Friedensbewegung in Pandemiezeiten: Ostermärsche digital
Auch die traditionellen Osterdemos müssen wegen Corona ausfallen. Die Friedensbewegung verlagert sich deshalb in diesem Jahr ins Netz.
Ganz absagen wollte die Friedensbewegung die Proteste aber nicht – und verlegte sie deshalb ins Internet. Das in Bonn ansässige Netzwerk Friedenskooperative, das als Hauptkoordinierungsstelle für Ostermärsche in Deutschland fungiert, hatte im Vorfeld zu digitalen Protesten aufgerufen. Bis Sonntagnachmittag waren 1.500 Menschen dem Aufruf gefolgt und hatten Fotos von sich hochgeladen, die zusammen ein großes Peace-Zeichen auf der Homepage des Netzwerks bildeten.
An einem virtuellen Ostermarsch am Samstagabend bei YouTube nahmen knapp über 2.000 Menschen teil. In den Redebeiträgen ging es neben Rüstungsexporten auch um die Aufnahme Geflüchteter aus griechischen Lagern und um Grundrechte in Zeiten umfassender Infektionsschutzmaßnahmen.
„Wer deutsche Touristen aus der ganzen Welt zurück holen kann, darf die Geflüchteten an der EU-Außengrenze nicht sich selbst überlassen“, forderte eine Sprecherin der Seebrücke. Der Stream war eine Gemeinschaftsaktion verschiedener Friedensgruppen wie der Deutschen Friedensgesellschaft, den Internationalen Ärzten gegen den Verhütung des Atomkriegs und Naturfreunde Deutschland.
Gemessen an den Teilnehmerzahlen physischer Ostermärsche wirkt die digitale Beteiligung gering. Der Sprecher des Netzwerks Friedenskooperative, Kristian Golla sprach trotzdem von einem Erfolg. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte er. Schließlich sei vieles kurzfristig organisiert worden, bis vor einigen Wochen hatten die Veranstalter*innen mancherorts noch gehofft, demonstrieren zu können.
Strenge Auflagen
Viele der jährlichen Ostermarsch-Teilnehmer dürften allerdings altersbedingt zur Corona-Risikogruppe gehören. Golla räumte auch ein, dass viele Ostermarschierer*innen nicht gerade Digital Natives seien – auch dafür sei die Beteiligung sehr gut ausgefallen.
Zwei Ausnahmen vom Demoverbot gab es außerdem: In Jagel in Schleswig-Holstein und im nordrhein-westfälischen Gronau schafften es Veranstalter*innen am Karfreitag, Mahnwachen für den Frieden anzumelden. Unter Auflagen durften sich dort jeweils 50 bzw. 20 Menschen versammeln, allerdings nicht laufen.
Den ersten Ostermarsch in der Bundesrepublik gab es im Jahr 1960 in der Lüneburger Heide, wo mehr als Tausend Menschen gegen die Wiederbewaffnung der BRD protestierten. Er startete in verschiedenen norddeutschen Städten und endete am NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne. Manche Teilnehmer*innen haben seither keinen Marsch versäumt.
Im Jahr 2014 standen Ostermärsche vielerorts in der Kritik, sich nicht schnell und deutlich genug von rechten Montagsmahnwachen und Verschwörungstheoretiker*innen abgegrenzt zu haben. Zu den Hochzeiten 1968 und 1983 demonstrierten deutschlandweit Hunderttausende.
Von solchen Werten sind die Teilnehmer*innenzahlen heute weit entfernt, allerdings nahm die Beteiligung in den vergangenen Jahren wieder zu. 2019 hatten in rund 100 Städten Menschen für Abrüstung und Frieden demonstriert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation