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Macht von ElitenFrüher Kaste, heute Code

Matthias Kalle

Essay von

Matthias Kalle

Epstein-Files oder Tegernsee-Connection: Die Mächtigen spielen nach ihren eigenen Regeln. Warum wir dieses kaputte System bekämpfen müssen.

Die Spiele der Mächtigen finden im Hinterzimmer statt Foto: Mark Peterson/Redux/laif

S tellen Sie sich bitte einmal Folgendes vor: Es existiert ein Foto, auf dem ein amtierender Präsident eines Staates einen ehemaligen Präsidenten desselben Staates oral befriedigt, und dieses Foto wurde dem Präsidenten eines anderen, möglicherweise verfeindeten Staates zugespielt. Oder stellen Sie sich vor, dass sich ein sehr reicher Mann, besessen vom Erreichen der eigenen Unsterblichkeit, das Blut seines 20-jährigen Geliebten spritzt in der Hoffnung, dass es sich dabei um eine lebensverlängernde Maßnahme handeln könnte.

Oder, wahrscheinlich etwas leichter vorstellbar, dass sich irgendwo, an einem wunderschönen Ort, mächtige Menschen treffen und viel Geld dafür bezahlen, mit noch mächtigeren Menschen ins Gespräch zu kommen. Bei wunderschönem Ausblick auf Berge und Seen und fantastischem Essen, organisiert von einem guten Freund eines Regierungschefs, der wiederum seinen guten Freund zum Teil seiner Regierung macht.

Können Sie sich das alles vorstellen?

Natürlich können Sie. Denn genau diese Mischung aus Unwahrscheinlichkeit und Wahrscheinlichkeit ist die Signatur unserer Gegenwart. Und damit sind wir mittendrin in einem jahrtausendealten Problem, für das es offenbar keine Lösung gibt. Weil es kein wirkliches Interesse an einer Lösung gibt, weil die, die es lösen könnten, eben Teil dieses Problems sind.

Die Sache mit dem Foto ist ein Gerücht, das seit der vergangenen Woche im Zuge der teilweise veröffentlichten Epstein-Files durchs Internet kursiert. Die Sache mit dem Blut hat der Milliardär Peter Thiel von sich selbst erzählt und die Sache mit dem wunderschönen Ort ist die sogenannte Tegernsee-Connection, offizieller und weniger konspirativ auch „Ludwig-Erhard-Gipfel“ genannt.

wochentaz

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Jetzt könnte man verwundert und angewidert den Kopf schütteln und sich ein bisschen über die „Eliten“ aufregen. Oder aber man versucht zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte – zu diesen „Eliten“ und ihren Zirkeln und ihrem Verhalten. Vielleicht muss man ein System erst verstehen, bevor man es verändern kann?

Es gab schon immer Gesellschaften im Zwischengeschoss des Lebens, die sich zwischen Gesetz und Gewohnheitsrecht, zwischen Öffentlichkeit und Ohnmacht, zwischen Politik, Kapital, Einfluss und Moral bewegt haben. Die Menschen dieser Gesellschaften treffen sich in Lounges und Aufsichtsräten, auf Panels, Inseln, bei Banketts und in Hintergrundkreisen. Sie bilden Netzwerke und kriminelle Strukturen und ihre Dekadenz findet im Verborgenen statt. Manchmal aber werden ihre Machenschaften öffentlich. Manchmal bekommen Gesellschaften Namen. Zum Beispiel Jeffrey Epstein.

Epsteins Netzwerk überlebte

Epstein war ein amerikanischer Finanzier, der 2008 erstmals wegen Missbrauchs Minderjähriger verurteilt wurde und ab 2019 erneut in Untersuchungshaft saß. Sein eigentlicher Einfluss beruhte nicht auf seinem Vermögen, sondern auf seinem Netzwerk: Er vermittelte Kontakte zwischen Wirtschaftsgrößen, Politikern, Wissenschaftlern und Unterhaltungseliten – oft in einem Graubereich zwischen Privileg, Macht und sexuellem Missbrauch. So entstand ein verstörendes Netzwerk, in dem junge Mädchen und Frauen an Promis weitergereicht wurden. Im August 2019 starb Epstein in U-Haft unter bis heute umstrittenen Umständen. Entscheidend für diesen Text ist jedoch nicht sein Tod – sondern das Netzwerk, das ihn überlebte.

Die „Epstein Files“, 33.000 Seiten aus E-Mails, Gästelisten und Hinweisen zu Geldströmen, beweisen, dass selbst nach Epsteins Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs führende Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler und Medienleute weiterhin seine Nähe suchten. Nicht wegen seiner Schuld, sondern wegen seines Zugangs. Epstein war nicht nur Täter. Er war eine Art Verbindungstür: zwischen Harvard und Hollywood, zwischen Regierung und Finanzwelt. Epsteins Wert lag nicht in seiner Person, sondern in seiner Funktion.

Das Gleiche gilt auch, wenn auch anders gelagert, für Wolfram Weimer. An seinem Wohnort am Tegernsee veranstaltet seine „Weimer Media Group“ den „Ludwig-Erhard-Gipfel“, ein Treffen, das sich als liberaler Leuchtturm inszeniert. Doch der Zugang zu diesem Leuchtturm kostet, von mehreren zehntausend Euro ist die Rede. Das Ganze wurde eingefädelt von Wolfram Weimer, dem heutigen Kulturstaatsminister, damals Miteigentümer der Mediengruppe.

Trias aus Status, Rolle und Selbstanspruch

Ein Vorgang, der eigentlich jede demokratische Alarmstufe auslösen müsste – wenn man sich nicht längst an ähnliche Fälle gewöhnt hätte. Die Frage scheint naheliegend: Wie kaputt ist die Elite? Doch diese Frage setzt voraus, dass es sie als abgegrenzte, moralisch adressierbare Gruppe überhaupt noch gibt. So wie einst den Adel, die Monarchie oder den Klerus. Doch was, wenn die moderne Elite keine Gruppe mehr ist? Sondern ein Betriebssystem? Eine Funktionslogik, die Personen austauscht wie Softwaremodule – und gerade deshalb unkontrollierbar wird?

Historisch war Elite immer eine Trias aus Status, Rolle und Selbstanspruch. Der römische Senat erklärte sich zum moralischen Rückgrat der Republik – und betrieb Menschenhandel. Das Ancien Régime legitimierte Privilegien mit göttlicher Ordnung – und verteidigte sie bis zur Revolution. Im Dritten Reich entstand eine Elite, deren einziges Kriterium die Loyalität zur Vernichtungsideologie war. In all diesen Epochen galt: Für die Elite gelten andere Regeln. Nicht nur beim Zugang zu Ressourcen, sondern auch zur Moral. Was für die Masse als Sünde galt, konnte in oberen Kreisen als Souveränität erscheinen. Oder anders formuliert: Wenn man von Gott auserwählt wurde, dann gelten die Regeln ebenjener Auserwählten, ganz gleich, ob diese Regeln unmoralisch oder juristisch nicht zu halten sind.

Doch diese alte Logik trägt nur bis zu einem gewissen Punkt. Dahinter beginnt etwas Neues – und Gefährlicheres. Die Elite der Gegenwart funktioniert fundamental anders. Sie ist keine Kaste, kein Stand, kein Zirkel. Sie ist ein Netzwerk: ein Geflecht aus ökonomischem Kapital, politischem Einfluss, technologischer Infrastruktur und kulturellem Symbolkapital. Wer dazugehört, muss nicht reich oder adlig oder gewählt sein. Er muss nützlich, verknüpft und verfügbar sein. Denn was früher Herkunft war, ist heute Zugang. Was früher Kaste war, ist heute Code. Und was früher Loyalität war, ist heute Funktion. Diese Struktur lässt sich exemplarisch an zwei Fällen zeigen – einem brutalen und einem subtilen.

Immer wieder dieselbe Logik – auch international

Epstein zeigt diese Struktur in ihrer düstersten Form. Sein Einfluss beruhte auf der von ihm geschaffenen Infrastruktur: Er konnte Türen öffnen, Risiken dämpfen, Vorteile vermitteln. Der Tegernseer „Gipfel“ zeigt dieselbe Logik – subtiler, aber nicht weniger deutlich. Dort ist nicht ein Minister das Problem oder ein Unternehmer, sondern die Ökonomisierung politischer Nähe: Politik als Service und Zugang als Ware.

Diese Logik wiederholt sich global. In der Ukraine verschwinden Millionen aus Rüstungsbudgets in privaten Kanälen, während an der Front gestorben wird. Russische Oligarchen gehen auf Shoppingtour in Paris, obwohl im eigenen Land westliche Dekadenz zur Staatsdoktrin des Feindbilds erklärt wird. Überall entstehen Parallelgesellschaften der Einflussreichen, die von den Krisen profitieren, die sie öffentlich beklagen. Und überall zeigt sich dabei, dass sich die moderne Elite nicht mehr an Nationen orientiert, sondern an Netzwerken. Deshalb fühlen sie sich auch dem Gemeinwohl nicht mehr verpflichtet – sondern nur noch ihrem Netzwerk. Es geht ihnen nicht mehr um Verantwortung, sondern um Risikodiversifikation.

An dieser Stelle – Sie ahnen es wahrscheinlich – muss man einmal kurz innehalten, sehr exakt werden und mögliche Einfallstore für antisemitische Verschwörungstheorien mit Schwung aus dem Weg räumen. Denn die Bilder von „Strippenziehern“, „Schattenmächten“ oder „globalistischen Kräften“, die im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten von „Eliten“ auftauchen, führen hier nicht weiter, weil sie reale Machtkritik mit antisemitischer Projektion vermischen.

„Hollywood“ galt und gilt bis heute als „jüdisch“, ebenso „die Finanzwelt“ und „die Medien“. Das ist aber natürlich ein ideologischer Kurzschluss, der Strukturen ethnisiert und die Verantwortung personalisiert. Deshalb braucht es absolute Präzision: Es gibt wirtschaftliche, politische, kulturelle, technologische Eliten. Sie überschneiden sich, aber sie sind nicht homogen. Wer aber das vermischt, will keine Analyse, sondern Hetze.

Elite sortiert, selektiert, priorisiert, schließt ein und aus

Was also ist die Elite der Gegenwart, um die es geht? Vielleicht hilft bei der Suche nach einer Antwort ein Bild: Die moderne Elite ähnelt weniger einem Adel als einem Algorithmus. Sie sortiert, selektiert, priorisiert, schließt ein und aus. Sie ist Infrastruktur. Sie belohnt diejenigen, die nützlich sind, und sie ersetzt diejenigen, die riskant werden. Denn es ist ja nicht das Hauptproblem, dass Eliten moralisch verkommen wären. Das waren sie oft – eigentlich immer –, und sie sind es natürlich immer noch. Das Problem heute ist, dass wir falsche Kategorien benutzen. Wir sprechen immer noch von Personen, von Gruppen – dabei sind es Systeme und Strukturen.

Diese Strukturen existieren auch dort, wo man sie gar nicht als „Elite“ erkennen würde. Der Fall von Dominique Pelicot zeigt das zum Beispiel: Niemand würde auf die Idee kommen, dass die Männer, die die Frau betäubten, um sie dann zu vergewaltigen, Teile einer Art von Elite waren. Aber sie waren Teil eines Systems, einer Struktur.

Der Fall Epstein zeigt das. Nicht Epstein war mächtig, sondern das System, das er aufgebaut hatte und das ohne ihn weiter lief. Der Tegernseer „Gipfel“ zeigt es eleganter: Der Minister ist austauschbar, der Eventbetrieb nicht. Der Wert liegt im Zugang, nicht im Amt. Deshalb ist die Frage, wie kaputt die Elite ist, nicht ganz korrekt und auch, zugegebenermaßen, etwas populistisch.

Eigentlich müsste die Frage lauten, wie kaputt unser Begriff von Elite ist. Denn wir glauben immer noch, dass Macht ein Merkmal von Menschen sei, und nicht das Produkt von Strukturen. Deshalb ist es auch beinahe egal, wer wen oral befriedigt hat und wer sich mit wem weshalb getroffen hat. Nicht egal hingegen ist: Welche Systeme produzieren diese Treffen? Welche Mechanismen machen sie notwendig? Und welche Finanzierungen machen sie möglich?

Netzwerke müssen sichtbar werden

Um es leicht platt auszudrücken: Wer politischen Zugang organisiert, darf nicht gleichzeitig von politischen Entscheidungen profitieren. Führung darf nicht länger eine Belohnung sein, sondern eine Bürde. Und die Öffentlichkeit muss der Ort sein, an dem Macht verhandelt wird. Und eben nicht die Hinterzimmer. Denn eine Demokratie, die ihre Eliten nur als Menschen sieht, aber nicht als Strukturen, wird immer enttäuscht werden. Die eigentliche Aufgabe besteht nicht darin, die Mächtigen zu moralischeren Menschen zu erziehen. Die Systeme, die sie hervorbringen, müssen sich ändern.

Wie kann das gelingen? Indem die Opfer dieser Systeme laut werden, man ihnen zuhört und sie unterstützt. Im Fall von Epstein schlossen sich Opfer zusammen, klagten gemeinsam, veröffentlichten ihre Berichte und zwangen damit ein Netzwerk ans Licht, das jahrzehntelang im Dunkeln operiert hatte. Sie organisierten Pressekonferenzen, formten Solidaritätsgruppen, setzten Stiftungen unter Druck und brachten Namen ans Licht, die zuvor unantastbar schienen.

Diese Opfer waren nicht mächtig. Aber sie machten das System sichtbar. Und Sichtbarkeit ist der Anfang vom Ende der Eliten.

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Matthias Kalle
Ressortleiter wochentaz
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24 Kommentare

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  • Leseempfehlung zum Thema Netzwerkdenken:



    mspr0.de/

    spezieller:



    mspr0.de/die-pfadgelegenheit/



    und



    mspr0.de/das-dividuum/

    schöne woche alle :)

  • Ihrer Analyse würde ich zustimmen, die Gleichsetzung der Tegernsee Connection mit dem Epstein Skandal finde ich jedoch geschmacklos. Es ging nämlich nicht darum, dass sich dort Präsidenten gegenseitig oral befriedigt haben (was ja deren gutes Recht ist), sondern das dort Minderjährige vergewaltigt wurden. Dagegen ist ein bisschen im (halböffentlichen) Hinterzimmer mauscheln nicht so schlimm.

    • @Jesus:

      Sie haben es nicht begriffen.



      Dieses System, das der Artikel so gut beschreibt, ist der Nährboden, der alle möglichen Schweinereien möglich macht.



      Nur weil Derartiges im Falle Weimer nicht bekannt ist, so spiegelt es genau diese Seilschaftenmentalität wider.



      Wenn unser Kanzler seinen Spezi und Freund Weimer so vehement verteidigt, obwohl alles offensichtlich ist, ist das der Beweiss dafür!

    • @Jesus:

      Von der Auswirkung wie von der Absicht darf ich vielleicht beides schlimm finden. Wenn offenbare Schritte zur Politik-Geld-Selbstbedienung getan wie wenn Minderjährige zugeführt werden.



      Die Kritik muss bei beidem klar und universale Jeremiade bleiben und in Systemkontrollen der Gemeinschaft wie in ein Nachdenken der Einzelnen münden, was mensch auch trotz inzwischen enormer finanzieller Ungleichheit eben doch nicht darf.

    • @Jesus:

      Wie Sie meinen. Die ein oder andere in einem solchen Tegernsee-Forum herausgezögerte oder vielleicht sogar gänzlich verhinderte Klimaschutzmaßnahme kostet am Ende Menschen das Leben, vielleicht nicht jetzt und hier in Deutschland, sondern in einem Drittweltland, aber sicher nicht mehr weit in der Zukunft.

  • Herzlichen Dank für den tollen Beitrag!

  • Liberalismus, Marktwirtschaft und repräsentative Demokratie sind Einrichtungen der (Re-)Produktion von Eliten. Eliten haben haben sie geschaffen, sich darin eingerichtet und brauchen sich nicht zu verstecken. Im Gegenteil; Teile der Eliten protzen mit ihrem Status und Statussymbolen und finden in den Medien geeignete Plattformen der Selbstdarstellung. Die Informationen liegen auf der Straße und die journalistische Grundtugend gründlicher Recherche, würde ausreichen, um die gar nicht so geheimen Netzwerke aufzudecken. Schwieriger ist es, dem bequemen Konsens der „demokratischen Mitte“ eine systematische Aufarbeitung der systemischen Ursachen und strukturellen Folgen von Elitenherrschaft entgegenzusetzen. Gegenstimmen müssen in den Medien mehr Beachtung finden, Sie sind mindestens genauso wichtig, wie Politik und Klimawandel, und allemal wichtiger als Themen unterschiedlicher sozialer Identitäten vom Sportfan bis LGBTQ+.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Informelle Zirkel, Netzwerke, Klüngel usw. gab es bereits im "alten Rom". Ebenso in anderen vor-kapitalistischen Gesellschaftsordnungen und Organisationen und auch in den früheren sozialistischen Staaten. Auch den Grünen war das bereits in ihrer Frühphase nicht fremd, und wohin man es in dieser Partei auch heute noch mit solcher Netzwerkerei bringen kann, sieht man doch an den Damen Baerbock und Spiegel.

      Und auch da ging es nicht immer um "Stand" oder "Klasse", sondern auch darum, wer wem nützen kann.

      Jeder Stammtisch oder Kaffeekränzchen kann zu so etwas werden, wenn man dort Kontakte knüpft, oder zu einem Dritten auf Empfehlung eines Mitglieds der Clique geht.

      Das sind zutiefst menschliche Eigenschaften, die mit dem Kapitalismus nichts zu tun haben.

  • Mir geht das nicht weit genug und mir ist das zu aufwendig, was da gefordert wird. Warum das Betriebsystem für Eliten als Metapher erfinden und dann bekämpfen wollen? Klar gibt es das und bisher genügte ein systemisches Denken um darüber zu reden und auch um darüber hinaus denken zu können.



    Das ist nämlich wichtig: Es geht um das System unseres Kapitalismus, der solche Strukturen fördert. Dieser Glaube an Wachstum, die geschürten Ängste überall, die Ruhigstellung des Pöbels und was alles dazugehört.



    An jüdische Religion habe ich dabe nie gedacht bis es im Artikel erwähnt wurde, das ist doch Quatsch, denn die Evangelikalen sind da genauso stark vertreten wir Katholen und Moslems und andere.

    Ich schlage vor sich nicht in solchen Einzelheiten zu verlieren, auch wenn sie faszinierend aussehen. Das spaltet uns aber! Handeln ist angesagt, nicht so viel reden. Sogar die jetztigen Bürger hätten es in der Hand, den Lauf der Politik und des Systems zu steuern. Sie sind sich dessen nur nicht bewußt und zu sehr dem Konsum verhaftet. Schade. Teile und Herrsche...

    • @realnessuno:

      "Es geht um das System unseres Kapitalismus, der solche Strukturen fördert."



      Ein kurzer Blick in existierende Sozialismus-Systeme der Vergangenheit zeigt, dass es auch dort profitierende Macht-Eliten gab. Ebenso logischerweise in den vorangegangenen monarchischen Systemen. Das ist eben _kein_ kapitalistisches Problem.

  • Der Artikel ist sehr gut zusammengefasst und bringt es auf den Punkt.

    "Die eigentliche Aufgabe besteht nicht darin, die Mächtigen zu moralischeren Menschen zu erziehen. Die Systeme, die sie hervorbringen, müssen sich ändern."



    Das stimmt.



    Aber, man braucht, denke ich nicht mal pessimistisch zu sein, um nicht daran zu glauben, das die Offenlegung und Sichtbarkeit dieser Strukturen und Systeme, zu ihrem Erliegen führen.



    Zu tief ist der Sumpf. Immer wieder werden solche Systeme ihren Weg gehen. Diese von der Macht getriebenen, von Bosheit überzeugten Charaktere sind immer präsent.



    In der heutigen Welt sogar noch stärker vertreten.

  • Die Epstein-Missbrauchsconnection muss m. E. zunächst soweit ausgeklammert werden, als Straftaten begangen worden sind. Zu Recht werden 'Eliten' sagen, dass ihnen eine solche "Verbindung" nicht zwingend zu eigen ist. Wir sehen jedoch, auf Epstein am Ende zurückkommend, "Amigo-Affären" im Steuerrecht, bei Einkommen und Vermögen. Zur Absicherung der Funktionsfähigkeit des (jeweiligen) Staates und sozialen Friedens hat der Gesetzgeber m. E. weltweit geschlafen, d. h. für untere und bessere Einkommen Grenzen nach Unten einzuziehen, die den rechtzeitigen Eintritt von Überreichtum in die Finanzierung der Gesellschaft regeln. So auch hinsichtlich der öffentlichen Aufgaben, damit das Abstoßen von Aufgaben nicht zur Aufwandsminderung führt.

  • Etwas gegen einzelne Personen zu unternehmen, ist immerhin möglich. Ein ganzes System zu bekämpfen dürfte eine etwas schwierigere Übung sein.

  • Guter Artikel, aber die Schlussfolgerung ist ein wenig Widersprüchlich. Opfer zu unterstützen ist zwar richtig, ändert das System aber nicht, sondern kritisiert nur das unmoralische Verhalten der Reichen, was der Artikel auch richtigerweise kritisiert, aber dann selber macht. Denn im zweiten Beispiel in der Tegernsee-Connection gibt es keine direkten Opfer. Deutlich wichtiger ist es die Verteilung von Macht, besonders von wirtschaftlicher Macht und Besitz neu zu denken und zu demokratisieren, was am Ende auf Überwindung des Kapitalismus hinausläuft. Diesen Schritt zu gehen scheint sich der Autor aber nicht zu trauen, schade.

  • Füllt Weimer damit eine Marktlücke? In den USA gibt es z.B. Presidential Dinners, zu denen Zugang hat, wer bedeutend ist und viel Geld dafür zahlt, beim Dinner dabei zu sein, wo ein Koeffizient aus Bedeutung und mitgebrachtem Geld darüber entscheidet, wer nahe beim Präsident dinieren darf oder nur am Rand des Saales ihn kaum sehen kann, aber sich wenigstens in dessen Aura wähnen darf. Da wurden schon Kinofilme drüber gedreht. Unsere Bundespräsidenten sind wahrscheinlich zu bieder, als dass sich mit ihnen sowas veranstalten lässt. Weimer versucht es nun halt mit "seinem eigenen Davos" :-)

  • Mir scheint, die Vokabel "Elite" nimmt einen entschieden negativen Klang an. Das, was hier "Elite" genannt wird, ist doch in Wirklichkeit -- oder wenigstens zugleich -- Abschaum. Elite, die Auserlesenen, das sind für mich immer noch Menschen, die innere Kultur, Geist und Intellekt, Anstand und unverbrüchliche Integrität in sich vereinen. Menschen, die ich respektieren oder sogar bewundern kann. Diese Menschen kommen praktisch niemals in die höheren Ränge unseres -- hier korrekt beschriebenen -- korrupten Systems. Man findet sie aber in den Organen der Gesellschaft -- noch -- zum Glück. Wir brauchen solche Menschen und sollten sie im Optimalfall selbst sein.

  • Sehr interessanter Beitrag. Mich würde eine geschlechtsspezifische Analyse aus Sicht des Verfasers interessieren. Das männliche Geschlecht scheint allein aufgrund des Geschlechts und der Strukturen eine Elite zu sein, die (sich) viel herausnehmen bzw. veranstalten darf ... aus meiner Sicht. Das gilt natürlich nicht für jeden einzelnen Mann, aber für sehr viele, wie gesagt aus meiner Sicht. Das aktuelle Lagebild des BKA zur Häuslichen Gewalt spricht Bände.

  • Viel Spekulation über Epstein, von dem man sagt, ER hätte sich in seiner Zelle SELBST erhängt. Ich glaube wir werden die ganze Tragweite und Wahrheit dieses Skandals nie im Ganzen erfahren - widerlich.

  • Das Gegenteil der Hinterzimmerelite ist die Präsentiertellerelite. Der war einst der Sonntag nicht so heilig, so dass sie in der Kirche auf der Empore in einem Kabuff mit Glassfenstern saß. Je nachdem, ob der Prediger oder der Kantor der Kirche besser war, wurden die Fenster entweder zur Predigt oder zur Kirchenmusik geöffnet und danach wieder geschlossen, damit Adel und Patrizier des Ortes ungestört sich über Geschäftliches unterhalten konnten, während das einfache Volk das ganze Gottesdienstbrimborium über sich ergehen lassen musste. Dennoch war es nicht das einfache Volk im Parterre, dem auch die Grabplätze in der Kirche zustanden - je reicher und bedeutender, desto näher am Altar wurden die Gräber vergeben - damals war also die Kirche eine Vermittlerin der Nähe der Elite zueinander und ...

    ... zum Allerheiligsten.

  • Parallelität oder Kausalität?



    Mein Bauchgefühl sagt, dass diese elitären Strukturen v.a. auf unserem unsagbar ungerechten Steuersystem beruhen. Halblegale Konstrukte bzw. nicht implementierbare (oder absichtlich nicht umgesetzte?) nationale Steuergesetze, die bei einer (legal ermöglichten?) Steuervermeidungsgeldflut bis ans andere Ende der Welt überhaupt nicht mehr greifen können.



    Diese Struktureliten lächeln leise wenn sie an ihre Steuerquote denken. Ohne eine Änderung hier (taxjustice.net) anzugehen werden die Reichen und multinationalen Konzerne (und ihre pharaonenhaft reichen Nutzniesserbosse) weiter Staaten und Gesellschaften in ihrem Sinne "gestalten", aussaugen und dabei zerstören.



    Seit H. Kohl (inklusive) hat kein Bundeskanzler hier auch nur einen Finger gerührt.



    Das wird sich sehr bald hart rächen.

  • Ja, ja, ja, kann ich alles unterschreiben. Nur - es sind wir Menschen, die so sind. Die gleiche Scheiße wie ganz oben, spiegelt sich sauber durchdekliniert auch ganz unten ab. Nur noch schmutziger. Das geht schon ewig so und natürlich fragen wir warum das so ist, da ganz oben. Aber unter uns da unten, wie sieht es da aus? Da gönnt keiner dem anderen nichts, auch wenn sie so tun als wäre es nicht so. Ich will das nicht weiter ausführen. Entscheidend ist, dass der Mensch im Laufe der Evolution ein Egokonstrukt entwickelt hat, das er gerne den Verstand nennt und der hat es in sich und ist verantwortlich für all das Unheil, das der Mensch über diesen Planeten bringt. Menschen wie Buddha, Krishna, Jesus haben das erkannt und versucht Wege aus dem Unheil aufzuzeigen. Mohammed in gewisser Weise auch, aber schon wieder zu kriegerisch. Wenn man sich die evangelikalen Christen heute in Amerika anschaut ähneln sie eher einer satanischen Sekte, als dass sie Jesus folgen würden. Überhaupt haben die Christen jahrhundertelang mehr wie der Teufel gehaust, als wie Jesus Worten zu folgen. Man kann sich um sein Egokonstrukt kümmern und die Finsternis hinter sich lassen, aber nicht als lifestyle.

  • Netzwerke sind doch ein ganz wesentlicher Teil jeder Gesellschaft. Familie, Schule, Vereine & Co. können die Basis einer Netzwerkstruktur sein. Die Tatsache, dass sie sowohl ein- wie auch ausschließen sind dabei ein ganz wesentliches Kernelement. Daran gibt es nichts auszusetzen.

    • @DiMa:

      Kommt drauf an. Wenn Ressourcen öffentlich verteilt werden, so ist universal-faires Vorgehen die Basis jeder öffentlichen Verwaltung zum Beispiel. Deshalb die Regelbasierung und Dokumentierung dort.

      Die politische und die ökonomische Sphäre (vgl. M. Walzer) sind besser getrennt: Mit Geld keine Politik kaufen, mit Politik nicht ökonomische Macht einsammeln.

  • Die - bitte dabei realitätsbasierte - Kritik an Extrawürsten, diese Empörung (S. Hessel) darf und muss wieder von links kommen, denn das sind die Gleichheits-Verfechter. Keine Tiere sind gleicher.