Hamas-Angriff auf Israel: EU dreht Geldhahn zu – vorerst
Die EU-Kommission setzt die Zahlungen für Entwicklungsprojekte in Palästina vorerst aus. Alle Projekte und Organisationen sollen überprüft werden.
Das bedeutet konkret: Alle Zahlungen werden sofort eingefroren, alle Projekte werden geprüft, Budgetvorschläge für 2023 werden verschoben. „Das Ausmaß an Brutalität und Terror gegen Israel ist eine Zäsur“, schrieb Várhely. „Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht geben.“ Die EU gilt als größter Geldgeber. Allein von 2017 bis 2020 flossen rund 1,3 Milliarden Euro aus Europa in die Palästinensergebiete.
Allerdings gibt es innerhalb der EU-Staaten auch Widerstand gegen diese Entscheidung. Spaniens Außenministerium ist einem Insider zufolge mit der Aussetzung der EU-Hilfen für die Palästinenser nicht einverstanden. Die Entscheidung sei ohne Rücksprache mit den Außenministern der Mitgliedsstaaten getroffen worden, verlautet aus den Regierungskreisen. Über das Thema müsse beim Treffen der EU-Außenminister:innen am Dienstag diskutiert werden.
Mit dem Geld werden Gehälter und Pensionen der Palästinenserverwaltung im Westjordanland bezahlt, aber auch Sozialhilfe für Bedürftige sowie Entwicklungsprojekte in Bereichen wie demokratische Regierungsführung. Für Flüchtlinge kommen weitere 159 Millionen aus dem EU-Haushalt hinzu. Allerdings lässt die Kontrolle der Gelder, die ausdrücklich nicht für Hamas bestimmt sind, zu wünschen übrig. Das EU-Parlament hat deshalb Beschwerde eingelegt.
Neben Korruptionsvorwürfen gegen Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas gibt es auch immer wieder Berichte, dass Israel von der EU finanzierte zivile Infrastruktur zerstöre. Diese Berichte hatten jedoch keine erkennbaren Konsequenzen. Kritisiert wurde zudem immer wieder die Haltung der EU gegenüber der Türkei, die mehr oder weniger offen Sympathien für den Terror der Hamas und anderer islamistischer Organisationen zeigt.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte bereits am Sonntag erklärt, dass die deutschen finanziellen Hilfen etwa für den Aufbau von Infrastrukturprojekten, für Vorhaben bei der Wasserversorgung, im Bereich Bildung und Gesundheit in den Palästinensischen Gebieten „auf den Prüfstand gestellt“ werden. Wie ein Sprecher des Entwicklungsministeriums am Montag bestätigte, würde bei sämtlichen Vorhaben immer überprüft, an welche Organisation Geld fließe. Jetzt seien die Zahlungen und Projekte vorübergehend ausgesetzt. Geprüft werde mit offenem Ausgang.
„Es geht kein deutsches Geld an Terroristen“
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte die Bundesregierung aufgefordert, die finanzielle Unterstützung der Palästinenser sofort zu beenden. „Der palästinensische Terror, den wir sehen, wurde auch mit deutschen Steuermitteln finanziert. Alle Vereine, die mit der Hamas oder Fatah verbunden sind oder sich mit ihnen solidarisieren, müssen überprüft und, wenn nötig, verboten werden.“ Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wies am Montag zurück, dass die Bundesregierung die Hamas finanziere: „Es geht kein deutsches Geld an Terroristen.“
Das Auswärtige Amt verfügt über Mittel für die unmittelbare humanitäre Hilfe, also zum Beispiel für Nahrungsmittel oder medizinische Nothilfe. Geld für dieses Jahr – rund 73 Millionen Euro – sei bereits zugewiesen. Größtenteils ist der Betrag bereits ausgezahlt, der Rest wird angewiesen, um lebensrettende Aufgaben zu erfüllen. Wie im Entwicklungsministerium werden auch die Hilfszahlungen aus dem Auswärtigen Amt streng überprüft.
Die Europäische Union verurteilte den Angriff der Hamas scharf und stellte sich vorbehaltlos hinter Israel. Am Dienstag wollen die EU-Außenminister bei einer informellen Sondersitzung in Maskat (Oman) über das weitere Vorgehen beraten. Dort findet gerade ein EU-Treffen mit Vertretern der arabischen Golfstaaten statt. Diese könnten auch Einfluss auf Hamas ausüben, sagte der Sprecher von EU-Chefdiplomat Josep Borrell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen