US-Präsident Donald Trump: Drei Mittelfinger für Peking
Keine Kooperation mehr mit der angeblich China-hörigen WHO, keine Handelsvorteile mehr für Hongkong, weniger Visa für chinesische Studenten: Trump eskaliert.
Die Zusammenarbeit und Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation werde er einstellen, weil die UN-Organisation sich bei der Corona-Pandemie von Peking habe beeinflussen lassen, verkündete er am Freitag. Hongkong würden Handelsvorteile gestrichen, weil ein sogenanntes chinesisches Sicherheitsgesetz Bürgerrechte und Demokratie in dereinstigen britischen Kronkolonie schmälern werde. Und chinesischen Studenten würden keine Visa mehr erteilt, wenn diese im Verdacht stünden, Teil einer Regierungskampagne zu sein, sich Wissen über Handel und Forschung für die militärische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas aneignen zu wollen.
Die WHO habe sich von China benutzen lassen, die Gefährlichkeit des Coronavirus Sars COV-2 zu Beginn der Pandemie klein zu reden, erläuterte Trump. Peking habe seine Berichtspflichten an die WHO ignoriert und die Öffentlichkeit über das Ausmaß des Ausbruchs in Wuhan getäuscht, der zur Pandemie wurde und allein in den USA zum Tod von mehr als 100.000 Menschen geführt habe. Seiner Aufforderung nach Reformen der WHO sei die Organisation nicht nachgekommen.
Trump sagte, die USA zahlten etwa 450 Millionen Dollar (rund 405 Millionen Euro) an die WHO, China aber nur rund 40 Millionen. Sein Land werde den bisherigen Beitrag für andere dringende Gesundheitsaufgaben weltweit ausgeben, die dies verdienten. Einzelheiten dazu nannte Trump nicht.
Die oppositionellen Demokraten hatten schon bei der Drohung Trumps mit dem Abbruch der Zusammenarbeit mit der WHO im April erklärt, dass dieser ohne Einbindung des Kongresses rechtlich keinen Bestand habe. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bezeichnete Trumps Vorgehen am Freitag als „Akt außerordentlicher Sinnlosigkeit“.
EU warnt vor Bruch mit Weltgesundheitsorganisation
Unterdessen hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen US-Präsident Donald Trump aufgefordert, den angekündigten Bruch mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zu überdenken. Im Kampf gegen das Coronavirus helfe nur globale Zusammenarbeit und Solidarität, erklärte von der Leyen am Samstag gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.
„Die WHO muss weiter in der Lage sein, die internationale Reaktion auf jetzige und künftige Pandemien anzuführen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Dafür nötig sei die Teilnahme und Unterstützung aller. „Alles, was internationale Ergebnisse schwächt, muss vermieden werden. In diesem Kontext drängen wir die USA, ihre angekündigte Entscheidung zu überdenken.“
Von der Leyen und Borrell schrieben, die Europäische Union unterstütze die WHO weiter im Kampf gegen die Pandemie und habe bereits zusätzliches Geld zugesagt. Am 19. Mai hätten alle WHO-Mitgliedsstaaten beschlossen, so bald wie möglich eine unparteiische, unabhängige und umfassende Bewertung einzuleiten und die Lehren aus der internationalen Reaktion auf das Coronavirus zu ziehen. Dies sei nötig, um den Gesundheitsschutz zu stärken.
Hongkongs Regierung bestreitet Autonomieverlust
Zu Hongkong sagte Trump, seine Regierung werde damit beginnen, die „ganze Palette“ von Absprachen zu beseitigen, mit denen die USA Hongkong eine Sonderstellung im Vergleich zum chinesischen Kernland einräumen. Das Außenministerium werde eine Warnung an US-Bürger aussprechen, dass sie überwacht oder festgenommen werden könnten, wenn sie Hongkong besuchen.
Der chinesische Volkskongress hatte ein Gesetz zur inneren Sicherheit gebilligt, das oppositionelle politische Aktivitäten und die Zivilgesellschaft in Hongkong stark einschränken könnte. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte in einer Einschätzung für den Kongress am Mittwoch, das Gesetz untergrabe Hongkongs Autonomie und Freiheiten.
Hongkongs Regierung kritisierte am Samstag das Vorgehen der USA. Justizchefin Teresa Cheng bezeichnete es als „nicht akzeptabel“. Die Einführung eines nationalen Sicherheitsgesetzes bedeute nicht das Ende des Grundsatzes „ein Land, zwei Systeme“.
„Es wird behauptet, dass wir jetzt „ein Land, ein System“ werden und unsere Autonomie verloren haben“, sagte Cheng: „Das ist völlig falsch“. Die nationalen Sicherheit sei auch in jedem anderen Land der Welt eine Angelegenheit der zentralen Regierung.
Enttäuscht über die Ankündigung von Trump zeigte sich die US-Handelskammer in Hongkong (AmCham). Es sei ein „trauriger Tag“, erklärte AmCham-Präsidentin Tara Joseph: „Dies ist ein emotionaler Moment für Amerikaner in Hongkong und es wird eine Weile dauern, bis Unternehmen und Familien die Folgen verdaut haben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?