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Fridays for FutureNeuer Treibstoff für die Bewegung

Am Donnerstag präsentierten die Ak­ti­vis­t*in­nen von Fridays for Future ihre Forderungen an die nächste Bundesregierung. Auch Los Angeles war Thema.

Die Fridays for Future Ak­ti­vis­t*in­nen stellten am Donnerstag in Berlin ihre Forderungen an die nächste Bundesregierung vor Foto: Stefan Boness

BERLIN taz | Längst bestehe die Klimakrise nicht mehr aus Zahlen in den Nachrichten, sagt die Klimaaktivistin Carla Reemtsma. „Seit einigen Tagen brennt es in Kalifornien. Mehr als 150.000 Menschen haben aufgrund der Brände ihre Häuser verlassen. Hollywood-Premieren werden abgesagt, das Löschwasser ist alle.“ Die ökologische Realität, sagt Reemtsma, „eskaliert schneller, als wir hinterherkommen“.

Am Donnerstag präsentierten die Ak­ti­vis­t*in­nen von Fridays for Future (FFF) im Haus der taz in Berlin ihre Forderungen an die nächste Bundesregierung: allen voran Klimaneutralität bis 2035 (bisheriges Ziel Deutschlands 2045) und ein geordneter Ausstieg aus Erdgas zum selben Zeitpunkt. Besonderen Wert legt die Bewegung darauf, Klimaschutz bezahlbar zu machen und jene zur Kasse zu bitten, die von der Klimakrise profitieren.

Superreiche sollen besteuert werden, um die Transformation von Infrastruktur zu bezahlen. So will FFF ein „Recht auf klimafreundliche Wärme und Mobilität“ sichern. Verändern werde sich die Welt sowieso, sagt Sprecher Pit Terjung. Die Frage sei: „Gestalten wir die Transformation ökologisch und gerecht oder sehen wir der Klimakrise beim Eskalieren zu?“

Für diese Transformation brauche es Fachkräfte, die Fernwärmerohre verlegen, Züge fahren und Häuser sanieren. „Klimaschutz steht und fällt mit den Jobs, die ihn finanzieren und möglich machen“, sagt Terjung. FFF fordert daher, jährlich 300.000 Menschen in „Zukunftsindustrien“ auszubilden. Damit wolle man auch der Zukunftsangst junger Menschen begegnen: „Wenn man verhindern will, dass diese Unsicherheit in Vertrauensverlust und Resignation kippt, dann muss die Politik Menschen in meinem Alter Perspektiven eröffnen, in welchen Berufen sie später arbeiten können“, sagt der 19-jährige Terjung.

Klimastreik eine Woche vor Bundestagswahl

Um für Klimakatastrophen zu bezahlen, will FFF fossile Unternehmen besteuern. „Im Moment sind die Betroffenen auf sich selbst gestellt, während fossile Konzerne Milliarden einstreichen“, kritisiert Frieda Egeling, wie Terjung und Reemtsma Sprecherin der Bewegung.

In den Wahlprogrammen der Parteien fehlten diese Forderungen. Sie seien stattdessen „der Versuch, den Menschen eine heile Welt zu verkaufen, während die Welt da draußen in Flammen steht“, sagt Terjung. Derzeit drohe der Rückbau des Klimaschutzes, fürchtet Reemtsma: „Unwetter, Überschwemmungen, Hitzesommer haben Ursachen und Verantwortliche, nämlich Politiker, denen die Profite fossiler Unternehmen wichtiger sind als Menschenleben.“

Die SPD vergesse, dass zum Klimaschutz auch der Ausstieg aus den fossilen Energien gehört, bemängelt Reemtsma. Die Union verweigere klimapolitische Verantwortung und wolle Errungenschaften wie das EU-weite Verbrenner-Aus 2035, das Heizungsgesetz und den Kohleausstieg 2030 in Westdeutschland rückgängig machen. Auch an den Grünen übt Reemtsma Kritik: Nach guten ersten Schritten in der Regierung drohten sie, Klimaschutz „aus vermeintlicher Wahlkampfstrategie hinten runterfallen zu lassen“. Zwar stünden die Grünen am klarsten zu den Klimazielen, „sie wären allerdings deutlich glaubwürdiger, wenn sie nicht von ihrem eigenen Kanzlerkandidaten infrage gestellt würden, wie er es beispielsweise beim Kohleausstieg 2030 gemacht hat.“

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, ruft FFF am 14. Februar, etwa eine Woche vor der Bundestagswahl, zum bundesweiten Klimastreik auf. Ob sich noch so viele Menschen wie 2019 beteiligen – das sei zwar teilweise davon abhängig, wie gut die Bewegung mobilisieren könne, sagt FFF-Urgestein Luisa Neubauer, die die Veranstaltung moderierte. „Aber Teil davon ist auch, wie groß das Vertrauen darin ist, dass die Proteste in die Politik wirken.“

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18 Kommentare

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  • Ich finde das immer noch zu dünn, was die Verknüpfung der ökologischen mit der sozialen Frage angeht. Da sind die GRÜNEN schon wesentlich weiter - jedenfalls die in der Schweiz. Die haben vor wenigen Tagen ein sehr lesenswertes Positionspapier zum "Grünen Grundeinkommen" veröffentlicht, darin heisst es:

    "Dadurch entsteht eine bedingungslose Existenzsicherung. Ein grünes Grundeinkommen, das durch weniger Wachstums- und Beschäftigungsdruck die Verantwortungsbereitschaft der Menschen stärkt und so zu einer sozial gerechteren und ökologisch bewussteren Gesellschaft führt."

    gruene.ch/position...nes-grundeinkommen

    • @Eric Manneschmidt:

      Das Problem ist nur dass wir uns gegen die von den Idiotenkapitalisten und ihrer politischen Vertretung der letzten 30 Jahre sowie deren jetzt ein bissel abgebrannten Propagandaarm in Hollywood, aufgebauten Konkurrenz in Asien und Afrika behaupten müssen und das geht halt nicht indem wir unsere heimischen Gesellschaften nicht wieder stärken.



      Insofern,weniger Druck gerne aber wir brauchen wieder Wachstum hier,nur richtiges ohne existenziell bedrohnlichen Druck.



      Was heißt dass wir alles an Produktion und Menschen hier halten was geht und was abgewandert ist irgendwie zurück bekommen müssen.

      Fall Du eine Alternative hast wie soziale Marktwirtschaft ohne Wachstum auch nur funktionieren soll, würd ich gerne lesen. Mir ist nix tragfähiges bekannt.

      Die Horrorvorstellung einer ungezügelten KI Wirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit a la The Expense wo Menschen eh kaum noch gebraucht werden, haben wir da noch gar nicht abgedeckt.

  • "Um für Klimakatastrophen zu bezahlen, will FFF fossile Unternehmen besteuern. „Im Moment sind die Betroffenen auf sich selbst gestellt, während fossile Konzerne Milliarden einstreichen“, "

    1.) Was sind "fossile Unternehmen"?



    2.) Werden die nicht jetzt auch schon besteuert?

    • @Tom Tailor:

      Man muss schon merkwürdig -oder noch schlimmer- sein um nicht zu verstehen, was hier von FFF gemeint ist.

  • "(...) wenn sie nicht von ihrem eigenen Kanzlerkandidaten infrage gestellt würden, wie er es beispielsweise beim Kohleausstieg 2030 gemacht hat.“

    Könnte daran liegen dass diese neuen Forderungen von FFF nicht völlig unrealistisch sind, aber für Grüne unannehmbar. Wie das in so kurzer Zeit ohne ökonomischen Selbstmord geht, hat Frankreich in den 1980ern vorgemacht: mit einem massiven Schwenk auf Kernenergie, was mit den Grünen sicher nicht geht. Grüne bauen lieber fossile Infrastruktur aus als ihre Lebenslügen abzuräumen.

    • @Descartes:

      Schön das auch von Jemand Anderen als mir in den Kommentaren hier zu lesen.

  • Ich finde die Bewegung immer noch beeindruckend. solchen jungen Menschen entgegen zu halten, dass wollen gefragt ist, ist doch absurd. klar gibt es die Berufe, aber wer macht den in der Politik offensiv Werbung dafür und sagt klar. Hier ist die Zukunft? die CDU jedenfalls hat die Solarindustrie und die Windbrache schon mal zerstört, mit den Wärmepumpenherstellern ist es kurz vor Knapp und die Autoindustrie fährt auch gerade fossil gegen die Wand. Wären Sie als ökologisch motivierter Mensch in den letzten 10 Jahren auf die Idee gekommen, bei VW an der Verkehrswende arbeiten zu dürfen? Ich nicht.

    • @121314:

      Die Autoindustrie fährt fossil gegen die Wand? Ihnen ist schon bewusst, dass 90 Prozent der globalen jährlichen Neuzulassungen KEINE E-Autos sind? Und nur dort der E-Auto Absatz in die Gänge kommt, wo der Staat massiv fördert?

  • Wenn sie es wirklich schaffen würden, noch mal viele junge Menschen für ihre Ziele auf die Straße zu bringen, würde ich den hohen Zuspruch für die Blaunmacher in der Altersgruppe noch viel weniger verstehen.

  • Nur nebenbei: Die Brände in Kalifornien sind auch wegen Missmanagement so verheerend: Es gab keinen Stromabschaltungsplan (Strommasten fallen bei Sturm um und entzünden der Wald durch Funkenbildung) wie in anderen Counties, die Wasservorräte für Hydrantenversorgung nicht rechtzeitig aufgefüllt wurden und Altholz nicht ausgeräumt wurde.

  • Nur wer auch die Wirtschaft im Auge behält hat am Schluss soviel Geld und Einfluss, dass er den Klimawandel aktiv und wirksam bekämpfen kann.

    Ansonsten ist der Brand in LA mal wieder ein sehr schlechtes Beispiel, wie Karsten Schwanke, den wohl kaum jemand Klimaleugner nennen wird, gesern abend in der ARD sehr gut erklärt hat. Dort geht es mehr um das Zusammentreffen von Wetterphänomänen und Bautechniken, als um das Thema Klimawandel. FFF tut sich keinen Gefallen und erhöht nicht die Glaubwürdigkeit der Organisation, wenn sie die falschen Bespiele wählen, nur weil diese gerade die Presse beherrschen.

  • Bereits ohne Superreichensteuer wurden Gelder nicht abgerufen für einen nachhaltigen Ausbau der Infrastruktur. Da bin ich dann doch eher auf der Seite der FDP, dass vordringlich dort etwas geschehen muss.

    • @Rudolf Fissner:

      "dort"=Bürokratieabbau, Verfahrensbeschleunigung

  • Toll: Zwei Kommentare, einer resigniert, der andere wie aus der - selbst in anderem Kontext erwähnten - Steinzeit.

  • "... dann muss die Politik Menschen in meinem Alter Perspektiven eröffnen, in welchen Berufen sie später arbeiten können“, sagt der 19-jährige Terjung."



    Da tränen mir glatt die Augen, wenn ich so etwas lese. Diese jungen Menschen sollten sich mal den allen zugänglichen Ausbildungskatalog zur Hand nehmen. Nützliche und zukunftsorientierte Berufe noch und noch. Aber wo sind die klimaschutzbewußten Jugendlichen, welche diese, oft mit Hand- also körperlicher Arbeit verbundenen Berufe ergreifen wollen? Mangelware. Geht nicht immer im Sitzen.



    Und nicht die Politik muss diese Perspektiven eröffnen. Es gibt sie längst. Chancen können ergriffen werden. Wollen ist gefragt.

  • Wie soll in zehn Jahren Klimaneutralität erreicht werden, ohne dass Deutschland auf Steinzeit-Niveau zurückfällt? Sie lernen es nie: Überzogene, unrealistische Forderungen und Ziele wirken kontraproduktiv.

    • @Hans Hermann Kindervater:

      Tatsächlich unrealistisch ist, dass so mehr passieren wird. Dazu müsste das Datum innerhalb der jetzigen Legislaturperiode sein, sonst werden immer wieder Ziele ein paar Jahre nach hinten verlegt - alle paar Jahre. Fällt kaum auf.

      Manche brauchen sich nur ihre Realität anzuschauen um zu sehen, daß Klimaneutralität notwendig ist, andere sind immer noch von der 'Radikalität' von Leuten wie der letzten Generation schockiert und machen bockig das Gegenteil des Notwendigen.

      Die klimaneutrale Zukunft geht auch mit Internet, fließend Wasser, Strom und sogar Leinwand-Fernseher und wasweissichnoch. Bei allzu vielen Dingen lohnt es sich allerdings zu reflektieren und festzustellen: Ja, das ist unnötiger Luxus.

  • „Gestalten wir die Transformation ökologisch und gerecht oder sehen wir der Klimakrise beim Eskalieren zu?"



    Das "oder" ist dort fehl am Platz. Das "oder" stellt sich nicht mehr, der Zug ist längst abgefahren. Man kann lediglich versuchen die Eskalation nach hinten zu verlagern. Oder glauben die tatsächlich, wenn wir morgen alle das Atmen aufgeben gibt es nächstes Jahr keinen Waldbrand mehr?