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Gestiegene GetreidepreisePutins Weizenlüge

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Anders als der russische Präsident behauptet, sind die Sanktionen des Westens nicht verantwortlich für den Preisanstieg bei Lebensmitteln.

Ukraine, Husakiw am 26. März: Arbeiter beim Säen von Weizen im Westen der Ukraine Foto: ap

R usslands Präsident Wladmir Putin hat mal wieder gelogen. Am Samstag behauptete er in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die „antirussischen Sanktionen“ sowie eine „fehlgeleitete Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Länder“ seien die Ursache für die drohende Lebensmittelkrise. Putin schiebt dem Westen die Schuld dafür zu, dass wegen der stark gestiegenen Preise etwa für Getreide möglicherweise weitere Millionen von Menschen in Entwicklungsländern hungern werden.

Wahr ist, dass sich Weizen schon Monate vor dem russischen Angriff auf den wichtigen Produzenten Ukraine verteuert hatte, zum Beispiel wegen der gestiegenen Energiepreise und der Coronapandemie. Aber der extreme Preisanstieg für das Getreide um rund 60 bis 70 Prozent hat erst begonnen, als Russland fast die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste durch Marinemanöver blockierte und am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte – die seither nur noch einen Bruchteil der üblichen Menge exportieren kann.

Von den Strafmaßnahmen gegen Moskau sind Getreide- oder Sonnenblumenöl-Exporte explizit ausgenommen. Russland darf nicht mehr Holz, Kaviar oder Wodka in die EU oder in die USA verkaufen, Getreide und andere Lebensmittel aber schon. Russische Getreidelieferungen können auch weiterhin bezahlt werden, denn nur ein Teil der dortigen Banken ist vom Überweisungssystem SWIFT ausgeschlossen worden. Und: Die besonders von Getreideimporten aus Russland und der Ukraine abhängigen Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten haben überhaupt keine Sanktionen verhängt.

Die Hauptschuld an den aktuellen Risiken für die Welternährung trägt also Putin selbst– und wenn er noch so laut das Gegenteil behauptet. Russland hat ein Exportverbot für Getreide verhängt. Putins Truppen verhindern, dass die Ukraine mehr Getreide ins Ausland liefert. Und die von Russland begonnenen Kampfhandlungen halten Bauern von der Feldarbeit ab.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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25 Kommentare

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  • Leider hilft dieser Vorschlag den Ländern und vor allem Menschen, die in diesem Jahr von der durch Russland verschärften Hungerkrise betroffen sind, nicht kurzfristig. ABER, es zeigt sich dass es ein großer Fehler war, z.B. in Ägypten großflächig Blumen für das Parfum der halben Welt anzubauen und mit dem Gewinn dann den Weizen z.B. aus der Ukraine einzukaufen. Wo es klimatisch geht müssen Staaten für die nächste Krise, die sicher kommen wird, künftig Grundnahrungsmittel für den Bedarf vor Ort und die Nachbarländer anbauen. Das ist ohnehin der Vorschlag der UN als wichtiges Mittel zum Klimaschutz. Regionale Versorgungsketten wo immer es geht, lange Transportwege nur für Regionen wo ein Grundnahrungsmittelanbau nicht oder nicht ausreichend funktioniert.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Bildunterschrift: „Ukraine, Husakiw am 26. März: Arbeiter pflügen ein Weizenfeld im Westen der Ukraine“ Pflügen? Da lacht der Landmann.



    Immerhin. Zu sehen ist ein Acker. Und ein Traktor.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Wer einmal lügt ... Und Putin hat schon duzende Male bei seinen politischen Statements gelogen. Wenn es für die meisten Menschen klar ist, dass man ihm einfach nichts glauben kann, dann ist es seine eigene Schuld.

      Trotzdem machen mir seine Drohungen Angst, dass er sie wahr machen könnte. Der einzige Grund, dass er den Westen noch nicht angreift ist die NATO und die Drohung, dass Russland das gleiche Schicksal droht.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Die Bildunterschrift zaubert in der Tat ein Lächeln aufs Gesicht! Aus der Ferne betrachtet tippe ich auf eine Sämaschine. Ob damit tatsächlich Sommerweizen gesät wird, sei dahingestellt. Aber mit Sicherheit zieht der dargestellte Traktor keinen Pflug hinter sich her, darauf können wir uns alle schnell einigen.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      ... und hinterm Ackereine Sähmaschiene

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Da könn' Se mal Sähn. Pflügen und Lügen. Alles hängt mit Allem zusammen.🍞🍗

  • ein maßgeblicher Treiber der Preise:

    www.finanzen.net/r...ber/weizen-handeln

    die reale Welt ist nur Stichwortgeber für die Börsenwelt, die Börsenentwicklung hat mehr mit börseninternen Gewinnmaximierungsstrategien zu tun, als mit realer Verknappung oder gar Überangebot.

    • @nutzer:

      Wenn eine Ware handelbar ist kann mit ihr auch spekuliert werden. Will man dafür sorgen, dass "Gewinnmaximierungsstrategien" keinen Einfluss auf den Preis bestimmter Güter haben, bleibt also nur dafür zu sorgen, dass sie gar nicht mehr handelbar sind und das global.

  • Zu früheren Zeiten pflegte man von der 'Weisheit der Binse' zu sprechen, wenn allgemeinen bekannte Tatsachen zum Besten gegeben wurden. Im heutigen Kontext bietet es sich an, stattdessen von einer 'Weizenweisheit' zu sprechen, wenn Putins Wahrheitsliebe thematisiert wird. Der Mann ist gelernter KGB-Spitzel, da gehörte die Lüge zum Handwerkszeug und zum Standardrepertoire, natürlich lügt er. Was denn sonst? Das versteht sich mit der Weisheit des Weizens.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Ein Nebeneffekt der ganzen Geschichte ist in meinen Augen, dass die Menschen langsam begreifen, dass man/frau handys nicht essen kann. Die Menschheit hängt nach wie vor von der Primärproduktion von Nahrungsmitteln ab. Und alle Maßnahmen der Regierung werden nicht verhindern können, dass ein immer größerer Teil des Einkommens für Lebensmittel sowie für andere Grundbedürfnisse ausgegeben werden muss. Und das nicht dafür, dass es mehr Umwelt-, Tier- und Artenschutz gibt, sondern dafür, dass sich einige die Taschen füllen können mit immer höheren Profiten. Wird auf die Grundbedürfnisse zurückgegriffen, weil sich für Konsumgüter keine Gewinne mehr erwirtschaften lassen bei steigender Armut? Wenn die neunziger neo-liberal waren was sind dann jetzt die 2020iger - die Rückkehr zum Monetarismus des 19. Jahrhunderts? Also alles ist erlaubt, was Geld bringt?

    • @03998 (Profil gelöscht):

      "Also alles ist erlaubt, was Geld bringt?"



      Offenbar. Es gibt ja auch noch die Rüstungsindustrie. ;-)

  • Der Getreidepreis hängt stark vom Rohölpreis ab. Entscheidend ist, zu welchen Konditionen Rohöl im Treibstoff durch Ethanol susbtituiert werden kann.

    • @Gerhard Bleibtreu:

      Der Getreidepreis hängt maßgeblich von der Börsenspekulation ab, so wird ein Schuh draus...

      • @nutzer:

        Der Getreidepreis hängt von Angebot und Nachfrage sowie Transportmitteln ab. Die Nachfrage ist da , ein Angebot auch, nur mit dem Abtransport klappt es nicht. Insgesamt steht dem Weltmarkt weniger Getreide zur Verfügung. Schuld daran hat Putin und die Ukraine, weil sie nicht für den Transport sorgen können und wollen. Klaut Putin den Weizen und wirft ihn auf den Weltmarkt( Abnehmer gibt es genug) sinken auch wieder die Preise. Die Frage ist : Wer nimmt die Hehlerware? Und was passiert wenn die Schiffe in internationalen Gewässer gekapert werde?

  • Alleine die Beschreibung des Bildes über den Artikel beweist den Wissensstand der TAZ über die Landwirtschaft ! Der Traktor zieht eine Sämaschine und keinen Pflug, also wird gesät und nicht gepflügt.

    • @Günter Witte:

      Die Bildunterschrift weist explizit auf das Säen von Weizen hin.

      • @noevil:

        Die Bildunterschrift wurde zwischen Günter Wittes Post und ihrer Antwort geändert.

  • Ich fürchte neben Putin hat auch Jost Maurin (mal wieder) nicht die ganze Wahrheit in die Tasten getippt. Für den exorbitanten Anstieg trägt der Handel an den Börsen eine Maximalverantwortung. Es gibt noch keine echte Knappheit - aber darauf wird spekuliert, wodurch die Preise eskalieren.