Kritik am Kohleausstiegsplan: Regierung missachtet Kompromiss
Acht ehemalige Mitglieder der Kohlekommission werfen der Regierung vor, den Kompromiss zu untergraben. Das führe zu weit höheren CO2-Emissionen.
Die drei WissenschaftlerInnen Barbara Praetorius, Felix Matthes und Hans Joachim Schellnhuber kritisieren darin gemeinsam mit den Vertretern der Umweltverbände BUND, Greenpeace und DNR sowie den RegionsvertreterInnen Antje Grothus und Reiner Priggen, dass die Bundesregierung in zentralen Punkten von der mühsam erreichten Einigung der Kommission abweiche.
Widerspruch zu dieser Einschätzung kam am Dienstag von den Gewerkschaften DGB, Verdi und IG BCE, die ebenfalls in der Kohlekommission vertreten waren. „Die geplante Umsetzung des Berichtes durch die Bundesregierung entspricht in den wesentlichen Punkten den Ergebnissen der Kommission“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Zwar bliebe der Ausstiegsplan an einigen Punkten hinter dem Bericht der Kommission zurück, an anderen gehe er aber darüber hinaus.
Ein wichtiger Kritikpunkt der Umweltverbände und -wissenschaftlerInnen ist, dass die Braunkohlekraftwerke nicht, wie von der Kommission gefordert, gleichmäßig vom Netz gehen, sondern jeweils gehäuft in den Jahren 2029 und 2038. „Die Braunkohle emittiert durch den veränderten Pfad bis 2030 insgesamt 40 Millionen Tonnen mehr“, sagte Felix Matthes, Energieexperte beim Öko-Institut. Das könne auch durch frühere Steinkohle-Stilllegungen „nicht mal in Ansätzen“ wettgemacht werden.
40 Millionen Tonnen zusätzliche Emissionen
Antje Grothus von der Bürgerinitiative Buirer für Buir kritisierte vor allem, dass am Tagebau Garzweiler fünf weitere Dörfer zerstört werden sollen. Zwar hatte die Kommission nicht ausdrücklich deren Erhalt gefordert, wohl aber, bei den Umsiedlungen „soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden“. Das werde nicht erfüllt, weil in Garzweiler alle vorgesehenen Dörfer weichen müssten, obwohl dies nicht notwendig sei.
Auch dass in Datteln noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen soll, lehnen die Verbände und WissenschaftlerInnen ab. Dass die Regierung die dadurch zusätzlich entstehenden Emissionen an anderer Stelle komplett einsparen will, ändert daran nicht viel. Unabhängig von den tatsächlichen Emissionen sei die Signalwirkung dieser Entscheidung auch weltweit fatal, meint Kai Niebert vom DNR.
In einem neuen Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes, der der taz am Dienstag vorlag, werden die Ankündigungen zum Ausgleich der Datteln-Emissionen noch nicht umgesetzt. Das sei noch in Arbeit, hieß es aus Regierungskreisen. Festgelegt wurde nun aber, dass die Emissionszertifikate, die durch den Kohleausstieg frei werden, von der Bundesregierung stillgelegt werden. So soll verhindert werden, dass diese in anderen Ländern genutzt werden können und die Emissionen damit insgesamt nicht sinken.
Die Stilllegung erfolgt aber nicht direkt, sondern zunächst auf EU-Ebene. Nur was dort nicht abgeschöpft wird, wird national gelöscht. Nach Ansicht von Philipp Litz, Energieexperte beim Thinktank Agora Energiewende, ist dieses Vorgehen „grundsätzlich sinnvoll“, solange sichergestellt werde, dass die Berechnungen europaweit einheitlich erfolgen.
Auch Christoph Bals, Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht es als „echten Fortschritt“, dass die Regierung nun Zertifikate löschen lassen will. Er sagt aber auch: „Unklar bleibt, wie das genau berechnet werden soll“, und fordert, den neu geschaffenen Expertenrat dabei einzuziehen. Kritischer sieht Michael Pahle vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung den Vorschlag. „Das ist ein sehr kompliziertes Verfahren“, sagte er der taz. „Es wird auf diese Weise sehr schwierig, genau auszurechnen, wie viele Zertifikate gelöscht werden müssen.“
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