GLS-Konto für Ken Jebsen: Auch zum Coronaleugner sozial
Die GLS-Bank bewirbt sich als besonders ethisch, bietet aber dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen ein Konto – und beantwortet dazu keine Fragen.
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Mit ihrem ethischen Anspruch wirbt die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS) gern auf allen Kanälen. „Geld ist für die Menschen da“, lautet der Hauptwerbespruch des Kreditinstituts mit Hauptsitz in Bochum. Offensiv wirbt die Bank mit von ihr finanzierten Projekten etwa aus den Bereichen Ökolandwirtschaft, erneuerbare Energien oder klimaneutrales Bauen. „Ausschließlich sozial und ökologisch“ wirke die Eröffnung eines Kontos bei der GLS, verspricht die Bank auch in den Schaufenstern ihrer Geschäftsstellen – ein Kontowechsel sei schlicht eine Frage der „Haltung“.
Wenig Haltung zeigt die Bank dagegen bei einem ihrer bekanntesten Kunden: Ausgerechnet dem Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner Ken Jebsen bietet die GLS eine Geschäftsverbindung. Jebsen, dessen Sendung „KenFM“ nach Antisemitismusvorwürfen schon 2011 aus dem Radioprogramm des RBB geworfen wurde und der seitdem im Internet weitermacht, bittet offensiv um Spenden für sein wirres Nachrichtenportal – am besten sei ein „monatlicher Dauerauftrag“ auf ein Konto bei der GLS, heißt es auf seiner Website.
Nur der biete „Planungssicherheit“ für seinen hetzerischen, pseudojournalistischen Kanal, der durchaus an Einfluss gewinnt, schreibt Jebsen: Zuletzt ging ein Video viral, in dem der 54-Jährige mit dem bürgerlichem Namen Kayvan Soufi Siavash warnt, die Coronabeschränkungen seien ein „Skandal“ und mit der „Machtergreifung“ Hitlers vergleichbar.
Die Weltgesundheitsorganisation, die Bundesregierung, das Robert-Koch-Institut und Medien wie Spiegel und Zeit seien „korrupt“ und von der Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates gekauft, argumentiert Jebsen ernsthaft. Bill und seine Frau Melinda Gates hätten „inzwischen mehr Macht als seinerzeit Roosevelt, Churchill, Hitler und Stalin gemeinsam“, tönt der 1966 in Krefeld geborene Jebsen – und warnt vor der „Verpflichtung“ zu Zwangsimpfungen, die das Ehepaar durchsetzen wolle.
Pseudojournalist mit völlig überzogenen Zahlen
Zwar haben Faktenchecks etwa des ZDF, des SWR, des Focus oder des Recherchezentrums Correctiv längst ergeben, dass der Pseudojournalist mit völlig überzogenen Zahlen um sich wirft: So behauptet er etwa, die Gates Foundation finanziere die Weltgesundheitsorganisation WHO zu „80 Prozent“ – in Wahrheit trägt die Stiftung nur 10 Prozent zum Etat der UN-Organisation bei, der US-Präsident Donald Trump mitten in der Pandemie die Unterstützung entzogen hat. Die Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner Deutschlands erreicht Jebsen dennoch: Das Video wurde millionenfach aufgerufen.
Umso unverständlicher bleibt, dass ausgerechnet die ökosoziale GLS Jebsen Unterstützung bietet. Zwar gibt es daran in Netzwerken wie Twitter schon seit Monaten Kritik, zwar bestätigt ein Banksprecher das Bestehen der Kontoverbindung. Warum diese nicht gekündigt wird, bleibt dagegen offen: Einen zehn Punkte umfassenden Fragenkatalog der taz ließ das Kreditinstitut trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet: „Zu dem Sachverhalt äußern wir uns nicht“, heißt es aus der GLS-Zentrale lediglich.
Unklar bleibt deshalb, ob die GLS-Führung um Vorstandssprecher Thomas Jorberg glaubt, Jebsen könne sich bei einer Kontokündigung als Opfer und Märtyrer stilisieren – oder insgeheim fürchtet, dass nicht wenige Kund*innen Sympathisant*innen Jebsens sein könnten. Immerhin: Zum Thema Corona verweist die GLS auf Videos, die klarmachen, dass der Bankvorstand um Jorberg die Pandemie durchaus ernst nimmt: Viele GLS-Mitarbeiter*innen seien im Homeoffice, erklärt der GLS-Chef darin – und verspricht coronagebeutelten Kund*innen unbürokratische Hilfe.
Nicht beantwortet werden dagegen die Fragen, seit wann die Geschäftsverbindung zu Jebsen besteht und warum der überhaupt in den Kund*innenkreis aufgenommen wurde. Auch die naheliegende Warnung, die Zusammenarbeit mit Jebsen könne zu einem heftigen Imageschaden für die laut Eigenwerbung „nachhaltige“ Bank führen, will die GLS nicht kommentieren. Dass der droht, dürfte den Bochumern aber durchaus klar sein: Ein Konto, das ausgerechnet die AfD-nahe Desiderius-Stiftung bei ihnen eröffnet hatte, kündigten sie schon im Jahr 2018 hektisch – nach einem taz-Bericht.
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