Gesetz zur Kennzeichnung der Tierhaltung: Özdemirs Fleischsiegel kommt
Der Bundestag beschließt am Freitag, dass auf frischem Schweinefleisch stehen muss, wie das Tier gehalten wurde. Tierschützer sind unzufrieden.
Später soll die Kennzeichnung zum Beispiel auf Wurst, die Gastronomie, Milch und Geflügelfleisch ausgeweitet werden. Ziel ist, dass die VerbraucherInnen leichter tierfreundlichere Produkte auswählen können, dieses Fleisch deshalb öfter gekauft wird und am Ende mehr Tiere artgerechter gehalten werden.
Die von den Koalitionsfraktionen leicht geänderte Vorlage von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sieht vor, dass auf den Schildern etwa von Schweineschnitzel oder Schweinehackfleisch künftig stehen muss, in welchem Haltungssystem die Tiere gemästet wurden.
Vorgesehen sind fünf Kategorien: „Stall“ entspricht dem gesetzlichen Standard. „Stall+Platz“ bietet 12,5 Prozent mehr Fläche pro Tier. Özdemir hatte hier 20 Prozent vorgesehen. Die Schweine müssen auch Raufutter wie Stroh bekommen, damit sie sich besser beschäftigen können. Die Buchten werden zum Beispiel durch Trennwände, unterschiedliche Ebenen sowie verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche strukturiert. „Dies kann arteigenes Verhalten erleichtern“, heißt es im Entwurf.
Keine Zustimmung des Bundesrats nötig
Im „Frischluftstall“ haben die Tiere auch Kontakt zum Außenklima, weil die Bucht mindestens an einer Seite zum überwiegenden Teil geöffnet ist. Die Stufe „Auslauf/Weide“ bedeutet Zugang ins Freie. „Bio“ ist eine Haltung nach den Ökovorschriften – also mit Biofutter, Auslauf und mehr Platz als in den anderen Stufen.
Es gibt zwar schon ähnliche private Siegel. Aber sie sind freiwillig. Deshalb dürften gerade Bauern, die ihre Schweine nur nach dem gesetzlichen Mindeststandard halten, auf solche Siegel eher verzichten.
Damit mehr Bauern ihre Ställe „tierwohlgerecht“ umbauen, senkt der Bundestag mit einem weiteren Gesetz die Anforderungen für die nötigen Baugenehmigungen. Auch Betriebe mit nur wenig Land sollen die Erlaubnis bekommen, wenn sie durch den Neu- oder Umbau auf die Haltungsstufen Frischluftstall, Auslauf/Weide oder Bio umstellen wollen. Der neue Stall darf dann sogar mehr Bodenfläche beanspruchen, solange die maximale Tierzahl gleich bleibt. Der Bund hat für den Umbau und Betrieb von „Tierwohlställen“ von 2023 bis 2026 Zuschüsse in Höhe von insgesamt 1 Milliarde Euro versprochen.
Sowohl das Gesetz über die Haltungskennzeichnung als auch das über die Baugenehmigungen könnten ohne Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten, sagte die zuständige Unterhändlerin der Grünen-Fraktion, Renate Künast.
Die CDU/CSU-Fraktion lehnt das von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagene Tierhaltungskennzeichen ab. Schließlich gebe es schon ein vierstufiges privates Kennzeichen, argumentierten die Konservativen im Agrarausschuss, ähnlich wie der Bauernverband. Trotzdem würden nur wenige VerbraucherInnen Fleisch aus den höheren Haltungsstufen kaufen. Das vom Bund versprochene Geld reiche nur für jeden 40. Landwirt.
Die Linke lobte zwar, dass mit dem Gesetzentwurf in Sachen Tierwohl mehr vorgelegt würde als jemals zuvor. Aber sie stimmte dennoch gegen ihn, zum Beispiel weil sich die Kennzeichnung nur auf die Mast, nicht aber etwa auf die Ferkelaufzucht bezieht. Auch eine eigene Stufe für Bio sieht die Linke kritisch, denn manche konventionelle Betriebe würden ihre Tiere besser halten.
Auch der Deutsche Tierschutzbund ist wie andere Verbände von Tierschützern gegen den Entwurf. „Das Gesetz wird keinem einzigen Tier ein besseres Leben bringen. Im Gegenteil, die tierschutzwidrige Schweinehaltung in den Stufen ‚Stall‘ und ‚Stall+Platz‘ würde staatlich gesiegelt und damit vermutlich für weitere Jahrzehnte legitimiert“, sagte Verbandschef Thomas Schröder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben