Gegen Chinas wachsenden Einfluss: „Hongkongs Tod wird beschleunigt“

Zwei Gesetze treiben Hongkongs Demokratiebewegung auf die Straße. Doch mit den einigen hundert Demonstranten hat die Polizei leichtes Spiel.

Ein sehr junger Demonstrant ist von Polizisten umringt

Vor Hongkongs Parlament am Mittwoch: Polizei bedrängt zwei Schüler, die demonstrieren wollen Foto: Kin Cheung/AP/dpa

PEKING taz | Ein Großaufgebot von Polizisten hatte die Demonstranten erwartet. Als Hunderte Aktivisten im Stadtteil Central Sprechchöre anstimmten, fackelte der verlängerte Arm des Staats nicht lange. Mit Pfeffermunition schossen die Sicherheitskräfte auf die schwarz vermummten Demonstranten und nahmen 15 von ihnen fest. Noch ehe die Proteste begonnen konnten, waren sie schon aufgelöst.

Dass am Mittwoch erneut Hunderte Demonstranten auf die Straßen zogen, hatte mit der Parlamentsanhörung eines umstrittenen Gesetzes der Lokalregierung zu tun: Es soll den „Missbrauch“ der chinesischen Nationalhymne künftig unter Strafe stellen. Hongkongern, die den „Marsch der Freiwilligen“ genannte Hymne beleidigen, drohen bis zu drei Jahre Haft.

Doch ein noch umstritteneres Vorhaben stammt von der Zentralregierung in Peking, die derzeit beim Nationalen Volkskongress tagt. Dort werden die Kader der Kommunistischen Partei (KP) wohl am Donnerstag über ein nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong abstimmen.

Das Gesetz stellt „subversive“ und „separatistische“ Aktivitäten unter Strafe. Gerichtet ist es gegen das prodemokratische Lager, dessen Abgeordnete es als „Ende Hongkongs“ und seiner Autonomie bezeichnen. Zumal die KP damit künftig eigene Sicherheitskräfte in Hongkong einsetzen kann.

Angst davor, wie andere Städte Chinas zu sein

„Natürlich kann man nicht sagen, dass es das Ende Hongkongs ist, aber für mich persönlich wird dessen Tod beschleunigt“, sagt der Sozialarbeiter Lemon Fok. Der 34-Jährige beschreibt sich als moderater Anhänger der Protestbewegung: „Noch haben wir mehr Freiheiten, aber bald werden wir genau wie andere chinesische Städte sein.“

Unter seinen Bekannten herrsche eine Mischung aus Trauer, Wut und Enttäuschung. „Die KP ist immer aggressiver im Umgang mit Hongkong. Wir hoffen auf Interventionen aus dem Ausland, auch wenn ich nur schwer die Intentionen dahinter einschätzen kann“, sagt Fok.

Ausgerechnet auf US-Präsident Donald Trump liegen die Hoffnungen der Hongkonger Zivilgesellschaft. Der zeigte sich „verärgert“ über Peking und kündigte eine „starke Reaktion“ an, ohne sie zu benennen. Spekuliert wird über das Einfrieren von Konten chinesischer Regierungsvertreter, Einreiseverbote oder gar direkte Sanktionen.

Womöglich könnte Washington auch Hongkongs besonderen Handelsstatus, der die Sonderverwaltungszone von Strafzöllen befreit und sensible Technikimporte erlaubt, beenden.

US-Druck könnte zu globaler Rezession führen

Der Konflikt zwischen den zwei größten Volkswirtschaften könnte die globale Rezession verschärfen. Doch wird Trump kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA eine Verschärfung der Rezession riskieren? Schon jetzt schlagen sich die Spannungen auch an der Börse nieder: Ein Dollar wurde am Mittwoch mit 7,1734 Yuan bewertet, der tiefste Stand seit September, als der US-chinesische Handelskrieg eskalierte.

In China und seinen sozialen Medien ist die Nachricht relativ untergegangen. Vielleicht wollten die Zensurbehörden das Thema nicht zu groß werden lassen. Fast alle Online-Kommentare begrüßen jedoch die neuen Gesetze für Hongkong.

Zu den 15 festgenommenen Demonstranten meinte ein Nutzer: „Die Leute haben die Strafe verdient! In dieser speziellen Zeit machen sie weiterhin Probleme. Die Hongkonger Polizei tut mir leid. Ich hoffe, die neuen Gesetze werden so schnell wie möglich umgesetzt.“

Der bekannte Immobilien-Mogul Li Jiacheng sagt in einem Interview zum Sicherheitsgesetz: „Es wird positiv für die stabile, langfristige Entwicklung Hongkongs sein. Die Leute sollten nicht überreagieren: Jedes Land hat die Autorität, seine Sicherheit zu schützen.“

Für viele Hongkonger ist es dagegen ein Angriff auf ihre Freiheit. „Das Prinzip ‚ein Land, zwei Systeme‘ bedeutet, dass Hongkong für seine eigenen Angelegenheiten verantwortlich ist. Aber China hat viele Regeln in den letzten Jahren umgangen“, sagt der 36-jährige Leo Wong.

Er hat Hongkong schon für seine Promotion in Deutschland verlassen und arbeitet nun in Österreich in einer IT-Firma: „Bislang haben meist große Proteste die kontroversen Vorstöße Chinas im Zaum gehalten, aber mit dem neuen Gesetz fällt das letzte Stück der Zurückhaltung.“

Erwartungen an Europa

Für ihn waren die Proteste letztes Jahr ein Weckruf: „Ich war immer neutral, dachte, Kompromiss und Respekt gegenüber Peking sei der richtige Weg. Seit letztem Jahr glaube ich nicht mehr daran.“ Wenn er heute aus der Ferne die Proteste verfolge, fühle er Wut und Ohnmacht, selbst kaum helfen zu können, aber auch Stolz: „Die Bewegung hat uns geeint. Viele Dinge haben wir erreicht, die niemand für möglich gehalten hat.“

Vor allem von Europa erwartet er Unterstützung: „Europa ist stolz auf seine Freiheit und Menschenrechte. Doch wenn die Zeit gekommen ist, gegen Chinas Aggressionen aufzustehen, ist Europa nahezu stumm.“

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