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Gegenseitige FürsorgeFüreinander einstehen wollen, verdient Anerkennung

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die neue Justizministerin Stefanie Hubig möchte eine Co-Mutterschaft erleichtern. Bei der gegenseitigen sozialen Absicherung sieht sie keinen Handlungsbedarf.

Verantwortung und Solidarität, ein Konzept, dass der Staat außerhalb klassischen Paarkonstrukten nicht anerkennen wird Foto: YAY Images/imago

W er etwas älter ist, wird lustigerweise öfter als in jüngeren Jahren zu Hochzeiten eingeladen. Da geben sich Menschen jenseits der 60, die nicht unbedingt ein romantisches Liebespaar wie in einer ZDF-Schmonzette abgeben, das sogenannte Jawort. Oder zwei alleinstehende Frauen, die sich als Nachbarinnen seit Jahrzehnten kennen. Selbst Menschen, die als Mutter und Sohn durchgehen könnten, lassen sich plötzlich trauen.

Warum? Weil sie sich gegenseitig absichern wollen. Das nicht nur finanziell, sondern in erster Linie für den berühmten „Notfall“: eine schwere Krankheit, ein Unfall, Unwägbarkeiten des (älteren) Lebens. Sie heiraten also, weil es in Deutschland momentan keine bessere Möglichkeit gibt, sich rechtlich gegenseitig abzusichern.

Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) täuscht sich also, wenn sie glaubt, dass Menschen, die keine klassische Liebesbeziehung miteinander haben, aber füreinander einstehen wollen, keine rechtliche Absicherung brauchen (oder wollen). Jedenfalls sieht sie in einem neuem „Rechtsinstitut“, das dies gewährleisten würde, keine Notwendigkeit. Es gebe dazu keine Rückmeldungen aus Wissenschaft und Gesellschaft.

SPD-Justizministerin Hubig könnte das Buschmann-Konzept weiterführen

Ja, wie auch? Wenn denjenigen, die gegenseitig Verantwortung übernehmen wollen, in Ermangelung von Alternativen nichts anderes übrig bleibt, als zu heiraten?

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Blicken wir kurz zurück, die gesellschaftliche Debatte war an dieser Stelle nämlich schon mal weiter. Als Marco Buschmann, FDP-Justizminister in der Ampelregierung, mit der Idee der „sozialen Verantwortungsgemeinschaft“ um die Ecke bog, befürworteten das nicht nur linke Kreise, sondern sogar Kri­ti­ke­r:in­nen der FDP. Denn dieses notariell beglaubigte Lebensmodell hätte beispielsweise ein Auskunftsrecht im Krankenhaus ermöglicht, ohne dass man dafür einen Ehering gebraucht hätte.

Jetzt werden Freun­d:in­nen und Nicht­part­ne­r:in­nen an den Klinikpforten mit dem Satz abgewiesen: „Sie sind nicht miteinander verwandt oder verheiratet, dann dürfen wir Ihnen leider nichts sagen.“

Man muss keine Freundin der FDP sein, um Buschmann mit seinem – durch das Ampel-Aus gescheiterten – Konzept recht zu geben. Denn es erkennt eine längst gelebte Realität an, die einen rechtlichen Rahmen verdient. Immer mehr ältere Menschen leben allein, die Zahl der Alleinerziehenden steigt, aktuell gibt es etwa 1,7 Millionen sogenannte Einelternfamilien mit minderjährigen Kindern. Das Buschmann-Konzept sah zudem vor, soziale Eltern rechtlich zu stärken. Also jene Mütter und Väter mit Kindern, die diese – beispielsweise in neuen Beziehungen – betreuen, aber nicht mit ihnen biologisch verwandt sind.

Die neue SPD-Justizministerin hätte das Buschmann-Konzept weiterführen können, ohne in den Verdacht zu geraten, es zu kopieren oder gar liberal daherzukommen. Das Konzept der automatischen Co-Mutterschaft lesbischer Paare befürwortet sie ja auch. Und das stammt ebenfalls aus der Feder ihres Vorgängers.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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3 Kommentare

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  • Ich würde das grundsätzlich befürworten, gerade bei Älteren könnte es aber auch sicher ausgenutzt werden.

    Ich wünsche mir auch schon seit langem eine Regelung, die einen von den biologischen, ungewollten Eltern befreien kann. Ich möchte nicht immer nach einem Fremden gefragt werden und für diesen Fremden auch keine Verantwortung übernehmen.

  • "Jetzt werden Freun­d:in­nen und Nicht­part­ne­r:in­nen an den Klinikpforten mit dem Satz abgewiesen: „Sie sind nicht miteinander verwandt oder verheiratet, dann dürfen wir Ihnen leider nichts sagen.“



    Das ist in der Praxis so nicht komplett "apodiktisch" durchzuhalten, wie es in der Theorie formal plausibel erscheint. Ein Krankenhaus ist kein Justizpalast und ÄrztInnen und Ärzte sind normal denkende Menschen, die Leid(en) mindern und nicht vermehren wollen.



    Das Zauberwort heißt in erster Linie ❗"Vollmacht", bis zur maximalen Generalvollmacht.



    www.sovd.de/filead...vollmacht-sovd.pdf



    Die Problematik ist tagtäglich allen aktiven Ärztinnen und Ärzten vollstens bewusst, sollte aber in der Breite der Bevölkerung auch ausreichend und in verständlicher Sprache kommuniziert werden. Dafür gibt es viele Anknüpfungspunkte im täglichen Leben, bei Vereinen, im Beruf, in Kirchen vs Gemeinden oder beim Besuch von Behörden in der Kommune.

  • Jetzt werden Freun­d:in­nen und Nicht­part­ne­r:in­nen an den Klinikpforten mit dem Satz abgewiesen: „Sie sind nicht miteinander verwandt oder verheiratet, dann dürfen wir Ihnen leider nichts sagen.“

    Vorsorgevollmacht genügt.



    Das Notvertretungsrecht seit 2023 ist umstritten.



    Im Allgemeinen gilt auch gegenüber dem Ehepartner die ärztliche Schweigepflicht.