Haftstrafe für Klimaaktivisten: Ein Jahr und 10 Monate Gefängnis
Ein Mitglied der Letzten Generation wurde zu einem Jahr und 10 Monaten Haft verurteilt. Das ist die bisher längste Haftstrafe für eine Sitzblockade.
BERLIN taz | Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die bisher längste Haftstrafe für die Teilnahme an einer Sitzblockade der Klimagruppe Letzte Generation verhängt. Der 65-jährige Winfried Lorenz wurde wegen mehrerer Protestaktionen und Blockaden in den Jahren 2022 und 2023 zu einer Haftstrafe von insgesamt einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das geht aus einer schriftlichen Mitteilung der Letzte Generation hervor.
Der Verteidiger von Winfried Lorenz sagte der taz, dass sein Mandant „wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ verurteilt worden sei. Allein für eine einzelne Blockade soll Winfried Lorenz ein Jahr Haft erhalten haben, so das Statement der Letzten Generation. Die Staatsanwaltschaft hatte zu Prozessbeginn eine Strafe von über zwei Jahren gefordert.
Das zuständige Amtsgericht in Berlin wurde um eine Bestätigung des Urteils gebeten, hat bis Redaktionsschluss aber noch nicht geantwortet.
Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und Verteidiger von Lorenz, kritisierte das Urteil scharf: „Mit dem heutigen Urteil entfernt sich die Strafrichterin von Recht und Gesetz. Statt einer verfassungsmäßigen Abwägung der Grundrechte wurde hier eine extreme Strafe gegen einen Unbestraften verhängt, der lediglich an friedlichen Sitzblockaden teilgenommen hat.“
Anwalt will Urteil anfechten
Winfried Lorenz selbst zeigte sich empört: „Die Argumentation der Richterin geht komplett an der Realität vorbei. Wir stehen vor der größten Menschheitskrise und es ist unerlässlich, gegen eine Politik zu protestieren, die uns in die Klimakatastrophe führt.“
Die Letzte Generation macht außerdem darauf aufmerksam, dass Lorenz erst vor wenigen Wochen für die Teilnahme an einer ähnlichen Straßenblockade freigesprochen wurde. Am selben Tag seien sechs weitere Aktivist:innen in Rostock freigesprochen worden.
Winfried Lorenz und sein Anwalt planen, gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung oder Revision einzulegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Leser*innenkommentare
Harry Wittich
Find ich gut. Solche Strafen sollten durchgängig verhängt werden, damit der Quark endlich aufhört.
Filou
Wenn er bisher tatsächlich noch nie wegen solchen Taten rechtskräftig verurteilt wurde ist das Urteil sehr sehr hart, hätte er aber bereits einmal Bewährung bekommen, ist ein Urteil ohne Bewährung logisch, allerdings nicht in der Härte.
Wunderwelt
Unfassbar mit welcher "Verhältnismäßigkeit" hier geurteilt wurde.
Ich meine mich zu erinnern, daß Gregor Gysi die Rechte der Aktivisten bis zum Verfassungsgericht durchklgen wollte.. Was ist eigentlich daraus geworden..?
Christoph
Wann werden die Traktorbauern bestraft, die ganze Städte lahmlegen und mit Diesel verpesten???
Sonnenhaus
Dieses Urteil zeigt das Gerechtigkeit vor Gericht nicht unbedingt erreicht werden kann; eben nur ein Urteil. Das Richter nicht unabhängig sind ist eine Binse.
Sollte das Urteil durchkommen wird damit der Beginn von Martyrertum eröffnet.
Wie Lukas Theune richtig bekundet, geht es hier um Grundrechte und nicht um banale Nötigung und Widerstand wie bei den Bauernprotesten.
Viele werden noch viel zu verzeihen haben, in 10 oder etwas mehr Jahren.
Reinhard Schmidt-Lorenz
Verkehrte Welt …
maxwaldo
"... Statt einer verfassungsmäßigen Abwägung der Grundrechte ...". Das ist natürlich, juristisch betrachtet, Quatsch. Für Fragen zur Verfassung ist das Verfassungsgericht zuständig. Es ist anzunehmen, dass die Klebeaktion nicht angemeldet und ergo auch nicht genehmigt war. Damit ist das Thema ziviler Widerstand erledigt. Bleibt noch die strafrechtliche Würdigung der Tat(en). Und genau das hat die Richterin gemacht. Auf Milde oder gar Freispruch zu hoffen kann bei dem einen oder anderen Gericht durchgehen. Dauerhaft ist das nicht durchzuhalten. Auch eine Staatsanwaltschaft könnte eine Instanz weitergehen.
Es gibt in D politische Prozesse um Veränderungen herbeizuführen. Ein guter Demokrat hält sich an die Spielregeln und nimmt nicht die Bevölkerung in Geiselhaft.
Ansgar Reb
Wenn jemand auf die Idee käme Socken gegen den Klimawandel zu sammeln, kann die Person sich auch nicht auf die Dringlichkeit des Klimawandels berufen. Lorenz bringt Aktivismus in Misskredit, es ist überfällig, dass auch die Organisation hinter den Straftaten verboten wird.
Kaboom
Tja. Wenn Faschos Leute überfallen und zusammenschlagen, gibts Bewährung
www.spiegel.de/pan...-aad7-9092e0791831
Aaaber wenn Leute sich auf die Straße kleben, dann wird unsere Kuschel-Justiz plötzlich richtig mutig bei den Strafen. Naja, man muss halt Prioritäten setzen, gell?
Wee
Wir stehen vor der größten Menschheitskrise und es ist unerlässlich, gegen eine Politik zu protestieren, die uns in die Klimakatastrophe führt.
Wir standen auch schon vor den Menschheitskrisen Ewige Höllenpein, Bolschewismus, Untergang des Abendlandes. In die Katastrophe geführt haben uns jedesmal die "Retter".