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Gambia verklagt MyanmarSuu Kyi verteidigt Genozid

Myanmars Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verteidigt persönlich in Den Haag die Verbrechen des mächtigen Militärs gegen die Rohingya.

Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin und De-facto-Regierungschefin von Myanmar Foto: Cathal McNaughton/reuters

DELHI taz | Sie lächelte dezent, als sie wie immer graziös aus dem Flugzeug trat. Doch ihre Mission ist alles andere als graziös. Myanmars Friedensnobelpreisträgerin und De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi ist am Montag in den Niederlanden gelandet, um die Generäle ihres Landes vor dem Internationalen Gerichtshof gegen den Vorwurf des Völkermords an den Rohingya zu verteidigen. Am Dienstag startet das Verfahren in Den Haag.

Es ist das erste Mal, dass Myanmars Militär sich vor einem unabhängigen Gericht für seine Gräueltaten gegen die muslimische Minderheit verantworten muss. Der Fall wurde von dem kleinen islamischen westafrikanischen Staat Gambia angestrebt und wird von der Organisation Islamischer Kooperation unterstützt. Die meisten Birmesen hatten zuvor von Gambia noch nie gehört.

„Die Anhörungen diese Woche vor dem Internationalen Gerichtshof sind ein Meilenstein auf der Suche nach Gerechtigkeit für einige der schockierendsten Gräueltaten unserer Zeit“, erklärte Michael McGrath, Myanmar-Direktor der Nichregierungsorganisation Save the Children.

Zehntausende Rohingya sollen 2017 nach jahrzehntelanger Verfolgung von Soldaten und ihren buddhistischen Nachbarn umgebracht worden sein. Über eine Million flohen und harren nun im benachbarten Bangladesch in Flüchtlingslagern aus. Ang San Suu Kyis Regierung verteidigte die Militäroperation als legitime Antwort auf Angriffe aufständischer Rohingya.

Aung San Suu Kyis Unterstützung für das Militär ist eine Ironie

Während Aung San Suu Kyi, die offiziell Staatsrätin und Außenministerin ist, deshalb im Westen zunehmend zur Persona non grata geworden ist, gilt sie zu Hause einer Mehrheit nach wie vor als Heldin. Je mehr die Lady, wie sie genannt wird, und das Militär international kritisiert werden, desto mehr scheinen viele Birmesen sich bemüßigt zu fühlen, ihnen den Rücken zu stärken.

Tausende versammelten sich in den vergangenen Tagen in der Metropole Yangon und der Hauptstadt Naypyitaw, um ihre Unterstützung zu demonstrieren. In mehreren Teilen des Landes wurden Plakatwände mit dem Titel „Steht hinter Aung San Suu Kyi!“ aufgestellt. Ein Reiseveranstalter organisierte sogar einen Trip für Unterstützer der verehrten Mutter der Nation zum Gerichtstermin in Den Haag, Touristenprogramm inklusive.

Die Völkermord-Vorwürfe hält man für eine böswillige Kampagne des Auslands gegen Myanmar. Die Rohingya, die in dem mehrheitlich buddhistischen Staat seit Jahrzehnten als illegale Einwanderer und Terroristen gebrandmarkt werden und zu einem großen Teil im westlichen Rakhine-Staat in Lager gesperrt sind, hat kaum ein Birmese jemals persönlich getroffen.

Dass ausgerechnet Aung San Suu Kyi jetzt die Verbrechen von Myanmars Militär verteidigt, empfinden nicht wenige als Ironie. Jahrelang stellte genau dieses mächtige Militär sie unter Hausarrest und verhinderte bis zuletzt erfolgreich, dass sie Präsidentin des Landes werden konnte. Doch jetzt scheinen sich beide gegenseitig im birmanisch-buddhistischen Nationalismus übertrumpfen zu wollen. Und beide berufen sich auf Myanmars Unabhängigkeitshelden General Aung San. Er war der Vater der Friedensnobelpreisträgerin und Gründer des Militärs.

Myanmars Regierung und Militär betonen regelmäßig, dass sie den Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen selbst nachgehen, und verbitten sich jegliche Einmischung der internationalen Gemeinschaft.

Kaum Strafen für Mörder in Uniform

Doch sieben Soldaten, die wegen eines Massakers an zehn Rohingya-Männern im vergangenen Jahr zu zehn Jahren Haft verurteilt worden waren, kamen schon nach wenigen Monaten wieder frei. Sie verbüßten weniger Zeit im Gefängnis als die beiden Reuters-Reporter, die das Massaker aufgedeckt hatten.

Während der drei Anhörungstage in Den Haag wird es zunächst darum gehen, ob die 16 Richter sogenannte vorläufige Maßnahmen gegen Myanmar einleiten können, um den Völkermord schnellstmöglich zu stoppen.

Denn die Verbrechen in Myanmars westlichem Rakhine-Staat gehen weiter. Die in Bangkok ansässige Menschenrechtsorganisation Fortify Rights hat auch nach der Ankündigung des Verfahrens noch Zwangsarbeit, Gewalt, willkürliche Verhaftungen und Erpressung dokumentiert. „Die Rohingya in Myanmar sind immer noch in großer Gefahr“, sagt Matthew Smith von Fortify Rights.

Dieselben Militärs, die für den Völkermord an den Rohingya verantwortlich gemacht werden, begehen inzwischen auch Menschenrechtsverletzungen an der buddhistischen Ethnie der Rakhine. Amnesty International spricht von Kriegsverbrechen. Im September dokumentierte auch die taz in Rakhine Folter, willkürliche Verhaftungen und Angriffe auf Zivilisten.

Rechenschaft ist nicht nur wichtig, um dem Militär endlich Einhalt zu gebieten. „Wir haben einen Völkermord überlebt. Lasst uns wenigstens vor Gericht nicht im Stich“, sagt Mayyu Ali, ein Rohingya, der 2017 nach Bangladesch floh.

Das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof ist nur eines von insgesamt drei internationalen juristischen Vorstößen gegen Myanmar.

Der ebenfalls in Den Haag ansässige Internationale Strafgerichtshof untersucht, inwieweit er Myanmar zur Rechenschaft ziehen kann. Außerdem haben Menschenrechtsgruppen in Argentinien ein Verfahren eingeleitet, in dem Aung San Suu Kyi persönlich im Fokus steht.

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15 Kommentare

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  • Stets Freitags wurden die Drohnenmorde von US-Präsident a.D. Barak Obama angeordnet. In seiner Amtszeit vielen je nach Angabe zwischen 2.400 bis 4.452 Menschen diesen Drohnenmorde zum Opfer.

    Scheint irgendwie eine komische Motte zu sein, dass Massenmörder mit dem Nobelpreis für Frieden ausgezeichnet werden.



    Was diese Frau Aung San Suu Kyi anbelangt, die offensichtlich den Massenmord an Zivilisten versucht reinzuwaschen, sollte ohne Rücksicht auf diplomatische Regeln die sofortige Verhaftung angeordnet werden, damit ihr der faire Prozess gemacht werden kann.

    • @Nico Frank:

      Ihnen ist schon klar, dass der IGH niemanden verhaftet?

      Der ist nicht der Internationale Strafgerichtshof, der auch in Den Haag sitzt und an dem werden traditionell nur Afrikaner angeklagt und verurteilt.

      • @Sven Günther:

        May be.

        Aber nur - weil usa & Israel - dess scheun - sorry - wie der Teufel das Weihwasser. Gellewelle&Wollnichwoll.

        unterm—- mal davon.



        Heute - ungewohnt - die nur einseitig eiglasige Brille gegriffen - wa.



        Naja - das läßt sich ja ändern.

        kurz - Nur Mut - das wird.

        (ps - aber der noch - se sann da mit ollen Kiffnase Rudolf Aaagstein - “…typisch verblasene Diplomatenidee mit dem letzten Wiskey am Kamin“ - in bester Gesellschaft.



        Aber dem hatte ja schon Hans Mayer zum 70. reingerieben - “…er solle doch bitte aufhören - so wild mit den nationalen Fähnchen rumzufuchteln.“

        kurz2 - Wünsche ein paar - gern auch geistige - verschärfte Sit-ups - hück. 🗽



        Dank im Voraus - 🥳

        • @Lowandorder:

          Bevor wir hier einen Kessel Buntes anrühren, das praktisch nur gegen Afrikaner ermittelt wird, ist ja keine Verschwörungstheorie von mir und hat mit Israel erstmal nichts zu tun.

          Bisher sind 22 Fälle oder Vorermittlungen am ICC gelandet.

          Fälle: Demokratischen Republik Kongo, Uganda, Mali, zweimal von der Zentralafrikanischen Republik, Sudan, Lybien, Kenia, Elfenbeinküste und Georgien.

          Vorermittlungen gab oder gibt es in Afghanistan, Burundi, Guinea, Kolumbien, Irak, Nigeria, Israel/Palästina, Ukraine, Venezuela, Südkorea, Komoren und Honduras.

          Von den 10 Fällen sind 9 aus Afrika und 1 aus Europa, das fanden dann doch auch andere Leute merkwürdig.

          www.deutschlandfun...:article_id=372077

          Zu Israel, die Anderen machen ja auch nicht mit, außer Jordanien keiner im Nahen Osten, ist immer ein schwaches Argument, da man zugibt im Unrecht zu sein, die Anderen aber ebenfalls.

          Ist hier Israel grundsätzlich im Unrecht, ich glaube ja.

          "Zum ersten Mal in der Geschichte richten nicht die Sieger über die Besiegten. Die gesamte internationale Gemeinschaft urteilt über jene, die internationales Recht krass verletzen."

          Sagte damals der russische Vorsitzende des ICTY. Nun sind inzwischen alle Verfahren abgeschlossen, der Laden ist zu.

          Würden Sie sagen, dort sind alle, gleich welcher Nationalität sie waren, behandelt und verurteilt worden? Wurde in alle Richtungen ermittelt, ich denke da an Länder die einem Bündnis mit 4 Buchstaben angehören oder galt für alle das gleiche Strafmaß?

          • @Sven Günther:

            Jung - laß eh ich in Orpheus Arme sinke - meine “Ein Groschen für Mozart“ - verklingen & die Neige Weißer zu Neige:

            Mal wieder singen:



            Recht in allen Formen - ist jenseits aller Normen Menschenwerk!! Nothing else.



            Was ist daran - mit Verlaub - Verkehrt?



            & Das! - mit Verlaub - & nicht leichthin -



            Is ne Menge - wa! & Mehr ist nicht drin •

            Nö. Aber ehra leicht durchsichtig -



            (Se jungspundig 0/1er - hams da leight!) Apologetische Folie - tun‘s mal auf Seit!



            Besser is das & Sose - sach ich ehna was:



            “Jung - mach die Augen auf.



            Dann siehste mehr!“ Wußte er -



            Jurist wie u.a. Tucho & Hildenbrandts Dieter - feiner Kabarettist - wie ein Günter Schramm 😈 - Gellewelle.



            (& bescheiden angemerkt - auch dieser;)

            & sodele - ich gähn & göhn -



            Ein andermal - & beehrens uns gern mal wieder - 👺 - … schön … 💤💤💤

            • @Lowandorder:

              "Recht in allen Formen - ist jenseits aller Normen Menschenwerk!! Nothing else."

              Ja, aber warum sollte ich mich freiwillig einem Gericht unterwerfen, von dem ich mit relativer Sicherheit unfair behandelt werde?

              Und wer hier die Augen verschließt oder durch seine dogmatische Brille schaut, ist höchstwahrscheinlich eine Frage des Blickwinkels.

              • @Sven Günther:

                Die Antwort geben‘s doch fein selbst:

                “ Zu Israel, die Anderen machen ja auch nicht mit, außer Jordanien keiner im Nahen Osten, ist immer ein schwaches Argument, da man zugibt im Unrecht zu sein, die Anderen aber ebenfalls.



                Ist hier Israel grundsätzlich im Unrecht, ich glaube ja.…“

                …anschließe mich.

  • Bringen wir es auf den Punkt: Aung San Suu Kyi ist eine totale Enttäuschung. Total überhypt in den 90er...

  • Nur weil diese Dame einmal den Nobelpreis für Frieden bekommen hat, heißt es ja nicht dass sie für den Rest ihres Lebens ein Gutmensch zu sein hat.



    Und abgesehen davon ist ihr Risiko überschaubar einen bleibenden Imageschaden zu bekommen. Sind ja nur Moslems diese Rohingya.



    Wenn das aber eine christliche Minderheit wäre, ja dann würde es funken. Frau Suu Kyi hätte man gleich am Flughafen verhaftet und in die Zelle neben Milosevic gesteckt. Da hätten die beiden sich austauschen können und in Erinnerungen schwelgen.

    • @chinamen:

      Diese graziöse Massenverbrecherin zeigt, dass Frauen nicht die besseren Politikerinnen sind - das ist geradezu katastrophal, was dieses lächelnde Monster da hinlegt!

  • Hier der Bericht von Amnesty International zu den Vorfällen, die zur Vertreibung der Rohingya führten:



    www.heise.de/tp/fe...Birma-4056103.html



    www.amnesty.org/en...-in-rakhine-state/

  • Ein Fall von Stockholm-Syndrom?

    • @Joe Brother i.a.:

      Ein bitterböses Beispiel von Nationalismus, der in so mancher Befreiungsbewegung schlummert - "Volksbefreiung" ist seit jeher ein Problem.

  • Frieden, aber nur für mein Volk.



    Gerechtigkeit, aber nur für mein Volk.



    Menschenrechte, aber nur für mein Volk.

    Frau Aung San Suu Kyi reiht sich damit in die lange Liste der heroischen Heuchler der Menschheit ein. Wer nicht für die Universalität der Menschenrechte eintritt, ist selbst ein Despot.

  • Na Servus & Däh!

    “ Myanmars Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verteidigt persönlich in Den Haag die Verbrechen des mächtigen Militärs gegen die Rohingya.“

    kurz - Dat hand‘ke ich mir doch gleich denkt. 👹

    Na Mahlzeit