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Irland und IsraelMehr als ein bisschen Kritik

Israels Vorgehen in Gaza missfällt vielen in Irland. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern war noch nie besonders innig.

Der irische Außenminister Martin beim palästinensischen Premierminister Shtayyeh am 16. November Foto: Zain Jaafar/Pool/reuters

Dublin taz | In keinem Land Westeuropas ist die Kritik an Israel lauter als in Irland. Zwar hat das Parlament in der Nacht zum Donnerstag die Ausweisung der israelischen Botschafterin abgelehnt, aber mit 85 zu 55 Stimmen war das Ergebnis nicht gerade überwältigend. Die Regierungskoalition hatte argumentiert, eine Ausweisung wäre kontraproduktiv.

Man müsse die Gesprächskanäle offenhalten, um den irischen Landsleuten die Ausreise aus Gaza zu ermöglichen, sagte der stellvertretende Premierminister Micheál Martin, der sich zur Zeit auf einer Reise nach Ägypten, Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete befindet. Außerdem müsse man alles versuchen, damit die irisch-israelische Hamas-Geisel Emily Hand, die am heutigen Freitag neun Jahre alt wird, freigelassen wird, sagte er.

Am Mittwochabend durften 23 Personen mit irischem Pass nach Ägypten ausreisen, weitere sollen Gaza spätestens am Sonntagabend verlassen. Der irisch-palästinensische Chirurg Ahmed El Mokhallalati und seine Familie haben hingegen entschieden, in Gaza-Stadt zu bleiben, um möglichst vielen Verletzten helfen zu können.

Bei einer weiteren Abstimmung Mittwochnacht scheiterte der Antrag, Israel beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Vorgehens in Gaza anzuzeigen, mit 77 zu 58 Stimmen. Der Antrag wurde von Sinn Féin und der linken People Before Profit, aber auch von Labour und den Sozialdemokraten unterstützt.

Israels Blick auf Irland

In einem offenen Brief in der Irish Times forderten mehr als hundert irische Akademiker, alle Verbindungen zu israelischen Bildungsinstitutionen sofort abzubrechen. Der Gaza-Krieg sei eine „Kampagne von ethnischer Säuberung“, heißt es in dem Brief. Darüber hinaus haben mehr als 600 irische Künstler und Künstlerinnen ein Gelöbnis unterzeichnet, Israel so lange zu boykottieren, bis sich das Land an internationale Gesetze und die Prinzipien der Menschenrechte halte.

Irlands Haltung wird in Israel indigniert zur Kenntnis genommen. Der Minister für Kulturerbe, Amichai Eliyahu, erklärte, die palästinensische Bevölkerung könne „nach Irland oder in die Wüste“ gehen. Zwar wurde er dafür von Kabinettssitzungen vorübergehend ausgeschlossen, aber auch die israelische Botschafterin Dana Erlich sagte: „Als ich vor knapp drei Monaten in Irland ankam, wusste ich, dass ich in einem besonderen Land arbeiten würde. Damals wurde ich von einigen Leuten gewarnt, dass Irland als anti-israelisch mit antisemitischen Elementen wahrgenommen würde.“

Die Kritik am israelischen Vorgehen in Gaza sei keineswegs antisemitisch, betonen Politiker der konservativen Regierungskoalition hingegen. Sämtliche Parteien haben den Hamas-Angriff selbstverständlich als barbarisch gegeißelt.

Premierminister Leo Varadkar sagte, Israel habe natürlich das Recht auf Selbstverteidigung. Er fügte jedoch hinzu: „Was sich aber gerade entfaltet, ist nicht nur Selbstverteidigung, es gleicht eher einer Rache.“ Die Regierung fordert einen Waffenstillstand, um die Lage für die Bevölkerung in Gaza zu erleichtern.

Politische eine einsame Insel

Damit steht Irland in der EU ziemlich alleine da. Der politische Kommentator Fintan O’Toole weist jedoch darauf hin, dass eine konsistente Außenpolitik für ein kleines Land wie Irland unerlässlich sei – sonst könne man das Außenministerium gleich auflösen und die Stellungnahmen aus Brüssel und Washington übernehmen. Die Biden-Regierung könne nicht weiterhin den russischen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung kritisieren, während sie gleichzeitig den israelischen Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung unterstütze.

Außerdem kritisierte O’Toole die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen: Sie habe Angriffe auf zivile Infrastrukturen als „reinen Terror“ bezeichnet. Allerdings meinte sie die russischen Angriffe auf die Ukraine. „Als Israel ankündigte, der Bevölkerung von Gaza dasselbe anzutun, stellte sie sich voll hinter diese Aktionen.“

Die Beziehungen zwischen Irland und Israel waren schon immer recht kühl, auch wenn der 1949 ernannte Oberrabbiner Immanuel Jakobovits von den „engen und herzlichen Beziehungen“ zwischen Juden und dem irischen Staat geschrieben hatte: „Irland ist eines der ganz wenigen Länder, das seine Bilanz noch nie durch schwerwiegende antijüdische Ausschreitungen getrübt hat.“

Israelische Diplomaten ausgewiesen

Aber Irland hat Israel erst 1963 anerkannt, die israelische Botschaft in Dublin wurde Mitte der neunziger Jahre eröffnet. Nachdem der israelische Geheimdienst Mossad 2010 bei einem gescheiterten Attentat auf ein führendes Hamas-Mitglied in Dubai gefälschte irische Pässe benutzt hatte, wies die irische Regierung einen israelischen Diplomaten aus.

Ein Jahr später wurde die palästinensische Mission in Dublin in den Rang einer Botschaft erhoben. Und vor drei Jahren hat das Parlament für ein Gesetz gestimmt, wonach der Import und Verkauf von Waren, Dienstleistungen und natürlichen Ressourcen aus israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten untersagt wird.

Die Chefin der keineswegs linken irischen Sozialdemokraten, Holly Cairns, sagte, das irische Volk sei „angewidert vom Töten in Gaza“, und der drohende Genozid verlange keine Worte, sondern Taten. „Israel tötet ungestraft. Zwar hat die irische Regierung mehr als andere EU-Länder dafür getan, einen Waffenstillstand herbeizuführen, aber Worte sind nicht genug. Die Verbrechen, die Israel an der Zivilbevölkerung von Gaza verübt hat, müssen Konsequenzen haben.“

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12 Kommentare

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  • Könnt ihr mir erklären wie Israel die Geiseln befreien soll während die Hamas in Krankenhäuser sich versteckt. Euch ist auch schon klar wieviel Raketen auf der Israel Seite runtergehen. Und ist euch auch klar das dieser antisemitische Haufen also Hamas niemals Frieden möchte sondern die Vernichtung aller Juden. Also mir ist klar das man kein Wasser abschaltet mit Zivillisten. So wie genau unterscheidet man einen Zivilisten von einem Hamas Terroristen. Die werden keine t Shirts tragen wo Hamas drauf steht. Es gibt einige Dinge warum man Israel kritisieren kann aber im großen und ganzen gibt's nicht so viele Alternativen wenn man eine Gruppe von Terroristen hat die keinen Frieden haben möchte und dann noch die Regierung darstellt. Wie soll das gehen. Kritisieren ist einfach.

    • @Sascha Walmroth:

      Vielleicht sollte man auch die Zunahme der palästinensischen Toten und Verletzten vor dem Terrorangriff berücksichtigen. Mit einfacher schwarz-weiss Malerei ist es nicht getan.

    • @Sascha Walmroth:

      Können Sie mir sagen, was das Ziel der israelischen Militäraktion ist? Und wie es erreicht werden soll ohne neue Hamas Unterstützter in und außerhalb Gaza zu generieren?

      • @Grauton:

        Meines Erachtens nach geht es darum führende Hamasterroristen, welche an dem Anschlag beteiligt waren, zu verhaften oder auszuschalten desweiteren geht es darum die Geiseln aufzuspühren und zu befreien. Da Israel langsam dämmert, dass es zweiteres militärisch leider nicht mit so guten Chancen wie vorher gedacht erreichen kann, ändert es seine Strategie langsam.

        Wie man mehr Hamasunterstützer in Gaza generieren mag ist mir schleierhaft. Den Krieg gegen die Juden und Israel wird bereits von einer großen Mehrheit unterstützt. Die Unzufriedenheit mit der Hamas beruht eher auf ihrem innenpolitischen unvermögen bzw. Fokus. Da hilft auch Israels vorgehen nur bedinngt.

        Meine Gegenfage lautet also: Wie soll Israel anders reagieren um a) die eigene Bevölkerung zu versichern dass sie sicher ist, b) den Hinterbliebenen Gerechtigkeit verschaffen und c) die Geiseln befreien in einem Hamas geführten und indoktrinierten Land?

      • @Grauton:

        Interessanter Einwand!

      • @Grauton:

        Das Ziel ist es die Hamas als operative Gruppe zu vernichten. Wie Frieden danach enststehen soll steht erstmal auf einem anderen Blatt.

  • Es ist bezeichnend, das Irland mit seiner humanistischen Haltung weitestgehend allein in der EU ist.



    Ich kann die irische Sichtweise voll und ganz nachvollziehen.



    Aber schön, das es die TAZ hier wenigstens noch mal erwähnt hat... Was bei uns in D sofort als antisemitische Straftat gewertet wird, den Israelis zu unterstellen, sagen Politiker wie Eliyahu höchstselbst: "die palästinensische Bevölkerung könne „nach Irland oder in die Wüste gehen", (...) Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette!

    • @buddhafragt:

      Jap, die EU beweist nur mal wieder, dass sie vieles aber ganz sicher kein humanes/soziales/pazifistische Bündnis ist

  • Vielleicht weiß man in Irland aus eigener Erfahrung mehr über das Gefühl unter einer Besatzung zu leben als in praktisch allen anderen EU-Ländern. Dort stammt die "frischeste" Erfahrung wohl fast ausschließlich aus WW2.



    In Irland hingegen gibt es die Erfahrung aus Nordirland - und die ist anders als die aus einem laufenden Krieg aus dem nur noch wenige Zeitzeugen mehr existieren. Hier geht es um eine Art koloniales Regime -so haben es wenigstens die Nordirischen Katholiken wahrgenommen- des Vereinigten Königreiches. Und auch dort geht es um zwei verschiedene Religionen...



    Anderswo fällt es leicht immer auf friedlichen Protest zu verweisen. Denn es fehlt die Erfahrung, dass es Konstellationen und Regierungen gibt, gegen die das überhaupt nichts ändert. Jahrzehntelang nicht. Für Generationen nicht...

    • @Monomi:

      @Monomi. "Vielleicht weiß man in Israel aus eigener Erfahrung mehr über das Gefühl" von Ländern umgeben zu sein, die einem das Existenzrecht absprechen und nach dem Leben trachten?

    • @Monomi:

      Andererseits hat Irland auch den protestantischen Terror gegen die Zivilbevölkerung erlebt, was man aus Erfahrungen schließt ist immer die eigen Entscheidung. Auch hatte de IRA nie das Ziel alle Engländerund Protestanten zu ermorden und a



      Hat auch nicht so massiv Zivilisten ins Visier genommen. Und die Balten würden ihrer Erzählung widrsprechen die sind ihre Kolonialherren erst vor 30 Jahren losgeworden.

  • Das stimmt, Irland hat traditionell eine kritische Haltung zum Israel-Palästina-Konflikt eingenommen. Diese Haltung wurde durch die historischen Verbindungen zwischen der irischen Bevölkerung und anderen unterdrückten Völkern sowie durch die Identifikation mit dem palästinensischen Streben nach nationaler Unabhängigkeit beeinflusst. Innerhalb Irlands hatte die Dublin-Bombe und Mossad-Affäre das Ververhältniss besonders belastet. Ein Ereignis z.B. war das Attentat auf den Chef des Palästinensischen Befreiungsorganisationsbüros in Europa, Said Hammami, in Dublin im Jahr 1972. Israel wurde beschuldigt, involviert zu sein. Später, im Jahr 2010, führte ein gescheitertes Attentat des israelischen Geheimdienstes Mossad auf ein führendes Hamas-Mitglied in Dubai zu weiteren Spannungen, da dabei gefälschte irische Pässe verwendet wurden.