man ihnen kein unnötiges Leid zufügt.“ Es müsse ausgeschlossen sein, dass das Tier Schmerzen spüre.
Dennoch ist Steder über die rassistischen Beleidigungen auf der Facebookseite der Schlachterei Piepmeier erschrocken. Rechtsextreme versuchten, sich den Tierschutz zu eigen zu machen, kritisiert sie.
Auch im Netz haben die Kommentare große Solidarität mit der Schlachterei ausgelöst. Nutzer kritisieren die Urheber als „Bratwurstpatrioten“. Piepmeier selbst nimmt den Shitstorm gelassen. Der „Schreihals aus Dresden“ ärgere ihn nicht. Im Gegenteil: „Das ist die beste Reklame bei Muslimen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich