Gesetz zum Kohleausstieg: Tempolimit für den Klimaschutz
Das Motto der deutschen Klimapolitik: Kommste heut nicht, kommste morgen. Dabei müsste vor allem gelten: Tempo!
M anchmal zeigt sich das große Ganze in einem kleinen Detail. Beim Gesetz zum Kohleausstieg, das die Regierung jetzt endlich beschlossen hat, ist das die Kleinigkeit von 10 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die sollten eigentlich beim Abschalten der Kraftwerke 2025 zusätzlich zum vereinbarten Reduktionspfad eingespart werden. Darauf hatte sich die Kohlekommission vor einem Jahr nach langem Hin und Her geeinigt. Jetzt heißt es im Gesetz: Tja, tut uns leid. Kommt erst mal doch nicht.
Da zeigt sich das ganze Elend der deutschen Klimapolitik: Kommste heute nicht, kommste morgen. Besser noch: übermorgen. Dabei gibt es im Klimaschutz vor allem ein Gebot: Tempo, Tempo, Tempo! Jede Tonne CO2, die noch ein weiteres Jahr ausgestoßen wird, ist bereits zu viel. Was wir heute nicht vermeiden, vergrößert das Problem in der Zukunft.
Machen wir einen Schritt zurück: Die Kohlekommission war ein großer Erfolg. Dass sich so ziemlich alle Interessengruppen an einen Tisch setzen, zu einem Kompromiss kommen und sehr viel Geld auf den Tisch legen, wird weltweit bewundert. Zwar ist die hohe Rechnung für teilweise abgeschriebene Kraftwerke ein Ärgernis, das das falsche Signal in die Welt sendet, Kohleausstieg gehe nur in den reichen Ländern. Aber insgesamt tat der Kompromiss allen etwa gleich weh.
Doch nun weicht die Regierung diesen Kompromiss auf. Alle anderen Beteiligten werden großzügig bedient: Die Unternehmen bekommen Rechtssicherheit plus Milliardenprämien, die Länder Milliarden an Strukturhilfen, die Beschäftigten Vorruhestandsregelungen, von denen etwa ihre Kollegen in der Windbranche nur träumen können.
Nur den Klimaschutz, bei dem Eile lebensnotwendig ist, lässt die Regierung gemächlich angehen. Es zeigt sich wieder einmal, dass in dieser Großen Koalition keine wirkliche Kraft da ist, die echten Klimaschutz will. Statt auf die Tube zu drücken, gibt es ausgerechnet hier, was sonst völlig undenkbar ist: ein Tempolimit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern