Regeln für Stallumbau-Subventionen: Staatsknete nur mit Ringelschwanz

Agrarminister Özdemir macht Zuschüsse für den Umbau von Schweineställen von wichtigen Tierschutzkriterien abhängig – und will mehr Veggie in Kantinen.

Eine Currywurst auf einem Teller

Ist das gesund? Currywurst im Pommes – typisches Kantinenessen Foto: imago

BERLIN taz | Die Fleischbranche gerät zusehends unter Druck, tier- und umweltfreundlicher zu werden: Anfang November wurden in Deutschland so wenig Schweine wie noch nie seit der Wiedervereinigung gehalten, meldete das Statistische Bundesamt am Mittwoch. Kurz danach machte Agrarminister Cem Özdemir die vom Bund geplanten Subventionen für den Umbau der Schweinehaltung von so anspruchsvollen Bedingungen abhängig, dass sogar Tierschützer damit grundsätzlich einverstanden sind.

Und dann beschloss das Bundeskabinett auch noch Kernpunkte des Grünen-Politikers für eine „Ernährungsstrategie“, die bisher zwar vage sind, aber eine für die Fleischbranche klar unangenehme Tendenz haben: mehr pflanzliche und damit weniger tierische Lebensmittel.

Ein niedrigerer Fleischkonsum würde dazu führen, dass weniger Tiere leiden. Zudem könnte die Agrarbranche ihren Anteil von laut Umweltbundesamt rund 13 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes in Deutschland senken, denn hinter diesen Emissionen steckt vor allem die Tierhaltung. Wenn in den Ställen weniger Gülle anfiele, würde sie das Grundwasser nicht so stark belasten und die Artenvielfalt bedrohen. Den Fleischverzehr zu senken, würde auch Krankheiten verhindern, denn zurzeit essen Männer im Schnitt fast doppelt so viel wie von MedizinerInnen empfohlen.

Der Trend geht schon in die von Özdemir gewünschte Richtung: Seit einigen Jahren essen die Deutschen zusehends weniger Schweinefleisch. Beim Fleischkonsum insgesamt ist der Rückgang nicht ganz so stark, aber es gibt ihn.

Noch nie seit der Wiedervereinigung wurden so wenige Schweine in Deutschland gehalten

Das sei auch der Grund, weshalb die deutschen Bauern immer weniger Schweine halten, sagte der taz Martin Schulz, Ko-Vorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Dazu kommt der Einbruch des Exports nach Asien, nachdem in Deutschland die Afrikanische Schweinepest festgestellt wurde“, ergänzte der Landwirt aus Niedersachsen.

Am Stichtag 3. November standen deshalb laut Statistischem Bundesamt nur noch 21,3 Millionen Schweine in den Ställen. Das sind 10,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und 24,7 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Die Zahl der Betriebe mit Schweinen sank im Zehnjahresvergleich sogar um 43 Prozent auf 16.900. Der Rinderbestand dagegen blieb mit rund 11 Millionen gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant.

Dass vor allem Schweinefleisch Käufer verliert, liegt auch am besonders schlechten Image der Branche in Sachen Tierschutz. Deshalb fordert die AbL, dass der Staat die Bauern finanziell stärker als bisher geplant dabei unterstützt, ihre Schweine besser zu halten.

Der Bund hat dafür von 2023 bis 2026 zunächst insgesamt 1 Milliarde Euro versprochen. Damit will Özdemir die Hälfte der Kosten für den Um- oder Neubau bestimmter Ställe bezuschussen, die tier- und umweltfreundlicher sind als gesetzlich vorgeschrieben. Das steht in einem Entwurf, der der taz vorliegt. Erstmals will der Bund die laufenden Kosten solcher Ställe subventionieren: mit maximal 65 Prozent.

Entscheidend ist, dass es dieses Geld nur geben soll, wenn mindestens 80 Prozent der Schweine einen intakten, nicht kupierten Ringelschwanz haben. Das ist nur praktikabel, wenn die Tiere mehr Platz und mehr Beschäftigung haben als bisher üblich, weil sonst das Risiko zu hoch ist, dass sie sich gegenseitig in den Schwanz beißen. Passenderweise will das Agrarministerium auch Einstreu wie Stroh im Liegebereich vorschreiben, in dem die Tiere wühlen können.

Eine weitere Bedingung für die Förderung ist, dass höchstens 2 „Großvieheinheiten“ je Hektar gehalten werden. Das entspricht zum Beispiel 12 Mastschweinen. So ein Limit soll verhindern, dass zu viel Gülle an einem Ort anfällt und dann das Grundwasser verschmutzt. Den Zuschuss für die laufenden Kosten gibt es zudem nur für höchstens 3000 Mastschweine oder 200 Sauen pro Betrieb.

„Sieht grundsätzlich wirklich solide aus“, sagte Anne Hamester von der Tierschutzorganisation Provieh der taz über Özdemirs Entwurf. Sie verlangte aber, anders als vorgesehen keine Ställe zu fördern, die lediglich Kontakt zum Außenklima und keinen Auslauf bieten.

Nicht so positiv war das Echo von Verbraucherverbänden auf die Kernpunkte von Özdemirs Ernährungsstrategie. Ihr fehlten „konkrete Ziele sowie ein Budget für ihre Umsetzung“, kritisierte ein Bündnis, zu dem neben anderen der Verbraucherzentrale Bundesverband, Slow Food und die Umweltorganisation WWF gehören. Sie lobten aber, dass Özdemir die pflanzliche Ernährung stärken will. Dafür sollen dem Ministerium zufolge die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung „in der Gemeinschaftsverpflegung verbindlich werden und bis 2030 etabliert werden.“

Diese empfehlen weit weniger Fleisch als derzeit verzehrt wird. Außerdem solle der Anteil ökologischer und regionaler Lebensmittel erhöht werden. „Ich möchte den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollen“, sagte Özdemir. Aber er wolle zum Beispiel Kindergärten, Mensen und Kantinen „als Hebel nutzen, um allen Bürgerinnen und Bürgern die Erfahrung mit guten, leckeren und gesunden Mahlzeiten zu ermöglichen.“

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