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Geplantes PrimärarztmodellIst da wirklich was, Frau Doktor?

Die Bundesregierung plant, dass Pa­ti­en­t:in­nen künftig zuerst Haus­ärz­t:in­nen aufsuchen müssen. Würde das den Kampf um Facharzttermine erleichtern?

Hexenschuss oder Akne könnten zukünftig häufiger direkt von Haus­ärz­t:in­nen behandelt werden Foto: Daniel Vogl/dpa

Berlin taz | Die junge Frau rief in der Hausarztpraxis von Doktor Margit Kollmer an. Sie müsse noch an diesem Tag in die Praxis kommen, drängte sie. Sie brauche dringend eine Überweisung zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt, da sie auf einem Ohr nichts mehr höre.

Die Hilfesuchende konnte noch am selben Tag in der Praxis der Hausärztin im niederbayrischen Velden vorsprechen. Doch die Untersuchung zeigte: Eine Überweisung war überflüssig. Der Gehörgang war lediglich verstopft. Eine medizinische Fachangestellte spülte das Ohr, entfernte das Ohrenschmalz – und die Patientin hörte wieder einwandfrei.

„Viele Patienten wollen möglichst schnell zum Facharzt und haben gar nicht auf dem Schirm, dass der Hausarzt ihr Problem lösen könnte“, sagt Kollmer. Die Allgemeinmedizinerin verfügt über ein Ultraschallgerät, einen Apparat zur Lungenfunktionsprüfung, ein Gerät für ein EKG und ein Auflichtmikroskop zur Hautkrebsfrüherkennung. Haus­ärz­t:in­nen könnten 80 Prozent der Pa­ti­en­t:in­nen ohne Überweisung versorgen, sagt Kollmer, die auch Bezirksvorsitzende für Niederbayern im Hausärztinnen- und Hausärzteverband ist.

Margit Kollmer, Hausärztin im fränkischen Velden Foto: Fotodesign Märzinger

Wer zum Beispiel einen Hexenschuss habe oder einen auffälligen dunklen Fleck auf der Haut entdecke, der könne auch in einer Allgemeinarztpraxis behandelt werden, ohne zum Orthopäden oder zum Dermatologen gehen zu müssen, erklärt Kollmer. Die meisten Hausärzt:innen, sie eingeschlossen, haben eine fünfjährige Facharztausbildung in Allgemeinmedizin absolviert. Kollmer, 47, unterstützt das geplante „Primärarztmodell“ der schwarz-roten Koalition.

Nach diesem Modell sollen Haus­ärz­t:in­nen künftig in der Regel die erste und oft auch einzige Instanz für Beschwerden werden. Ziel ist es, Facharztbesuche zu reduzieren, Kosten zu senken und Termine schneller zu vergeben. Die Regierung setzt „auf ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Auswahl durch Haus- und Kinderärzte“ heißt es im Koalitionsvertrag. Die Haus­ärz­t:in­nen fungieren dann als „Primärärzte“, die „den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin“ und auch den dafür notwendigen „Zeitkorridor“ festlegen sollen, so der Koalitionsvertrag.

Regelung soll nur für gesetzlich Versicherte gelten

Falls die Pa­ti­en­t:in­nen trotz Überweisung keinen Facharzttermin erhalten – auch nicht über die Terminservicenummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen – sollen sie Anspruch auf eine ambulante Behandlung im Krankenhaus haben, was im Koalitionsvertrag als „Termingarantie“ bezeichnet wird. Für die Besuche bei Au­gen­ärz­t:in­nen und Gy­nä­ko­lo­g:in­nen soll weiterhin keine Überweisung von Haus­ärz­t:in­nen nötig sein.

Derzeit sind nur 38 Prozent der Arztbesuche Hausarzttermine, teilt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) auf Anfrage der taz mit. Da wäre also noch Luft nach oben.

Der Vorschlag würde nur für gesetzlich Versicherte gelten und birgt hohes Konfliktpotenzial. Es schränkt die „freie Arztwahl“ ein, etwa bei Akne direkt zum Dermatologen zu gehen. Zudem stellt sich die Frage, ob es genug Haus­ärz­t:in­nen gibt, vor allem auf dem Land, um den Ansturm zu bewältigen.

Der Chef des Fachärzteverbandes Spifa, Dirk Heinrich, warnt davor, dass eine hausärztliche Primärversorgung mit generellem „Überweisungsvorbehalt“ zur fachärztlichen Versorgung „aus Gründen der hausärztlichen Kapazität ein Supergau für die medizinische Versorgung“ wäre.

Odysee bei der Terminsuche

Auch ein Primärarztmodell schafft keine neuen Hausärzt:innen. Für die Odyssee von Pa­ti­en­t:in­nen ist ein Post wie dieser im Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de in Berlin-Schöneberg symptomatisch: „Ich suche einen Hautarzt, bei dem ich nicht einen automatischen ‚Sprachassistenten am Hörer habe, nicht online Termine buchen muss und als Kassenpatient nicht sechs Monate warten muss. Ich suche dringend einen Termin für meinen Sohn“ schreibt eine verzweifelte Mutter.

Die Frau, die zuvor schon vergeblich versucht hat, online über Doctolib als gesetzlich Versicherte einen Termin innerhalb der nächsten drei Monate zu buchen, bekommt von den Nachbarn im Internet den Tipp, zum Hausarzt zu gehen und sich eine Überweisung mit Dringlichkeitscode geben zu lassen. Oder die offene Akutsprechstunde eines Hautarztes am anderen Ende der Stadt zu nutzen, die er an einem einzigen Tag in der Woche anbietet. „Man muss früh genug in der Schlange stehen. Es wird nur eine bestimmte Anzahl von Patienten angenommen“, berichtet jedoch eine Nachbarin.

In den Akutsprechstunden der Fachärzte werden oft aber nur dringende Fälle behandelt. Ein Berliner Orthopäde etwa bietet täglich am Morgen eine halbstündige Akutsprechstunde mit „Kurztermin“ an. Es werden nur Patienten mit „akuten Verletzungen, Unfällen oder postoperativer Betreuung“ versorgt, heißt es aber mahnend auf der Website. Wer da etwa mit einem seit zwei Wochen bestehenden Hexenschuss bei Or­tho­pä­d:in­nen auftaucht, könnte kritische Worte riskieren.

Es wäre aber nicht fair, die Fach­ärz­t:in­nen allein für die Terminmisere verantwortlich zu machen. Sie unterliegen einer Honorardeckelung und nehmen daher oft keine neuen gesetzlich Versicherten auf, da die Vergütung begrenzt ist. Diese Deckelung, auch Budgetierung genannt, wurde noch von der Ampelregierung nur für All­ge­mein­ärz­t:in­nen aufgehoben und wird seit dem vierten Quartal 2025 für diese nicht mehr gelten.

In Großbritannien geht ohne Überweisung nichts

Doch auch Haus­ärz­t:in­nen priorisieren nach Dringlichkeit. Deren geschultes Personal kann schon am Telefon eine Ersteinschätzung der Beschwerden geben. Die Praxisgemeinschaft „die Hausärzte“ in Berlin-Prenzlauer-Berg bietet täglich offene Akutsprechstunden an für Patienten, deren Beschwerden „in den letzten zwei Tagen neu aufgetreten sind“ oder die sich innerhalb der letzten zwei Tage „deutlich verschlechtert“ haben, heißt es auf der Website. Der Termin beinhalte nur fünf Minuten. Für andere Behandlungen muss ein Termin mit längerem Vorlauf vereinbart werden.

Ob das Primärarztmodell die Arztsuche erleichtern würde, bleibt also fraglich. Für Rheumapatient:innen, die nur alle vier Monate einen Termin beim Spezialisten bekommen, dürfte sich wenig ändern, ebenso wenig für andere chronisch Kranke, die von überlaufenen Fach­ärz­t:in­nen versorgt werden müssen. Doch Beschwerden wie Hexenschuss, Akne oder Hautflecken könnten häufiger direkt von Haus­ärz­t:in­nen behandelt werden.

In anderen europäischen Ländern, etwa Großbritannien, spielen All­ge­mein­ärz­t:in­nen schon jetzt die zentrale Rolle in der Versorgung. Ohne Überweisung läuft gar nichts. Auf einer Website des britischen Gesundheitsdienstes NHS etwa wird bei einer Erkrankung wie Akne erst mal zur Selbsthilfe und richtigen Hautpflege geraten, dann kommt der Tipp, die örtliche Apotheke zu konsultieren und nach Salben und Gels zu fragen. Nur bei schweren Fällen soll der Allgemeinarzt konsultiert werden. Ein Facharzt wird gar nicht erwähnt.

Ein Gesetzentwurf zum Primärarztmodell liegt noch nicht vor. Unklar ist etwa, wie Pa­ti­en­t:in­nen sanktioniert werden, die Fach­ärz­t:in­nen ohne Überweisung aufsuchen. Versicherte, die „weiterhin direkt und ungesteuert Fachärzte aufsuchten“, sollen sich künftig „an den Kosten beteiligen“, forderte der Vorstandsvorsitzende der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der das Modell unterstützt.

Der Hausärztinnenverband ist ebenfalls für das Modell. Auf dem Bundesfortbildungskongress für Allgemein­medizin kürzlich in Berlin warnten Fachleute jedoch vor einem Gesetz, das in der Öffentlichkeit dann möglicherweise nur als Verbot der freien Arztwahl wahrgenommen werden könnte. Die Co-Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, sagte, „wir müssen aufpassen, dass wir aus dem Ding kein zweites Heizungsgesetz machen.“

Haus­ärz­t:in­nen müssten pro Tag mit 2 bis 5 Pa­tien­t:in­nen­ zusätzlich rechnen

Wie stark das Patientenaufkommen bei Haus­ärz­t:in­nen bei Einführung des Modells steigen würde, hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung ausgerechnet. Dabei wurde berücksichtigt, dass die meisten Menschen neben ihren Facharztkontakten auch jetzt schon ei­ne:n Haus­arz­t:in haben. Es erwartet, dass Haus­ärz­t:in­nen mit zwei bis fünf zusätzlichen Pa­ti­en­t:in­nen­kon­tak­ten pro Sprechstundentag rechnen müssten.

Doktor Margit Kollmer in Velden sorgt sich nicht um einen möglichen Mehraufwand. Sie behandelt bereits 65 Pa­ti­en­t:in­nen täglich. Die Ärztin wünscht sich, „dass die Pa­ti­en­tin­nen und Patienten mehr eigene Kompetenz entwickeln, ihre Beschwerden einzuschätzen und selbst etwas für ihre Gesundheit tun. Wenn die Patienten selbstständiger wären auch im Umgang mit sich selbst, wäre das der größte Fortschritt“, ist sie überzeugt.

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45 Kommentare

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  • Das Hausarztmodell wird ja als Prinzip nicht schlechter, wenn die Umsetzbarkeit im Moment nicht gegeben ist. Was laut Artikel in UK empfohlen wird:



    "dann kommt der Tipp, die örtliche Apotheke zu konsultieren und nach Salben und Gels zu fragen. Nur bei schweren Fällen soll der Allgemeinarzt konsultiert werden."



    ist doch längst Praxis.



    Ich bin übrigens alt genug, um mich noch an die "Hausarzt first"-Regel für Kassenpatienten zu erinnern. Der Krankenschein war ein Papierschein, der Anfang des Quartals zum Hausarzt getragen wurde. Die Überweisungen zum Facharzt wurden dort ausgestellt, bei in der Praxis bekannten chronisch Kranken wie mir (Asthma) auch ohne Zutun des Arztes...

  • Die kranken Kassen versuchen doch ohnehin schon seit Jahren, einem das hausarztzentrierte Versorgungsmodell schmackhaft zu machen. Das Problem ist: bei welchen Hausärzten denn?

    Ich lache immer wieder, wenn die bspw. die hiesige kassenärztliche Vereinigung in den Lokalmedien wieder berichtet, dass die Versorgungsquote irgendwelche absurd hohen, tw. über 100 liegenden Prozentangaben betrage. Aber sowohl privat, als auch beruflich (in der Arbeit mit Geflüchteten) ist es mittlerweile eine absolute Odyssee, eine Hausarztpraxis zu finden ohne Aufnahmestopp für Neupatient*innen. Und selbst, wenn man eine Hausarztpraxis hat: Akutsprechstunden sind überlaufen, Termine sind alle vergeben, notwendigerweise Fließbandabfertigung. Irgendwie habe ich unter den Vorzeichen wenig Vertrauen in ein Primärarztmodell, wo die Hausartzpraxis dann Gatekeeperin spielt.

    Typisch Deutschland: die Basics funktionieren schon lange nicht mehr, aber man will die Kür oben draufsatteln.

  • Ich glaub hier macht man es sich wieder zu einfach. Ich komme aus einer Familie mit etlichen Mitgliedern, die in diversen medizinischen Berufe arbeiten. Und ja dort sagt man auch, das eine erhebliche Zahl an Patienten die zu Fachärzten ohne Überweisung kommen, eigentlich keinen Termin bräuchten, da eine Behandlung auch von Hausarzt durchgeführt werden kann oder überhaupt gar nicht notwendig ist. Das gleiche gilt tw. auch für Notaufnahmen, wo regelmäßig Menschen hinkommen, die keine Notfallbehandlung brauchen. Nur wie einige schon angemerkt haben, herrscht schon jetzt v.a. in den Großstädten ein Mangel an Hausärzten (weswegen manche auch die Notaufnahmen aufsuchen) und dieses Problem wird in den nächsten Jahren noch akuter werden wenn man sich die Alterstruktur der Hausärzte anschaut: "Insbesondere in der hausärztlichen Versorgung ist der Anteil der über 59-Jährigen besonders hoch (37,2 %)." D. h., das fast 40% der Hausärzte vermutlich in den nächsten 5 Jahren in Rente gehen werden. Wenn jetzt jeder Hausarzt noch 2-5 Patienten mehr am Tag behandeln soll, wird das nicht lange gut gehen. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Hausärzten mit Praxis beträgt sowieso schon 51h.

  • Bei meinem Hausarzt wartet man etwa einen Monat auf einen Termin.

    Ich habe, nachdem der eine Facharzt, zu dem ich mit Überweisung gekommen bin, etwas völlig anderes entdeckt hat nun eine Überweisung für die nächste Fachrichtung zum Durchchecken bekommen. Hier ist es nicht bloß die Wartezeit, hier nehmen alle niemanden mehr an. Ich werde also wieder in den Zug steigen müssen, in etwa 4 Stunden Fahrtzeit gibt es eine Praxis, die noch Termine anbietet.

  • Schon jetzt ist es in einer Stadt (also nicht nur auf dem Land) fast unmöglich, als Neupatient*in bei einer Hausarztpraxis aufgenommen zu werden. Und wenn man einen Hautarzt hat, kann es selbst dort mehr als zwei Wochen brauchen, bis man einen Termin hat. Ich sehe nicht, wie sich das durch diese Regelung verbessert.



    Ein weiteres großes Problem: bei akuten Beschwerden gibt es eine einigermaßen sinnvolle Versorgung; wer aber chronisch krank ist, ist viel auf sich allein gestellt. Die im letzten Absatz gepriesene "Selbstständigkeit" besteht schon heute bei vielen chronisch kranken (außerhalb von den typischen Sachen wie Bluthochdruck etc.) darin, dass die Patient*innen besser über ihre Erkrankung bescheid wissen, als ihre Ärzte. Und wer das nicht leisten kann, zum Beispiel aufgrund einer Lernbehinderung, hat Pech.

    • @Wedekin:

      " ... dass die Patient*innen besser über ihre Erkrankung bescheid wissen, als ihre Ärzte. "

      Mögen Ärzt*innen das? ;-)



      Nicht selten kann das zu einem nächsten Hindernis werden.

  • Die freie Arztwahl wird nicht durch den Zugang zum Facharzt besser. Die Termine bei einem Hausarzt oder Facharzt sind gleich schwer zu bekommen. Wir haben einfach zuviel Nachfrage bei zuwenig Leistungsanbietern. Mehr Leistungsanbieter ist auch schwierig, da sie auch bezahlt werden wollen. Da helfen auch Neiddiskussionen wenig ( Ich bin Kassenpatient ). Wichtig ist die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit und bessere Gesundheitsbildung. Eigenverantwortung ist natürlich out, da die Gesellschaft, Umwelt usw verantwortlich sind.

    • @jogi19:

      "Wichtig ist die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit und bessere Gesundheitsbildung."

      Merkwürdige Vorstellung von der Entstehung vieler Krankheiten. Es gibt jede Menge Menschen, die "gesund" Leben und trotzdem schwere Krankheiten bekommen.

  • Ich kann mich noch gut an das 10€ pro Quartal Projekt erinnern. War nervig und hatte nicht die Wirkung, die es haben sollte. Sonst wäre es ja nicht wieder abgeschafft worden .

    Die Medizin ist nun mal inzwischen sehr spezialisiert. Selbst beim Zahnarzt ist das ja inzwischen so, dass man für Implantat oder Endodontologie lieber zum Spezialisten geht.



    Hausärzte bräuchten mehr Zeit und bessere Vergütung, um diese Lotsenfunktion zu erfüllen.



    Ich finde, diese Überweisungspflicht ist eine Gängelung und lenkt ab von den eigentlichen Problemen, zb Zweiklassenmedizin und Vergütungsungerechtigkeit bei Ärzten

  • Der im Text zitierte britische NHS ist im wesentlichen steuerfinanziert. Kein Untertan der Krone bezahlt annähernd den Krankenkassenbeitrag eines deutschen "Geringverdieners". Deswegen darf der NHS sich anmaßen den Untertanen Vorschriften zum Arztbesuch und zur Körperpflege zu machen. - Der deutsche Patient wird gesetzlich gezwungen im Voraus für eine Leistung zu bezahlen. Leistung und Gegenleistung sind, wie überall, wesentliche Voraussetzungen der Diskussion von Rechten und Pflichten. Deswegen darf man das nicht direkt vergleichen, so wie im Text geschehen

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Mir fehlt da auch die Darstellung, welche Verhältnisse in GB dadurch bestehen. Auch in NL.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Mal abgesehen davon, dass man in England ohne hohen Kontostand besser nicht krank wird...

  • Ich könnte schwören, dass wir das schon mal hatten und es wieder abgeschafft wurde. Oder?

  • Die meisten Fachärzte wollen sowieso schon eine Überweisung, sonst bekommt man einfach keinen Termin.



    Als ich Krebs hatte, hatte meine Ärztin einfach keine Zeit mir eine Überweisung zu schreiben. Die Diagnose war da, aber die Überweisung fehlte. Ich habe dann nach einer Woche warten im Krankenhaus angerufen, ob ich auch ohne Überweisung kommen darf. Hat geklappt, wurde geheilt.

  • Wird so das eklatante Versorgungsproblem nicht einfach nur verlagert?

  • "Regelung soll nur für gesetzlich Versicherte gelten..."

    Natürlich. Warum Privilegierte ärgern?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Klar, dann sind die Facharzttermine nicht so sehr von Kassenpatienten belegt.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Nun gibt es bei den Privilegierten auch das Problem nicht.

      Was soll man da lösen?

      • @rero:

        Für alle gleiche Regeln. Die Privilegierten sind ja Teil des Übels. Sie stehen immer vorn auf der Liste.

      • @rero:

        Für den Termin, den ich so nicht in meiner Stadt bekommen kann (nicht bloß Wartezeit, keinerlei Vergabe mehr), hätte ich, wäre ich privat versichert, innerhalb einer Stunde einen Termin erhalten können.

  • „dass die Pa­ti­en­tin­nen und Patienten mehr eigene Kompetenz entwickeln, ihre Beschwerden einzuschätzen und selbst etwas für ihre Gesundheit tun. Wenn die Patienten selbstständiger wären auch im Umgang mit sich selbst, wäre das der größte Fortschritt“,

    kann man Frau Dr. Kollmer nur zustimmen. Selbstwirksamkeit ist gesünder.

    Woran liegt´s ?

    Prof Trabert musste vor einiger Zeit fordern den Erste Hilfe Unterricht! in die Lehrpläne der Schulen zu integrieren. Denn nicht einmal das gibt es, nicht einmal im Lehrplan des Biologie Leistungskurses und schon gar nicht des Grundkurses z.B. eines großen Bundeslandes.

    Deutschland hat aus dem gleichen Grund eine Laien-Reanimationsquote im letzten europäischen Drittel. /1 Abb.3

    Schulunterricht über die dringlichen genauso wie über die verbreiteten Erkrankungen als notwendige Voraussetzung der frommen Forderung wäre naheliegend.

    Wer macht die Lehrpläne ?

    Den



    www.haev.de/



    und die



    www.dgsmp.de/?s=Schulunterricht



    interessiert das nicht.

    /1



    www.bundesgesundhe...ation_BMG-BZgA.pdf

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Laienreanimation kann nicht funktionieren, weil wir die Aufgaben schon längst institutionalisiert haben. Bald wird aber alles gut, weil Deutschland mit Defibrilatoren zugeschüttet wird. Der benötigt auch Bedienung, wenn Sie sich mit der Bedienung vertraut gemacht haben, ist der Verletzte ziemlich sicher verstorben.

      • @jogi19:

        Wenn Sie den Ersthelferkurs jetzt belegen und nicht erst, wenn Sie auf der Straße eine bewusstlose Person entdecken, sollte die ziemlich idiotensichere Bedienung eines AED kein Problem mehr sein.

  • wie wärs mit Telemedizin. Könnte durchaus zur Entlastung der Praxen beitragen.

  • Also, zu dieser Frau Doktor Kollmer würde ich im Leben nicht gehen …

  • Sofern die Private KV abgeschafft wird find ich den Kompromiss gut.

    • @ToSten23:

      :-)

  • Die Fachverbände der Psychotherapeut*innen versuchen aktuell zu erreichen, dass Psychotherapie nicht ins Primärarztsystem fällt. Es ist eh schon so schwer, einen Therapieplatz zu bekommen. Und es gibt mit den psychotherapeutischen Sprechstunden bereits ein Modell, in dem nach Dringlichkeit und Bedarf vorsortiert wird, sodass Wartezeiten reduziert werden. (Das das nicht ganz klappt liegt an fehlenden Kassensitzen, Beschwerden bitte an den gemeinsamen bundesausschuss).



    .



    Menschen mit psychischen Beschwerden ist nicht zuzumuten, dass der ohnehin schon lange Weg zum Therapieplatz zukünftig nur noch über die Hausarztpraxis gehen soll. Zumal Psychologen fachkundig beurteilen können und daher auch sollten, ob jemand Therapie braucht. Es ist einfach Quatsch, diese Kompetenz an Hausärzte zu übergeben! Zumal man mit seinem Hausarzt vllt auch nicht über alle sensiblen psychischen Probleme reden will, sondern sich dafür lieber an eine psychologische Fachperson wenden würde.



    .



    Wäre einen eigenen Artikel wert das Thema

  • Mein Hausarzt wollte mich gar nicht sehen. Das heißt, die MFA wollte nicht. "Warum gehen Sie nicht zum Orthopäden?", wurde ich gefragt. Nun denn.

  • Ich dachte das wäre jetzt schon so das man erst zu Hausarzt



    muss.

    • @Captain Hornblower:

      Es ist eben nicht so, dass JEDER Hausarzt mit seinem Praxispersonal auch einfache fachliche Hilfe leisten kann, wie die beschriebene Gehörgangsverstopfung. Bezüglich hausärztlicher HAUTKREBSFRÜHERERKENNUNG: Ich habe zwei Jahre lang meinen Hausarzt auf eine wachsende Hautanomalie hingewiesen, bis ich nach fast drei Jahren beim Hautarzt angekommen bin. Die Anomalie "erschien ungefährlich", es sollte eine Probe genommen werden. Stattdessen konnte ich eine Entfernung herausholen. Letztlich bekam ich telefonisch hektisch einen OP-Termin, für eine umfassendere Hautentfernung der Umgebung, denn die Diagnose lautete "maligne melanom"!



      Mit einer erheblichen Oberarmmuskelverspannung habe ich beim Hausarzt eine Überweisung zum Orthopäden erhalten. Der hat untersucht, geröntgt, und mir wegen eines offensichtlichen Muskelproblems zur Physiotherapie geschickt, die sehr spürbar gewirkt hat. Ich gehe von einem erheblichen Erfolg des neuen alten Hausarztmodells/Primärarztsystems aus. Da wird es zukünftig durchaus viel "Arztlauferei" geben, was einem die Arbeitgeber natürlich ebenfalls danken werden. Ja, alles hat zwei Seiten! Fragt sich, wie die aussehen, und wer von welcher Seite was hat!

    • @Captain Hornblower:

      Es ist jetzt teilweise sogar so, dass der Hausarzt/Kinderarzt einen bei Termingesuch abwimmelt, damit solle man lieber direkt zum Facharzt gehen.



      Es gibt aber einige Privatversicherungen, die die Primärarztklausel in den Verträgen stehen haben. Daraus schließen wohl einige, dass es günstiger sein muss.

    • @Captain Hornblower:

      Jetzt SOLL man das so machen.

    • @Captain Hornblower:

      Nein, muss man nicht. Es gab mal eine kurze Zeit, in der es so etwas in der Art schon gab:



      Gesetzlich Versicherte mussten beim ersten Arztbesuch pro Quartal 10 Euro zahlen – unabhängig davon, ob es der Hausarzt oder ein Facharzt war. Weitere Besuche beim gleichen Arzt im selben Quartal waren gebührenfrei. Wer jedoch ohne Überweisung zu mehreren Ärzten im Quartal ging, musste die Gebühr mehrfach zahlen.

      Das war ab 2004. Wurde dann irgendwann wieder abgeschafft.

      • @BrendanB:

        Ihre Erinnerung greift zu kurz, bis ca 1980 ist man grundätzlich zum Hausarzt gegangen. Ob es Vorschrift war kann ich nicht genau sagen, es wurde von allen so gemacht.



        Die Zuzahlung wurde im allgemeinen Wehgeschrei der Beteiligten abgeschafft. Die Sozialpolitiker hielten 10€ pro Quartal als sozial inakzeptabel. Die Ärzte beschwerten sich als Inkassounternehmen zu dienen. Der Nutzen wurde nicht mehr bewertet.

    • @Captain Hornblower:

      Nicht bei allen Fachrichtungen. Zahnarzt zum Beispiel oder Gynäkologie. Als ich dringend einen Lungen -und Allergiefacharzt gebraucht habe, ging das auch ohne Umweg über den Hausarzt.

    • @Captain Hornblower:

      Nicht jeder hat einen Hausarzt.

  • In 90% der Fälle, wenn ich beim Hausarzt war und eigentlich dachte ich muss zum Facharzt musste ich auch zum Facharzt.

    In den restlichen 10% war auch eine Fall bei in dem mich der Hausarzt falsch diagnostiziert hat und der Facharzt dann nach einem Jahr eine korrekte Diagnose gestellt hat und die korrekte Behandlung veranlasst hat.

  • Mein Hausarzt, den ich nach 8-Monatiger Suche gefunden habe, geht garnicht mehr ans Telefon. Fuer jeden Mist muss man hinfahren - mit Oeffentlichen ne Stunde Fahrt pro Richtung. Wenn angekommen warten die Leute auf der Strasse. Der Nachbareingang einer Firma ist abgesperrt, weil deren Besucher sonst nicht durchkommen. Die Geraete, um einen Gehoergang zu saeubern, sind nicht vorhanden, man probierte es mit einer mit Wasser gefuellten Spritze.



    Bei einem Bandschadenvorfall wurde eine Hexenschuss diagnostiziert - 1 Monat Schmerzen ohne Besserung. Nach zigfachen Betteln dann die Ueberweisung zum MRT. Ne 6er-Packung Physio war leider nicht im Budget, aber ne Ueberweisung zur OP waere kein Problem.



    Nach einen anaphylaktischer Schock in Folge der Coronaimpfung gab es kein Attest, stattdessen den Vorschlag doch mal die Impfungen anderer Hersteller zu probieren. Habe ich dankend abgelehnt und mich mit dem Dasein als Mensch 2. Klasse abgefunden. Ist man ja von der Gesetzlichen schon gewoehnt, selbst wenn man doppelt soviel zahlt wie ein Privatversicherter.

    Aber es ist ja nicht alles schlecht: Was waeren wir ohne grottenschlechte und ueberteuerte "Gesundheit"-Apps auf Rezept? Eben.

    • @elektrozwerg:

      Thema Ohrschmalz: Ich war vor vielen Jahren im Urlaub in Schweden in der Ambulanz des örtlichen Krankenhauses (wir reden von einem Land, wo es sehr wenig niedergelassene Ärzte gibt), weil der Gehörgang dicht war. Ich wurde mit dem Hinweis wieder weggeschickt, dass man sich da in Schweden selber hilft. In der Apotheke bekam ich eine Art Gummipumpe (mir fällt gerade kein besseres Wort ein), die man mit lauwarmem Wasser füllt und damit das Ohr ausspült. Das Ding habe ich immer noch und benutze es regelmäßig.

    • @elektrozwerg:

      Ihre Kenntnis der Kosten einer privaten Versicherung kann sich nur aus Unwissenheit speisen. Bei den Privaten muß sich jede Person versichern und es gibt keine Mitversicherten. Im Alter können die Versicherungsprämien explodieren, speziell wenn Sie auf den Verkäufer reinfallen.

  • Funktioniert in NL auch unproblematisch, da wird jedem sogar



    der Hausarzt, der für ihn zuständig ist, zugewiesen.



    Die freie Arztwahl ist in D ja auch nicht eingeschränkt, da bei Überweisung zum Facharzt die freie Arztwahl weiter bestehen bleibt.

  • „Wenn die Patienten selbstständiger wären auch im Umgang mit sich selbst, wäre das der größte Fortschritt.“

    Hilf dir selbst, dann hilft dir der Halbgott in Weiß.

    Seltsam, dass der mündige Bürger (der in diesem Fall zusätzlich Patient ist) immer dann gewünscht wird, wenn Kosten gesenkt werden sollen! Wenn Einnahmen erhöht werden müssen, darf der Bürger (auch als Patient) gern unmündig sein. Dann hat er besser keine Selbstkonpetez, sondern glaubt, was andere ihm möglichst gewinnbringend einreden.

    Er hat es also echt nicht leicht, der Bürger dieses Landes. Der Volksmund hat’s ja immer schon gewusst: Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Zu Risiken und Nebenwirkungen eigener (Un-)Mündigkeit fragen sie bitte ihren Soziologen oder Philosophen. 🤷

  • Meine Hausärztin in Berlin schickt mich bei wie auch immer auffälligem Leberfleck gleich zum Hautarzt, weil sie sich mit sowas garnicht auskennt. Sie spült mir auch keine Ohren. Und wegen Hexenschuss gehe ggf. ich gleich zum Orthopäden, der je nachdem ggf auch ein MRT verfügen kann. Im übrigen ist meine Hausarztpraxis längst so voll, dass sie das nun geplante Überweisungsgeschäft niemals bewältigen könnte. Schon jetzt wird sie unnötig belastet durch Patienten, deren Facharzt rechtswidrig auf einer Überweisung besteht als Voraussetzung für eine Terminvereinbarung.

    Auf dem Land wie im Beispiel der TAZ ist das sicher ganz anders, wenn der nächste Facharzt 30 bis 50 km weg ist, dann muss eine Hausärztin natürlich umfangreiche Aufgaben übernehmen.

    Der geplante Überweisungszwang verschlimmert nur die Diskriminierung gesetzlich Versicherter durch die Zweiklassenmedizin. Privatversicherte werden zweifellos auch künftig sofort einen Facharzttermin bekommen, auch ohne Überweisungsschein!