piwik no script img

Geplante Räumung von LützerathBürgermeister bleibt bockig

Die widerständige CDU ignoriert jetzt auch eine behördliche Weisung: Die Pläne zur Räumung von Lützerath verhaken sich weiter.

Machen sich vor der geplanten Räumung ein Bild derLage: Polizisten Anfang Dezember in Lützerath Foto: dpa

Aachen taz | Stephan Muckel bleibt bockig. Der CDU-Bürgermeister der Braunkohlegemeinde Erkelenz bei Mönchengladbach weigert sich erneut, die Räumung des besetzten Dorfs Lützerath einzuleiten. Das berichtet die Rheinische Post.

Die geplante Räumung ist Teil der Einigung der grün geführten Wirtschaftsministerien im Bund und in Nordrhein-Westfalen mit dem Kohlekonzern RWE von Anfang Oktober. Danach wird der Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen. Fünf Orte in der Region werden nicht abgebaggert, Lützerath soll aber weichen.

Muckel hatte am Dienstag eine ordnungsbehördliche Weisung der Bezirksregierung Köln erhalten, weil er vorher nicht von sich aus die Polizei um Amtshilfe bitten wollte. Seine Reaktion: Das mache ich weiterhin nicht. „Ich bin der Auffassung, dass bundes- und landespolitische Entscheidungen zur bundesweiten Energieversorgung auch dort vollzogen werden müssen, wo sie getroffen werden“, zitiert ihn die Rheinische Post. „Wenn Sie ungebetene Gäste in Ihrem Garten haben, dann rufen Sie doch auch nicht den Bürgermeister an, sondern die Polizei.“ Und er verweist auf einen Beschluss des Erkelenzer Stadtrats von 2021, wonach „jeder erhaltene Quadratmeter Erkelenzer Land ein guter Quadratmeter ist.“ Jetzt droht Muckel ein Disziplinarverfahren, das sogar eine Amtsenthebung nach sich ziehen könnte.

Am Zug ist nun der Kreis Heinsberg als übergeordnete Behörde. Dessen Landrat, Stephan Pusch (ebenfalls CDU), bekannt geworden durch Medienauftritte aus den Anfängen der Corona-Pandemie, hat zwei Optionen: Er kann selbst die Räumung Lützeraths einleiten oder sich ebenfalls verweigern. Bei einem Nein droht auch ihm ein Disziplinarverfahren. Ob die Bezirksregierung Köln dann selbst im Auftrag des Landes NRW die Räumung starten könnte, ist rechtlich noch unklar. Lützerath ist zu juristischem Neuland geworden.

Räumung ab Januar

Die Aachener Polizei bereitet sich unabhängig vom behördlichen Tohuwabohu auf einen „mehrwöchigen Einsatz“ ab Januar vor mit vermutlich Tausenden Einsatzkräften. Die Räumung wird kaum vor Ende der Winterferien rund um den 10. Januar starten – auch PolizistInnen haben Ferien. Ab 16. Februar ist Straßenkarneval im Rheinland, da werden viele Beamte gebraucht. Das Zeitfenster ist also eng.

RWE darf im Tagebau Garzweiler bis 2030 etwa 280 Millionen Tonnen Kohle verbrennen. Am 28. Februar muss eine Rodung des Gebiets aus Naturschutzgründen abgeschlossen sein. Sonst ist Pause. Das kleine Lützerath ist der letzte Ort, der im Weg steht. Hier leben etwa 100 bis 150 BesetzerInnen. Mittlerweile 11.500 Menschen haben unterschrieben, sich einer Räumung entgegenzustellen, zu -setzen oder zu -kleben.

Schon 2018 bei der Räumung des Hambacher Waldes hatte es unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit für den Einsatz gegeben. Die Stadt Kerpen hatte erst nach einer offiziellen Anweisung der Landesregierung („Brandschutz“-Vorwand) den Polizeieinsatz widerwillig erbeten. 2021 hatte das Verwaltungsgericht Köln den Einsatz für rechtswidrig erklärt und die Stadt Kerpen sich danach per Stadtratsbeschluss geweigert, Revision einzulegen. Auch hier kam die Weisung aus Düsseldorf, das zu tun. Das Verfahren ist vor dem OVG Münster noch anhängig.

Erwartungsgemäß hat die zuständige Bergbaubehörde in dieser Woche den Hauptbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler zunächst bis 2025 durchgewunken, der alte läuft zum Jahresende aus. RWE hat am vergangenen Dienstag die Stromleitungen nach Lützerath gekappt, angeblich „wegen Rückbauarbeiten im Vorfeld des Tagebaus“, so RWE. Die BesetzerInnen nennen das rechtswidrig, jede und jeder habe einen grundsätzlichen Anspruch auf Versorgung. Ersatzweise haben sie reihenweise neue Solarpaneele über Spenden besorgt und auf den südlichen Wiesen aufgestellt. Wird wohl alles zu Klump gehauen, schrieb eine Aktivistin, sobald die Polizeikräfte anrücken. Aber da ist noch die lokale CDU-Politik vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Schade, Muckel ist gekippt. Ich revidiere meinen Ausruf.

  • Merkwürdige Bürokratie. Warum soll ein gewählter Beamter Anweisungen von oben bekommen?



    Warum kann der gewählte Anführer der jeweils zuständigen Gebietskörperschaft die gewünschte Maßnahme nicht selbst anweisen? Entweder regiert die Landesregierung unmittelbar nach unten durch oder die lokale Behörde ist zuständig und macht vor Ort das, was sie für richtig hält.

  • Schönes Beispiel dafür, dass die Welt am Ende doch nicht so schwarz-weiß ist wie man immer denkt.

  • Muckel bleibt!

  • Ich fürchte, dass die Räumung von Lützerath am Ende mit Gewalt durchgesetzt wird. Es geht hier um ein Symbol, welches gebrochen werden muss, wenn der weitere Marsch in die Hinnahme der Klimakatastrophe konsequent weitergegangen werden soll.

    Nach meinem Eindruck sieht es so aus:

    Jeder weiß, dass die Klimakatastrophe begonnen hat. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich entschieden, dass es im Wesentlichen trotzdem ein "weiter so" geben soll.

    Sie gehen explizit oder implizit davon aus, dass es in Europa gelingt, die Folgen zu begrenzen. Die Lösung gegenüber den Verheerungen anderswo lautet "Abschottung", die bereits jetzt mit tödlicher Macht und jenseits von Menschlichkeit praktiziert wird.

    Lützerath ist das Symbol für einen anderen Weg, den entgegengesetzten Weg, welcher "kein weiter" so zulassen will.

    Also müssen und werden die Verantwortlichen des "weiter so" den Widerstand in Lützerath mit allen Mitteln staatlicher Gewalt, die sie legal anwenden dürfen, brechen. Übrigens müssen die Verantwortlichen dies nicht einmal individuell so reflektiert haben, es ist eine Art kollektives Handeln. Die Verantwortlichen bei den Grünen, die gegen ihre früheren Prinzipien handeln, finden für sich selbst Rechtfertigungen und Relativierungen. Sie verändern ihre Positionen schrittweise, bis diese unkenntlich mit denen identisch sind, die bereits früher ein "weiter so" in die Klimakatastrophe praktizierten.

    • @PolitDiscussion:

      Und dann steht ein CDU’ler auf und sagt „nein, gegen den Spruch des Bundesverfassungsgerichtes verstoßen müsst ihr schon selbst, das mach ich nicht für euch“.

      Es gibt nämlich nicht nur eine Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sondern verschiedene Gruppen, und sie sind zum Glück nicht hart durch Parteigrenzen getrennt.

      Und die „weiter so“-Gruppe muss ihren Standpunkt ändern, wenn wir als Menschheit eine Zukunft haben wollen.

  • Erinnert mich ein bisschen an Hans Schuirer, den Landrat von Wackersdorf damals. Hoffentlich ein gutes Omen :)

  • Hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber: ich ziehe meinen Hut vor diesem CDU Politiker. Vlt. fahr ich selber zum Anti-Räumungs-Protest. Wäre mein erstes Mal…

    • @Marc Aber:

      Auf Kommunaler Ebene ist die Positionierung sehr viel stärker abhängig von den persönlichen Ansichten und auch der grundsätzlichen Stimmung im Ortsverband als von irgendwelchen bundespolitischen Ausrichtungen.

      Hier in der Gegend hat der FDP-Ortsverband den Vorschlag gebracht im großen Stil Ackerflächen zu kaufen und dort einen "Zukunftswald" zu pflanzen. Auch eher untypisch für die Gelben

    • @Marc Aber:

      Anschließe mich. Chapeau!

  • 》Jetzt droht Muckel ein Disziplinarverfahren, das sogar eine Amtsenthebung nach sich ziehen könnte《

    Da bahnt sich wieder ein schlimmer Rechtsbruch an: so ein Bürgermeister in NRW ist kein Befehlsempfänger einer "übergeordneten" Behörde (Stichwort "kommunale Selbstverwaltung")

    Das überhaupt so etwas wie "Disziplinarverfahren" ins Spiel gebracht wird, ist an sich schon ein Skandal.

    Wenn wan sich dann noch vor dem Hintergrund des Klimaschutzurteils des BVerfGs vergegenwärtigt, dass Lützerath die 1,5-Grad-Grenze markiert www.zeit.de/gesell...visten-klimawandel , wird die ganze Veranrwortungslosigkeit der Landesregierung NRW deutlich - das ist nochmal eine Potenzierung im Vergleich zum Rechtsbruch "Räumung des Hambacher Forsts" wegen vorgeschobener Brandschutzbedenken

    • @ke1ner:

      Ich bin auch dafür alle Grenzen aufzulösen und endlich nur in Kommunen eines anarchistischen Gesellschaftssystems zu leben!



      Wenn Sie das anders sehen, dann sollten Sie vielleicht nochmal darüber nachdenken ob es Sinn macht, dass es keine Weisungen "von oben" geben kann in einer Republik. Selbstverwaltung geht immer nur so weit, wie "höhere Interessen" nicht gefährdet sind.



      Ich bin übrigens auch dagegen, aber man sollte sich schon überlegen, mit welchen Mitteln man argumentieren will.

      • @Rahl:

        Die kommunale Selbstverwaltung hat Verfassungsrang, das hat nichts mit Anarchie zu tun.

        Art.28 GG 》(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung《

        Wenn der Bürgermeister zuständig ist, ist es eine Angelegenheit "der örtlichen Gemeinschaft", und es kann ihm zunächst niewand reinreden, ihm (er ist schließlich gewählt) Vorschriften machen, wie er sein Amt zu führen hat (zunächst: denn wenn er in seiner Amtsführung gegen geltendes Recht verstößt, kann die Rechtsaufsicht (Regierungsbezirk, Land) an seiner Statt handeln).

        So argumentiert er ja wohl auch: Energieversorgung sei (in diesem Fall) keine örtliche Angelegenheit, es handle sich um "bundes- und landespolitische Entscheidungen zur bundesweiten Energieversorgung" - wer soll einen gewählten Bürgermeister zwingen können, Dinge zu tun, die außerhalb seiner Zuständigkeit liegen?

        Von örtlichem Interesse ist der Erhalt Lützeraths, sind nicht die Interessen von RWE, der Landesregierung oder des Bundes.

        Wenn die Verantwortlichen dort das Klima-Urteil des BverfG ignorieren wollen, sollten sie keinen Strohmann vorschieben und sich so auch nicht einer Klage entziehen können ('waren wir nicht, war der Bürgermeister')!

  • Das hättens sich die Hambies sicher nienicht gedacht!



    Dasse sich über zwei CDU-Nasen mal ins Fäustchen lacht!



    Daß Brandschutzlügner Lasset&Reul nicht im U-Knast!



    Schade. Dess hett doch so was fein gepaßt!



    Aber so isset bei Höher-Chargen-Nasen!



    Da müßt mal wer die StA zum Jagen tragen! But.



    Wär aber schön wenn die zwei vor Ort - sann g‘scheit!



    VIVAT - LÜTZI BLEIBT •

  • Verdrehte Welt, oder ?

  • Herr Muckel kann ja einem richtig sympathisch werden ♥