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Gendergerechte SpracheKrieg der Sternchen

Kommentar von Steve Ayan

Warum erhitzt der Genderstreit so sehr die Gemüter? Weil man sich dazu nicht nicht verhalten kann. Ein Auszug aus dem Buch „Was man noch sagen darf“.

Der Streit um das Gendern wird auch per Aufkleber ausgetragen Foto: Daniel Biskup

D ie Debatte um Gendersternchen wird oft hochemotional geführt. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich viele durch sie an den Rand gedrängt fühlen: Man wird genötigt, mitzuspielen oder sich zu erklären.

Nach dem initialen Denkanstoß setzt früher oder später die Gewöhnung ein

Sprache steht nie still. In den letzten Jahren kam es in Mode, sie von Altlasten befreien zu wollen, vom Geist einer Zeit, als der Mann das Geld verdiente, die Frau sich um die Kinder kümmerte und Minderheiten immer für einen Scherz gut waren. Mit diesen Bildern wollen sich die meisten von uns nicht mehr identifizieren.

Das Motiv ist also einfach: Gleichberechtigung. Alle mitmeinen. Nicht verletzend oder vorurteilsbehaftet über andere sprechen. Wer diesen Wunsch teilt, kann kaum anders, als ab sofort „Mitarbeiter*innen“ oder „Forschende“ zu schreiben und durch Sprechpausen das Mitmeinen aller anzuzeigen. Oder nicht?

Zwar umfasst das generische Maskulinum grammatisch durchaus beide (oder alle) Geschlechter, dennoch wollen viele die Sichtbarkeit des „anderen“ erhöhen. Das ist legitim. Und doch regt sich Unmut: Wird die Sprache so nicht mutwillig verschandelt?

Es gibt Situationen, in denen das Vermeiden generischer Maskulina tatsächlich gestelzt wirkt. Man kann es trotzdem gutheißen, weil Irritation Nachdenken auslöst. Menschen denken in der Tat stärker an weibliche Vertreter einer Zunft, wenn gegenderte Formen verwendet werden. Laut schwedischen Forschern um Anna Lindquist von der Universität Lund ist es für das Mitmeinen dabei wichtig, durch explizite Nennung beider Geschlechterformen oder durch kreative Neuschöpfungen wie das schwedische „hen“, eine Mischform aus den Pronomen er („hon“) und sie („han“), Gewohnheiten zu durchbrechen. Weicht man hingegen einfach auf neutrale Varianten aus (etwa den englischen Plural „they“), verbinden Testpersonen damit oft primär den männlichen Standard.

Moralisieren des Mitmeinens fördert die Zersplitterung

Doch was ist damit letztlich gewonnen? Nach dem initialen Denkanstoß setzt früher oder später die Gewöhnung ein. Irgendwann ist “Studierende„ einfach das Wort für ehedem „Studenten“. Warum man das Partizip einst wählte, verblasst.

Das Moralisieren des Mitmeinens (Wer nicht gendert, hat etwas gegen Gleichberechtigung) fördert die Zersplitterung. Oder wie kommt es, dass viele so erbittert um Sternchen und Partizipien streiten? Ist es nicht einfach nur zeitgemäß, sprachliche Konventionen im Sinn der Gleichberechtigung zu reformieren? Das Problem ist die Doppelbödigkeit dieses scheinbar harmlosen Wunsches, denn das Gendern setzt viele Menschen unter Druck. Jeder sieht plötzlich alt aus, der weiter generische Maskulina benutzt. Man fühlt sich an den Rand gedrängt; wird genötigt mitzuspielen oder sich zu erklären. Man kann sich nicht nicht zum Gendern verhalten.

Steve Ayan

geboren 1971 in Berlin, ist Psychologe und Redakteur bei „Gehirn&Geist“ (Spektrum der Wissenschaft). Er schreibt über Moralpsychologie und Bewusstseinsforschung und lebt als bekennender mittelalter weißer Mann mit Frau und Kind bei Heidelberg.

Diese Form der Nötigung hat das Zeug zum Aufreger. So ergab eine Untersuchung an 168 schwedischen Probanden, die ein Team um die Stockholmer Psychologin Hellen Vergoossen 2020 veröffentlichte, dass die Angst, in der persönlichen Redefreiheit eingeschränkt zu werden, eine besonders emotionale Ablehnung des Genderns hervorruft. Je mehr sich die einen über die Rückständigkeit der Verweigerer empören, desto erbitterter keifen diese zurück. Darüber gerät die Arbitrarität sprachlicher Zeichen aus dem Blick: Die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist beliebig. Ob die Lautfolge “Baum„, “tree„ oder “arbre„ große Gewächse meint, hat keinerlei tieferen Grund. Diese Wörter wurden im Lauf der Zeit gebräuchlich, doch im Prinzip könnten es auch andere sein.

Diese Beliebigkeit anzuerkennen hilft, die Realität nicht mit ihrem sprachlichen Ausdruck gleichzusetzen – ein Irrtum, dem rasch erliegt, wer eine Sprechweise unmittelbar an das Denken und die Weltsicht des Sprechers knüpft. Gendern allein verändert die Denkweise von Menschen oder die Rolle von Frauen in der Gesellschaft noch nicht. Es birgt sogar umgekehrt die Gefahr, dass eine „korrekte“ Sprechweise als Signal für Gleichberechtigung dient, ohne dass diese wirklich gelebt wird.

Weshalb also werden grammatische Details zu Fragen von Wohl und Wehe stilisiert? Nach dieser Logik dürfte es gar keine bedeutungslosen Formalismen in der Sprache geben. Alles hätte eine tiefere Bedeutung, verwiese auf eine Haltung. Rückt nicht das englische „How are you?“ das Sein viel stärker in den Fokus als das deutsche „Wie geht es dir?“ Denken Deutsche deshalb irgendwie „beweglicher“ als US-Amerikaner?

Tabus wandeln sich, aber verschwinden nicht

Nichts Sprachliches dem Zufall zu überlassen, zeugt von einer Hypersensibilität, die alles mit Bedeutung auflädt. Doch wir schreiben Bedeutung zu; sie ist nicht einfach gegeben. Daher rührt auch die vermeintliche Unfehlbarkeit sprachpolizeilicher Verdächtigungen: Sobald man einen Ausdruck als inakzeptabel etikettiert, ist er das.

Man kann Redeweisen verändern, um auszudrücken, was einem wichtig ist. Nur sollte man nicht glauben, die Veränderung bliebe dort stehen. Die Sprache wandelt sich ständig weiter, durch Gewöhnung, Umdeutung, Ironisierung, Übertragung auf neue Zusammenhänge. Begriffe wie „queer“ wurden von der so einst verunglimpften Gruppen selbst zur stolzen Eigenbezeichnung umfunktioniert. Ein Akt der Selbstermächtigung, der das Verletzende nicht tilgt, sondern es benutzt, um sich nicht mehr verletzen zu lassen. Redeweisen zu tabuisieren, unterbindet solche kreativen Verschiebungen.

Manche fragen: Gibt es überhaupt noch Tabus? Leben wir nicht in einer Zeit totaler Enthemmung? Wie das Gendern offenbart, wandeln sich Tabus zwar, aber sie verschwinden nicht. Sie dienen nicht mehr dem Machterhalt einer Elite, sondern dem Versuch, eine Sparversion von Macht, die Deutungshoheit, zu erringen. Nur sollte man nicht so blauäugig sein, zu glauben, dass die Welt schon eine andere ist, weil man anders redet.

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17 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.   

  • Das genderen ist ein untauglicher Versuch, ein zweifelos vorhandenes Problem der Ungleichheit auf die sprachliche Ebene zu ziehen, um es so zu "lösen". Das im alten Testament dargelegte Menschenbild hat Judentum, Christentum und Islam geprägt und hat sich leider weltweit durchgesetzt. Dagegen hilft keine Spachakrobatik. Das ist nur eine Scheinlösung, wie sie auch für andere massive Probleme gerade Konjunktur haben.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Ich spreche einfach nur noch Plattdeutsch, damit umgehe ich das Gendern.



    Zumindest ist mir noch keine Forschung und Variante bekannt, wie im Plattdeutschen gegendert werden sollte?



    Wie steht es mit anderen Dialekten und Sprachen in Deutschland?

    • RS
      Ria Sauter
      @659975 (Profil gelöscht):

      Im moselfränkischen heisst alles weibliche " es".



      Er und es!

  • "Es gibt Situationen, in denen das Vermeiden generischer Maskulina tatsächlich gestelzt wirkt. Man kann es trotzdem gutheißen, weil Irritation Nachdenken auslöst."

    Ja, deswegen gehört das gendern in Sonntagsreden und bewußte Sprechakte. Dort kann es irritieren und zum nachdenken anregen. Im Alltag lenkt diese ständige Irritation vom weiteren Inhalt ab und macht die Kommuniktaion stressig und politisch. Das lehnen die meisten Menschen zu Recht ab. Gendern wird zum aggressiven Akt und ist eben kein Zum-Nachdenken-Anregen oder so ...

  • Vielleicht betrachtet man das Ganze auch einmal von einer völlig anderen Seite:

    Für was brauchen wir Sprache? Um uns zu verständigen. Das ist mit unterschiedlichen Sprachen und Dialekten schon schwierig genug. Warum verkompliziert man dann Sprache künstlich? Warum verhindert man Klarheit und Verständnis?

    "Frauen sind die besseren Autofahrer" kann man klarer, verständlicher und besser nicht ausdrücken. "Frauen sind die besseren Autofahrerinnen" macht keinen Sinn und "Frauen sind die besseren Autofahrerinnen und Autofahrer" klingt nicht nur gestelzt und künstlich, es ist es auch.

    Jede zusätzliche Silbe verlängert eine Information und verkompliziert diese auch. Warum sagen wir "Kita" und ni8cht "Kindertagesstätte", warum "Bus" und nicht "Omnibus", warum "Auto" und nicht "Automobil? Weil wir schnell klar und unmissverständlich Informationen wollen.

    Ich habe jetzt bewusst nicht Formen mit Sonderzeichen erwähnt, denn diese haben ja in der Schrift bereits eine Aufgabe. Ein Stern weist auf eine Fußnote hin. Ein Doppelpunkt steht meist vor einer Aufzählung, einem Zitat oder einer wörtlichen Rede. Sogar der Rechtschreibrat, der die Regeln der deutschen Sprache festlegt (nicht nur für Deutschland!) lehnt diese Sonderzeichen ab.

    Das Generikum ist klar, verständlich und diskriminierungsfrei. Die "Diskriminierung" ist nur eine subjektive Erfindung. Man könnte das sofort lösen, in dem man die "innen" Sonderform nur dann verwendet, wenn es wichtig ist, eine Person auf ihr weibliches Geschlecht zu reduzieren. Also auf neudeutsch "Sexist" zu sein. Ansonsten sollte es doch egal sein, welches Geschlecht jemand hat - außer vielleicht bei Sexualpartnern, wenn man nicht bisexuell ist.

    Daher: Rettet das Generikum! Es ist die einzige diskriminierungsfreie, klare und verständliche Sprachform die wir haben.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Das mit den Testpersonen, die mit dem generischen Maskulinum vorwiegend Männer verbänden, ist so eine Sache. Wenn ich die Einstellung in solchen Studien zu Verzerrungen, Evidenzlevel/Aussagekraft und den Umgang mit widersprüchlichen Evidenzen betrachte, dann sind die quantitativen Methoden doch noch sehr in den Kinderschuhen.

    Das will sich aber niemand so recht öffentlich eingestehen. Es werden im Gegenteil weitreichende Forderungen aus solchen Studien abgeleitet, die zumindest nach den Maßstäben, die ich aus der Biostatistik kenne, so gut wie gar nichts aussagen. Zu dem Thema "Verläßlichkeit von Studien zum Gendern" gibt es aktuell eine "Duplik" in der FAZ - ich weiß, schwieriges Feld - aber ich ermutige jede:n der sich mal die "andere" Seite wenigstens anschauen will, da mal reinzulesen.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Die Funktion von Sprache besteht in der Übermittlung von Gedanken. Damit dies funktioniert, müssen Sender und Empfänger eine Sprache in gleicher Weise verstehen, brauchen aber keineswegs Zeitgenossen zu sein. Deswegen ist die oft propagierte Veränderlichkeit von Sprache nur insoweit ein Vorzug, wenn das Verständnis für Formen nicht verloren geht, was gerade im Deutschen relativ ausgeprägt ist. Das Protokoll eines frühneuzeitlichen Hexenprozesses dürften nur die wenigsten Deutschen verstehen, entsprechend speisen sich gängige Vorstellungen zu dem Thema aus Filmen und Historienromanen der Populärkultur. Ähnlich dürfte es einmal Quellen zur NS-Diktatur ergehen, wenn das generische Maskulinum tatsächlich aus dem allgemeinen Sprachschatz schwände. Sprache bewusst zu verändern, bedeutet, das Vergessen von Geschichte und auch deren mögliche Umdeutung billigend in Kauf zu nehmen.

    Mal abgesehen davon, dass die Idee der Gesinnungszucht durch Sprachregulierung etwas zutiefst totalitäres hat, zeugt sie von einem irrigen Sprachverständnis. Worte verschwinden, weil zugehörige Gedanken nicht mehr existieren, nicht umgekehrt. Niemanden in Russland dürfte das Verbot des Wortes "Krieg" daran hindern, die "militärische Spezialialoperation" als Krieg zu betrachten. Sicher erschwert ein Sprachverbot die offene Kommunikation gewisser Gedanken, allerdings nur solange bis der Gedanke auf andere sprachliche Zeichen übergegangen ist, wovon beispielsweise die angelsächsische Kreativität hinsichtlich sexuell konnotierter Begriffe Zeugnis gibt.

    Wenn eine bestimmte Gesinnung mit Maßnahmen in Verbindung gebracht wird, die als Gängelung oder Unterdrückung empfunden werden, können diese im Endeffekt sogar nach hinten losgehen. Was mich betrifft, so bewirken jedenfalls sämtliche Maßnahmen der Sprachbereinigung so ziemlich das Gegenteil dessen, womit sie begründet werden. Aber vermutlich geht es bei dem Thema auch mehr darum, Menschen vom allgemeinen Gedankenaustausch auszuschließen.

  • Tja, hmm. Für mich ist Sprache kein Gegenstand philosophischer Betrachtungen, sondern Mittel zum Zweck: Um nämlich Informationen, Meinungen, . . . herüberzubringen.



    In meinem bisherigen Leben beschlich mich nie der Verdacht, dass ein Referent / eine Referentin, der / die in seiner / ihrer Rede nur die männliche Form verwendete, den weiblichen Teil der Zuhörerschaft absichtlich ausschließen wollte. Schließlich begann die Rede üblicherweise mit „Meine Damen und Herren“. Die Damen waren also mit-gemeint. Dass dadurch Verwechslungen und Missverständnisse auftraten, ist mir nicht bekannt.



    Heutzutage verlängert das Gendern die mündliche und schriftliche Informationsübermittlung, weil sich der Referent / die Referentin zusätzlich zum Inhalt noch Gedanken um die jeweils am besten passende Gender-Form machen muss. Ohne dass Leser*innen und Zuhörer*innen etwas davon haben.



    Übrigens: Aus dem Beitrag konnte ich nicht entnehmen, wie Personen, die sich zu einer der Varianten der Geschlechtsangabe „Divers“ zählen, beim Gendern berücksichtigt werden. Sollen sich nunmehr diese Personen diskriminiert fühlen?

  • RS
    Ria Sauter

    Dann ab sofort nicht mehr " Herr Mustermann" sagen sondern



    Mann Mustermann.



    Es heisst ja auch nicht Dame Musterfrau.



    Macht endlich im Sinne der Gleichberechtigung!

  • "Nur sollte man nicht so blauäugig sein, zu glauben, dass die Welt schon eine andere ist, weil man anders redet."

    Das sicher nicht, aber gerade das Beispiel "queer" zeigt doch genau, dass die Aneignungspraxis performative Effekte nach sich zog, die die Bedeutung und langfristig auch ganze Institutinen verändert haben. Wer konnte damals schon wissen, dass diese Aneignung und Umarbeitung z.B. einen positiven Gruppenbezug festigen oder die Bezeichnung ganzer Studiengänge an Universitäten hervorbringen würde?

    Insofern liegt in der Veränderung sprachlicher Konventionen nicht nur das Potenzial für Veränderung, sondern gleichzeitig auch eine politische Dimension begründet, die wichtig ist, insbesondere für diejenigen, die sonst zumeist unsichtbar bleiben. Gerade deshalb ist der im Text verlinkte Einspruch der Blinden- und Sebehindertenverbände oder der Bezug auf Personen mit Bedarfen an Leichter Sprache sehr wichtig. Sprache macht eben gleichzeitig Denken, Fühlen und Sehen.

    Und BTW: Auch eine Aneignung bestimmter Begriffe führt nicht dazu, dass deren Verletzungspotenzial (!) verschwindet. Queer kann nach wie vor als Schimpfwort verwendet werden, wenn der Kontext entsprechend ist.

  • Es gibt bisweil:en lustige *Seiten und eine neue sprachliche Variabilität, Kreativität entspringt auch manchmal kleinen Zwäng_en.



    //



    taz.de/Die-Wahrheit/!5774383/



    //



    😉

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Ich bin jetzt mal ein bißchen böse, aber....diese angesprochene Hypersensibilität kommt oft oder meistens von Menschen, die auch die Zeit haben sich den ganzen Tag damit zu beschäfftigen. Für mich sind einige dieser Leute die neuen Spießer, die neuen Blockwarte, die ihre Mitmenschen überwachen, sie beobachten, sie zutrechtweisen, wenn eine Ausdrucksweise, ihrer Meinung nach, mal nicht korrekt war.



    Sie wollen eine geschliffene, gendergerechte Sprache. Das erinnert mich an den Nachbarn, der seine Rasenkante mit der Nagelschere schneidet. Vielleicht aus Überzeugung, aber in erste Linie deshalb, weil er die Zeit dafür hat. Er ist nämlich ein frühpensionierter Beamter. So nehme ich die Menschen wahr, die laut nach gendergerechter Sprache schreien.



    Es geht auch anders, etwas ruhiger und vorallem braucht es Zeit, bis Sprache sich ändert. Das wird sie auch, nur eben nicht so schnell.



    Noch eine kleine Anekdote: Meine Trans- Kollegin bei der Arbeit ist schlagfertig. Als am Ausgabetresen sie ein Handwerker genau musterte und sie anschließend fragte "Ey, was bist du denn eigentlich?" hat sie geantwortet: Ich bin ..."Name" und ich bin trans. Weißt du was der Vorteil von trans ist? Ich kann dich nehmen, wenn ich will oder mich von dir nehmen lassen, wenn ich will. Das kannst du nicht.



    Seit dem läßt sich dieser Handwerker nur von ihr bedienen und ist der freundlichste Kunde, den man sich denken kann und das Thema ist erledigt.



    Hätte sie eine Diskussion angefangen über sexistische Beleidigung, hätte das alles eine andere Richtung genommen.



    Ich weiß, ob jetzt hier angebracht war, aber "grober Keil auf groben Klotz". Es funktioniert.

  • Einer der lesenswertesten Texte zum Thema Gendern, die ich als Sprachverliebter über Jahre gelesen haben.

    Was mir gefällt, ist der pragmatische Ansatz, der Moralisieren als kontraproduktiv und ideologisch unnötig demaskiert.

    Ich selbst lehne Gendern als unästhetisch, übergriffig, bevormundend ab. Die Theorie, das Sprache Bewusstsein formt, ist bisher unbewiesen, die Studien dazu sind vom Methodendesign allesamt fragwürdig, wissenschaftlich irrelevant.

    Ich frage mich aber auch, wie man es besser machen kann? Nach Binnen-I und Genderstern und Auswüchsen wie dem Leipziger „Professorix”, könnte die Nominalisierung des Partizips, das aus studierend eben die Studierenden macht, die Lösung sein. Auch wenn Max Goldt und Bastian Sick wie auch ich noch vor Jahren begründeten, dass die nominale Partizipkonstruktion nur im Augenblick der Tätigkeit gilt und nicht dann wenn man schläft oder Liebe macht, ist die Partizipnominalisierung für mich bisher der akzeptabelste Versuch, Gendersprache zu akzeptieren. Ich überlege noch.

    Womit Ayan sicher recht hat: Mit der Gewöhnung wird man die Ursache vergessen - Genderstern und Binnen-I dagegen verhindern eine Gewöhnung, weil sie sich in ihrer Mutwilligkeit nicht einschleifen.

    Die Kernfrage von Ayan ist aber sicher die - und das unterschreibe ich sofort: Was ist damit gewonnen?



    Sicher, man wird öfter darüber nachdenken, welche Form man verwendet. Die Gefahr ist aber unstrittig darin, dass man mehr auf Formalismen achtet, als auf den Inhalt. Das lenkt ab und ist störend.

    Schlimmer ist aber die spaltende Ideologie dahinter. Statt die integrierenden Kräfte der Gesellschaft zu fördern, ihre Toleranz, die Unterschiede als Zugewinn versteht und davon partizipiert, wird das Unterscheidende, Ausgrenzende zementiert. Das Wir und Ihr. Ein Uns kommt in dieser Haltung nicht mehr vor.

    Einst forderte die liberale Linke Toleranz für die Gesellschaft, heute agiert sie dagegen. Das lässt mich die Gender-Ideologie zutiefst ablehnen.

    • @rakader:

      Witzigerweise steckt letzten Absatz selbst derart viel einseitige Ideologie, dass es lustig ist, hier etwas von der bösen, anti-liberalen Gender-Ideologie zu lesen. Einseitig deshalb, weil die Betonung von Differenz eben nicht unbedingt etwas spalterisches haben muss, wenn mit ihr eben keine Wertigkeit bzw. neuen Ungleichheiten verbunden sind. Ein "Uns" macht eben nur dort sind, wo Personen die entsprechende Repräsentanz und Anerkennung erfahren. Der Entzug dessen führt zu der von dir besagten Spaltung, nicht irgendwelche "Gender-Ideologie" der es ja gerade und insbesondere um eine inkludierende sprachliche Vielfalt geht. In deinem zögerlichen sprachlichen "Uns" existierten bislang vor allem Männer und alle(s) andere durfte sich damit begnügen "mitgemeint" zu sein, während ein generisches Femininum rigoros abgelehnt wird, obwohl es das gleiche Problem sichtbar macht. Die Variante über die du nachdenkst, ist nur der zögerliche Versuch, sich einem Problem zu öffnen, das aber durch sie nicht gänzlich gelöst wird.



      Man könnte also genau gegenteilig argumentieren, dass eine geschlechtersensible - wie auch z.B. rassismussensible Sprache (z.B. das große S bei Schwarze Menschen) - für mehr Vielfalt und Inklusion in ein erweitertes, gemeinsames "Wir" bzw. "Uns" ermöglicht.

  • Ich gendere exakt überhaupt nicht. Privat kann mir das ohnehin niemand vorschreiben, und ich habe einen Beruf (und eine Arbeitsstelle), in dem ich mir das leisten kann, und nicht an irgendwelche Sprachvorgaben gebunden bin. Ich empfinde das Gendern in der Tat als Sprachverhunzung und werde das vermeiden soweit ich es kann.

    • RS
      Ria Sauter
      @Stefan Schaaf:

      Dem schliesse ich mich an.



      Meine Enkelin bekam einnen Punkteabzug, da sie es in einem Vortrag nicht gendergenau ausgesprochen hatte. In einem Satz wohlgemerkt.



      Schöne Zeiten.