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Frauenfeindliche Polemik bei GoogleDer Sexismus im Silicon Valley lebt

Ein Google-Mitarbeiter schreibt eine Polemik, die Frauen als schlechte Programmiererinnen beschreibt. Viele aus dem Konzern stimmen dem zu.

Wohl eher kein Lichtblick in der US-amerikanischen Tech-Branche: Google Foto: reuters

Berlin taz | Zehn Seiten. So lang ist das Dokument, in dem sich ein Google-Entwickler über die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auslässt, um zu begründen, warum Frauen vermeintlich schlechter programmieren. Das Dokument wurde zunächst innerhalb des Konzerns verbreitet. Seit dem Sonntagabend ist es auch online veröffentlicht.

Frauen seien offener gegenüber Gefühlen und Ästhetischem als gegenüber Ideen, schreibt der bisher unbekannte Autor. Deswegen seien sie häufiger in sozialen oder künstlerischen Berufen tätig. Laut dem Autor sind die Unterschiede nicht einfach nur gesellschaftlich konstruiert, sondern existieren universell in allen Kulturen und haben klare biologische Ursachen.

„Google’s Ideological Echo Chamber“ lautet der Titel der Polemik. Der Autor wirft Google vor, innerhalb des Konzerns herrsche eine „linke Verzerrung“, die eine „politisch korrekte Monokultur“ hervorrufe. Wer anders denkt, traue sich nicht, dies zu äußern.

Dabei zeigt das Dokument deutlich, welche Meinungen es nach wie vor über Frauen in der Branche gibt. In den letzten Monaten waren immer wieder Sexismus-Vorwürfe im Silicon Valley laut geworden. Laut Vice, das zuerst über die Schrift berichtete, gibt es bei Google selbst einige Stimmen, die die Äußerungen des Autors befürworten.

„Ehrlich gesagt haben mehr Leute dem zugestimmt, als ich es gerne hätte“, sagte ein*e anonyme*r Miterarbeiter*in zu Vice. Dort heißt es weiter weiter, im Konzern gebe es eine Mischung aus Frauen, die sagen „Das ist schrecklich, das lenkt mich von meiner Arbeit ab und es sollte nicht erlaubt sein“, Frauen und Männern, die sagen „Das ist schrecklich, aber wir müssen ihm seine Stimme lassen“ und Männern, die sagen „Das ist so mutig, ich stimme zu“.

Ziemlich extreme Diskriminierung

Das Dokument spiegelt die Silicon-Valley-Mentalität in vielerlei Hinsicht wider, sagt auch Vivek Wadhwa, Forscher an der Carnegie Mellon University, der häufig den Mangel an Vielfalt in der Tech-Branche kritisiert. Dem britischen Guardian sagte Wadhwa: „Man könnte das vielen Leuten zeigen und sie würden sagen: ‚Ja, dem stimmen wir zu‘.“ Früher hätten Menschen viel häufiger und ohne Angst solche Äußerungen getätigt.

Das Dokument hat dennoch eine Diskussion innerhalb des Silicon Valleys ausgelöst. Yonatan Zunger, der offenbar bis vor kurzem für Google arbeitete, lässt sich öffentlich über die Polemik aus. Der Autor des Papiers verstehe nicht, dass technische Berufe Kooperation, Zusammenarbeit und Empathie benötigten. Die Schrift sei außerdem sehr schädlich für das Arbeitsklima.

Schon im April erklärte das US-amerikanische Arbeitsministerium, dass es bei Google systematische Probleme mit gleichberechtigter Bezahlung gibt. Das Ministerium bezeichnete die Diskriminierung bei Google als „ziemlich extrem“. Ein Anwalt des Arbeitsministeriums sagte im April laut Guardian, dass es starke Anhaltspunkte für eine „sehr entscheidende Diskriminierung gegen Frauen“ in der Hauptgeschäftsstelle von Google gebe.

In technischen Berufen geht es um Kooperation, Zusammenarbeit und Empathie sowohl mit Kollegen als auch mit Kunden

Ex-Google-Mitarbeiter Zunger

Googles neue Vizepräsidentin für Diversität, Integrität und Kontrolle, Danielle Brown, antwortete mit einem Statement auf das zehnseitige Dokument. Die Polemik sei „kein Standpunkt, den ich oder der Konzern unterstützen, fördern oder ermutigen“, so Brown. Teil eines offenen Umfelds sei aber auch, dass andere Standpunkte vertreten werden dürfen. Laut Brown setzt Google ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung, indem es demografische Daten veröffentlicht und Maßnahmen für Vielfalt und Inklusion durchführt.

Die im Juni veröffentlichten Zahlen zeigen allerdings, dass sich der Anteil an Frauen und schwarzen Mitarbeiter*innen 2016 im Vergleich zu 2015 nicht verändert hat, schreibt der Guardian. Es habe einen schwachen Anstieg an Frauen in technischen und Führungspositionen gegeben, der Anteil liege bei Google aber immer noch bei nur 20 Prozent. Der landesweite Durchschnitt liegt in den USA bei 26 Prozent.

Es reicht womöglich doch nicht aus, neue Posten mit schick klingenden Titeln zu schaffen, um mit tiefsitzenden Vorurteilen und patriarchalen Strukturen aufzuräumen. Stattdessen sollte der Konzern lieber junge Frauen fördern, die in technischen Berufen arbeiten wollen. Als Branchenführer kann Google so anderen Unternehmen die Zukunft zeigen. Je mehr Frauen in der Branche arbeiten, desto normaler wird das Bild der Programmiererin. Dann fühlen sich auch weniger Männer in der Auffassung bestätigt, sie seien schlichtweg besser im Programmieren.

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44 Kommentare

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  • "Stattdessen sollte der Konzern lieber junge Frauen fördern, die in technischen Berufen arbeiten wollen."

     

    Lustig: Genau das forderte der junge Autor des Google-Dokuments. Und er hat auch gefordert, dabei bestimmte Denktabus über den Haufen zu werfen, um das zu erreichen.

     

    Es ist hilfreich, das ungekürzte Original zu lesen um das zu verstehen.

     

    Das findet sich hier: https://assets.documentcloud.org/documents/3914586/Googles-Ideological-Echo-Chamber.pdf

     

    An die TAZ: Ich finde das mal krass peinlich, wie Ihr dem Autor des Google-Artikels pauschal, unreflektiert und undifferenziert "Polemik" und "Sexismus" unterstellt. Ich denke, dass das weder Euch, noch dem Autor, noch der Sache gerecht wird.

  • >>im Konzern gebe es eine Mischung aus Frauen, die sagen „Das ist schrecklich, das lenkt mich von meiner Arbeit ab und es sollte nicht erlaubt sein“, Frauen und Männern, die sagen „Das ist schrecklich, aber wir müssen ihm seine Stimme lassen“ und Männern, die sagen „Das ist so mutig, ich stimme zu“.

  • Das Dokument, über das in diesem Artikel diskutiert wird, ist nicht das Original - das gibt's hier: https://assets.documentcloud.org/documents/3914586/Googles-Ideological-Echo-Chamber.pdf

     

    Und es ist auch keine Polemik. Und er lässt sich auch nicht nur über die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen aus. Lesen bildet.

     

    "This silencing has created an ideological echo chamber where some ideas are too

    sacred to be honestly discussed."

  • Im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion (unabhängig von allen internen Diskussionen innerhalb von Googles Arbeitnehmerschaft) ist eine Sache auffällig, die auch im hiesigen Versuch einer Reportage zutage tritt:

     

    verlinkt wird im allgemeinen auf eine (nicht vom Autor) *geänderte* Version des Textes, meist auf eine Version bei "gizmodo"

     

    es gibt aber auch seit Veröffentlichung eine "originale" Quelle (bzw. eine vollständige pdf mit allen Links/Quellenangaben u. Grafiken)

     

    zu finden z.B. bei: https://assets.documentcloud.org/documents/3914586/Googles-Ideological-Echo-Chamber.pdf [documentcloud.org]

     

    Bei Ansehen des Originaltexts wird durchaus deutlich, dass der Autor wirlich beinahe alles getan hat, um den Text als solchen möglichst "PC"-konform zu halten - und es wird deutlich, dass mindestens viele seiner Äußerungen mit Link-/Quellenangaben zu *begutachteten* review-Artikeln aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen unterlegt sind.

  • Der Typ ist mittlerweile von Google fristlos entlassen worden.

    • @Werner W.:

      So sieht also eine vorurteilsfreie Diskussion aus. NICHT.

  • Hallo,

     

    ich bin mir mittlerweile bei sehr vielen Kommentaren und auch Artikeln zu diesem "kleinen" Aufsatz dieses Entwicklers echt nicht sicher, wie viele ihn eigentlich wirklich gelesen haben, oder einfach nur von anderen Artikeln abschreiben.

     

    Es ist doch erschreckend, wie wenig wirklich darüber diskutiert wird, was dieser Herr geschrieben hat. Ich habe mir die "Mühe" mal gemacht und das ganze Ding gelesen.

     

    Ja man kann in vielen seiner Punkte anderer Meinung sein und auch ja, viele seiner genannten Punkte sind diskussionswürdig. ABER das heißt nicht, dass man diesen Mann jetzt erst mal in Grund und Boden schreien muss.

     

    In dem Brief steht mehrfach drinne, dass er ein Freund von Frauen in der IT-Industrie und auch ein Freund von Vielfalt ist, und lediglich viele der "Förderprogramme" nicht für sinnhaft bzw. korrekt hält. Das ist an sich erst mal nur eine Meinung, welche er auch aus seiner Sicht logisch begründet. Und er führt auch seiner Ansicht nach bessere Methoden auf, um für mehr Diversität zu führen. Dazu zählen unter anderem die Betrachtung jedes Bewerbers individuell um genau zu schauen, wo die Person stärken hat. Dabei schließt er alles mit ein. Frauen in IT, Frauen in irgendwas und Männer in IT und Männer in Irgendwas. Da macht er recht wenige Unterschiede.

     

    Und das auf dem hier so rumgeritten wird, dass er auf biologische Präferenzen eingeht: Meine Fresse. Das ist ein Punkt, der von der Wissenschaft aktuell weder klar belegt, noch widerlegt wurde. Also kann man aktuell guten Gewissens auf beiden Seiten stehen.

     

    Was mich ankotzt ist die Tatsache, dass immer alle Fordern, dass man seine Meinung haben darf, aber wenn diese mal ruhig und (aus der eigenen Sicht) sinnvoll begründet ist, wird man erst mal verschrien und auf den Mond geschossen.

     

    Viele seiner Punkt kann man diskutieren und sollte man auch. Aber der aktuelle Umgang ist einfach nur eine Katastrophe. Wir gehen stark in die falsche Richtung dabei.

     

    MfG

    Nerei

    • @Nerei:

      danke, dass sie eine weitergehende Inhaltsangabe gemacht haben, ich habe nach der Einleitung des Artikels ähnliches befürchtet.

       

      Was noch schockierender ist, dass der Mann jetzt offenbar entlassen wurde.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wundert mich bei Google irgendwie gar nicht.

    Wenn ich an meine Studienzeit denke, war der Anteil der Frauen in der Informatik allerdings auch nicht viel höher als geschätzte 20 oder 25 Prozent. Da werden im Zugang aber keine Frauen diskriminiert, sondern sie wollten das ganz einfach nicht lernen.

    Die Forderung nach mehr Diversität in der Branche ist völlig richtig, aber dafür müssen sich zu allererst mehr junge Frauen für ein Informatikstudium einschreiben. Wenn Google mehr Frauen einstellt, erhöht das nicht automatisch die Zahl der Informatikerinnen in der Branche. Gibt es überhaupt eine nennenswerte Menge arbeitsloser Informatikerinnen, die Google einstellen könnte?

    • @85198 (Profil gelöscht):

      "Da werden im Zugang aber keine Frauen diskriminiert, sondern sie wollten das ganz einfach nicht lernen." - Warum wollen sie es nicht lernen? - Evtl. aus Angst vor der Diskriminierung!?

      • 2G
        2730 (Profil gelöscht)
        @Katalin Nemeth:

        Jau, so habe ich auch lange genug argumentiert: "Ich lerne dies oder jenes nicht, weil mich sonst [möglicherweise] jemand diskriminiert." ... bis mir dann eines Tages klar wurde, dass das nichts war als eine faule Ausrede.

        Und noch was, wenn man sich ein wenig auskennt, dann weiß man: Gerade in der IT-Branche werden Frauen in der Tat diskriminiert - und zwar positiv, was bedeutet: Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.

      • @Katalin Nemeth:

        vielleicht auch, weil es sie einfach nicht so interessier hat? Die meisten "schweren" Fächer, wo man viel lernen muss, schafft man, wenn man das Lernen nicht als qual empfindet, sondern sich ohnehin interessiert und "wissen will".

  • Die Reaktionen auf das Memo zeigen eines. Die Kritiker des Memos debatieren nicht die Punkte die dort angesprochen werden sondern das "Gefühl" das transportiert wird. Es wird als Angriff verstanden, anstatt als rational Diskusionswürdiges Memo.

  • "Zehn Seiten. So lang ist das Dokument, in dem sich ein Google-Entwickler über die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auslässt, um zu begründen, warum Frauen vermeintlich schlechter programmieren."

     

    Das ist eine extrem verzerrte Darstellung des Inhalts des Dokuments.

    Der Autor kritisiert in der Tat unter anerem die Doktrin, von einer statistischen Ungleichverteilung könne auf Diskriminierung geschlossen werden, und führt eine ganze Reihe von Gründen an, die seiner Meinung nach zu einer Unterrepräsentation von Frauen bei Google führen. Hierzu gehören laut Meinung des Autors auch biologischee Faktoren, wobei er gesellschaftliche Einflüsse mitnichten bestreitet.

    Wesentliche Themen des Dokuments sind außerdem laut Meinung des Autors diskriminierende Praktiken zur Herstellung von "Diversity" bei Google und die Unterdrückung ungewünschter Meinungen durch "Shaming":

    "Only facts and reason can shed light on these biases, but when it comes to diversity and inclusion, Google’s left bias has created a politically correct monoculture that maintains its hold by shaming dissenters into silence. This silence removes any checks against encroaching extremist and authoritarian policies."

     

    Ich bin im Übrigen erschüttert, wie schnell Menschen mit dem Vorwurf der "Feindlichkeit" (hier gegen Frauen) konfrontiert werden. Das ist eine billige und feige Art, Gegner mundtot zu machen und sich selbst gegen berechtigte Kritik zu immunisieren.

  • Ich merke mal ganz vorsichtig an: Weibliche Fachkräfte im IT Bereich sind nicht gerade dafür bekannt sehr zahlreich zu sein. Von den Wenigen, die sich für das Studium entscheiden verteilen sich dann noch viele auf Fachbereiche, die mit (Software)Programierung oder Hardware Nichts zu tun haben. (Eine Wirtschaftsinformatikerin kann nicht in der Hardwareentwicklung eingesetzt werden, z.B.(Ich nenne die Wirtschaftsinformatik deshalb, weil gerade da etwas mehr Frauen zu finden sind).

  • Kann ja sein, dass das Dokument frauenfeindlich ist. Die zitierten Passagen, dass es auch biologische (als genetische und hormonelle) Unterschiede gibt, sehe ich aber nicht als frauenfeindlich an. War nicht immer ein Argument für die Quote, dass die weiblichen Fähigkeiten wie Empathie und soziale Kometenz mehr in die Führungsetagen eingebracht werden müssten?

     

    Zum Schluss des Artikels auch ein Widerspruch von mir: eine Quote von 20 bis 25 Prozent Frauen bei Google - im Programmierbereich(?), das wird nicht deutlich - wäre sensationell gut. Es kann ja nicht auf den Frauenanteil in der Gesellschaft, sondern nur in betreffenden Beruf ankommen und die Zahl qualifizierter Programmierer oder auch nur Studentinnen in diesem Bereich liegt nun mal unter 20 %.

    • @Dr. McSchreck:

      Empathie und soziale Kompetenz (was immer das nun wieder konkret sein mag) sind keine weiblichen Eigenschaften, sondern Eigenschaften, die bei vielen Männern schlicht nicht geübt wurden...

      ;)

  • Der Autor des Memos hat in fast allen Punkten faktisch recht. Der Aufruhr kommt nicht daher das er ein Heuchler wäre, sondern daher das seine Äußerungen gegen eine Moral verstößt, die der Wahrheit nicht notwendigerweise den höchsten Wert beimisst. Die Wahrheit kann nicht *istisch sein. Der Sündenfall der neuen Linken war die unkritische Übernahme radikaler, sozialkonstruktivistischer Thesen.

     

    Schweden ist bekanntlich eines der Länder das es mit der Gleichstellung von Mann und Frau am weitesten getrieben hat. Das Resultat ist allerdings nicht das mehr Frauen in typischen Männerberufen arbeiten, sondern das mehr Frauen in typischen Frauenberufen und mehr Männer in typischen Männerberufen arbeiten. Das ist auch kein Wunder, denn wer die sozialen Einflussfaktoren eleminiert maximiert die Wirkung biologischer Einflussfaktoren.

    In Indien studieren deutlich mehr Frauen Informatik als in Schweden. Eine Repräsentation der Bevölkerung in bestimmten Berufszweigen ist also absolut ungeeignet um Rückschlüsse darüber zuzulassen ob eine Gesellschaft sexistisch ist oder nicht.

     

    Was die Autorin sich dabei denke einen einzelnen Brief als Grundlage für die Bewertung der Haltung einer ganzen Branche zu nehmen entzieht sich meinem Verständnis.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @disenchanted:

      Ich sehe das Problem woanders.

      Leider wird die Dekonstruktion oft nicht verstanden und verkürzt. Bei vielen Linken wie auch bei Ihnen.

       

      Dekonstruktion ist keine gewaltsame Aufhebung der biologischen Kategorien, die Aufhebung geschieht gewaltlos in der Kontextualisierung dieser Kategorien und ihrer Vergeschichtlichung.

       

      Alle biologischen Kategorien sind immer nur so gut wie die Theorien, die sie stützen. Theorien sind historische soziale, zeitlich veränderliche Gebilde. Theoriebildung ist ein nicht abgeschlossener und potentiell nicht endender Prozess, das ist Grundlage der wissenschaftlichen Weltanschauung. Jedes "Zwischenergebnis" ist demnach willkürlich und historisch, sozial, personell und leiblich verortet. Warum der*die eine Physiker*in von dreizehn Dimensionen ausgeht und andere nur von einer einzigen, das läßt sich physikalisch nicht erklären.

       

      Es ist eine ganz strenge und gesicherte Schlussfolgerung, dass alle gegenwärtigen biologischen Kategorien biologische Kategorien der Gegenwart sind, sie also auf sozial konstituierten wissenschaftlichen Prinzipien und Methoden der Gegenwart und Vergangenheit beruhen.

      Dekonstruktion ist kein Konstruktivismus.

      Konstruktivismus läßt sich dekonstruieren, Konstruktion setzt einen Plan voraus und eine Absicht, wohl auch ein Fundament. Dekonstruktion zeigt die Planlosigkeit als Bedingung des Plans, die Grundlosigkeit als Bedingung der Grundlegung, die Unwillkürlichkeit als Bedingung der Absicht.

      Derrida ist nur zu empfehlen als Autor.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Die Postmodernisten mag ich zwar nicht sonderlich aber ich verstehe schon was Dekonstruktion ist. Man hat aber nicht nur Derridas Ideen verkürzt übernommen, sondern auch Foucaults Gedanken zur Macht. Letzteres finde ich fast noch schlimmer. Das ist der Grund aus dem wir jetzt sexistische "Anti"sexisten und rassistische "Anti"rassisten haben.

        Diese verkürzten Gedanken sind so weit verbreitet das es bald egal ist wie die Ursprünglichen wirklich waren.

         

        Ein weiteres Problem besteht darin was man in den Sozialwissenschaften teilweise aus dem von Ihnen beschriebenem Relativismus macht. Der wird nämlich bei bestimmten Themen gerne als Vorwand genommen, um die Wissenschaftlichkeit gleich ganz über Bord zu werfen und nur noch politisch motivierte "Forschung" zu betreiben. Frei nach dem Motto: Es gibt ja ohnehin keine absoluten Wahrheiten, dann können wir auch welche generieren, die zu unserem politischen Narrativ passen. In dem Zuge kommt es dann auch gerne zu der Behauptung das die Biologie keinen Einfluss auf das Menschliche Verhalten hat.

         

        Was ich am Relativismus gefährlich finde ist eben das große Missbrauchspotential.

        • @disenchanted:

          Touché

  • Das Dokument faengt gut an, aber dann werden leider ein paar Grundlagenthesen fuer den Rest des Papiers rausgehauen, die keine echte Grundlage haben. Nature vs nurture ist halt einfach nicht geklaert. Das kann weder die eine noch die andere Seite fuer sich in Anspruch nehmen.

     

    Immerhin muss dem Autor zugute gehalten werden, dass er generell auf der "Vielfalt ist gut"-Seite steht und Vorschlaege macht, wie mehr Frauen in technische Berufe gezogen werden koennen. Von daher ist das ganze als konstruktiver Beitrag zu werten, wenn auch einer, mit dem man nicht uebereinstimmen muss.

  • Jeder der ernsthaft behauptet Äpfel und Birnen seien gleich würde als Spinner bezeichnet.

     

    Aber Frauen und Männer als gleich zu bezeichnen wird zur Pflicht?

     

    Jedem der Kinder hat wird aufgefallen sein, dass Unterschiede in Interessen und Fähigkeiten zwischen Jungen und Mädchen angeboren sind.

    • @Marc T.:

      Die unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten hängen aber nicht immer mit dem Geschlecht zusammen. Es gibt zum Beispiel Mädchen, die sich für Technik interessieren und Jungs, die musisch begabt sind. Denen wird durch eine geschlechtsbezogene und nicht individuelle Erziehung und Förderung das Leben und die Weiterentwicklung nicht eben erleichtert.

      • @noctuaNigra:

        "Denen wird durch eine geschlechtsbezogene und nicht individuelle Erziehung und Förderung...."

         

        Sie tun ja gerade so als wäre es verboten oder staatlich sanktioniert seinem technisch interessiertem Mädchen ein Lego-Technik Set anstatt nem rosa Einhorn.

        • @Thomas_Ba_Wü:

          Staatlich nicht, aber die Fakten der Spielzeugabteilungen sprechen für sich.

          • @noctuaNigra:

            Es ist wie bei vielem eine Frag evon Ausnahme und Regel. Puppenhersteller würden liebend gerne Puppen an Jungs verkaufen, und Lego ist verzweifelt bemüht, die weibliche Klientel für seine Bausätze zu begeistern. Die Nachfrage dafür gibt es auch, aber sie ist vergleichsweise klein. Also ist auch das Angebot mager. In diesem Sinne gibt es natürlich Jungs und Mädchen, die aus den klischeemäßigen Verhaltensmustern hinausfallen, und die es folglich schwer haben.

             

            Das gleiche gilt aber z. B. für Linkshänder, besonders Groß- oder Kleinwüchsige oder auch (immer noch) Homosexuelle: Auch sie befinden sich außerhalb des auf die Mehrheit zugeschnittenen Mainstreams und müssen sich zur Befriedigung ihrer besonderen Bedürfnisse nach Speziallösungen umschauen, wo ihre meisten Mitmenschen einfach mit dem Strom schwimmen. Komischerweise behauptet aber deshalb niemand, dass die jeweiligen "Normalfälle", also z. B. Rechthändigkeit oder Heterosexualität nur soziale Konstrukte seien. Bei der Körpergröße wäre das sogar erkennbar absurd.

             

            Der Punkt ist, dass man - sowohl wa die biologisch als auch was die soziologisch bedingten Verhaltensmuster betrifft, eher von Prädispositionen reden muss, die nicht notwendigerweise durchschlagen und auch mal völlig fehlen können. Das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt.

  • Programmieren ist ein kreativer Beruf mehr als ein technischer, obwohl technisches Verständnis auch notwendig ist. Deswegen sollten sich Programmierer nicht so sehr über Künstler lustig machen.

     

    (Und deswegen läuft es auch in Deutschland nicht so mit der Software-Industrie. Im kreativen Bereich ist Deutschland generell schwach.)

    • @kditd:

      Das ist zwar theoretisch wahr, allerdings wird Kreativität bei einfachen Programmierern nur sehr begrenzt geschätzt, weil einmal getroffene Design-Entscheidungen nicht einfach über den Haufen geworfen werden sollen. Klar es gibt diesen ganzen Agilitäts-Wahn aber der ändert daran praktisch nicht viel.

       

      Allerdings ist die Kreativität eines Programmierers eine ganz andere als die eines Künstlers. Wenn ich in Besprechungen sitze und mir die Anzüge meiner Kollegen ansehe dann findet man kaum einen der ordentlich sitzt, gut verarbeitet ist, zu Schuhen, Gürtel und weiteren Accessoires passt und so weiter. An Sinn für Ästhetik mangelt es vielen Menschen in technischen Berufen.

    • @kditd:

      Absoluter Schwachsinn.

       

      Deutschland lebt von seinen kreativen Ingenieuren, Designern und Entwicklern.

       

      Deutschland hat keine Rohstoffe sondern nur die Kreativität der schaffenden Menschen. Hauptsächlich im technischen Bereich.

       

      Nur so schafft es das relative kleine Land die 4. stärkste Wirtschaftsnation dieser Welt zu sein.

      • @Alfred Vail:

        So ist es. Und ich finde die Dieselsoftware ist, nüchtern und objektiv betrachtet, ein schönes Beispiel für die Kreativität :-)

  • "Der Autor des Papiers verstehe nicht, dass technische Berufe Kooperation, Zusammenarbeit und Empathie benötigten."

    Na, genau, denn DAS können Frauen ja schließlich.

  • Na, der hängt sich ja weit aus dem Fenster, dieser Programmierer! Ich meine: Sind es denn die Frauen, die sich (selbst) einstellen bei Google? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass auch bei Google die (überrepräsentierten) Männer aus den Personal-Abteilungen entscheiden, wer eingestellt wird und wer nicht.

     

    Wäre ich dieser Kerl, würde ich mich vorsichtshalber (wenigstens statistisch) vergewissern, dass es nicht die Biologie von Frauen ist, die Google-Personaler die falsche Auswahl unter den Job-Anwärterinnen treffen lässt, bevor ich töne, dass ihre Biologie Frauen am Programmieren hindert. Lange blonde oder brünette Haare, eine Taille zwischen 60 und 70 cm, Ein-Meter-Plus-X-Beine und eine Körbchengröße ab DD aufwärts sind ja schließlich noch keine Garanten für fachliche Spitzenleistungen.

     

    Männer werden sehr viel seltener nach ihrem Äußeren beurteilt als Frauen. Deswegen schaffen es Männer selbst dann auf lukrative Posten, wenn sie nach landläufigen Maßstäben potthässlich sind. Ich finde, das ist schon Diskriminierung genug, auch ohne dass ein neidischer Nerd seinen Senf zehnseitig dazu gibt.

     

    Wie dieser Programmierer ausschaut, wird leider nirgends ausdrücklich erwähnt. Womöglich ist er ja sogar attraktiv. Seinem überragenden Intellekt jedenfalls kann er seine Einstellung nicht verdanken. Aber – hey! – vielleicht kann er ja wenigstens Programme schreiben. Sonderlich wahrscheinlich ist das aber nicht. Er würde die weibliche Konkurrenz ja sonst nicht so sehr fürchte, dass er Frauen generell und völlig unbesehen aus den heiligen Google-Hallen verbannt wissen möchte.

    • @mowgli:

      Jawoll! Die Google-Personaler sind alle so doof, dass sie die tollen Bewerberinnen raus sortieren und nur die noch dooferen männlichen Bewerber einstellen. Googles Stern ist eindeutig am sinken ...

    • @mowgli:

      Sie haben das Memo offensichtlich nicht gelesen. Das sollten Sie nachholen.

       

      Übringends ist nicht jeder doof der andere Ansichten vertritt als Sie.

  • Die Diskriminierung von Frauen in technischen Berufen ist doch das Resultat einer Entwicklung, die in der Spielzeugabteilung anfängt. Barbie-Puppen und rosa nur für Mädchen; Lego-Technik und blau nur für Jungs. Da muss man ansetzen, denn da ist in den letzten Jahrzehnten etwas mächtig schief gelaufen. Der Schaden, der da angerichtet wird, ist , wenn überhaupt, nur mit hohem Aufwand zu reparieren, schon gar nicht mit ein paar Tagen Girls-days.

    • @noctuaNigra:

      ich weiß nicht, ob es Diskriminierung ist. In den Städten, wo ich arbeite, gibt es viele Baustellen. Ich sehe ständig Väter, die mit kleinen Kindern da stehen und die ganzen Geräte, Bagger usw. angucken - und in Bus und Bahn ganz viele Jungen, die fasziniert aus dem Fenster gucken, wenn da große Baumaschinen arbeiten. Bei Mädchen passiert dies sogar in sehr jungem Alter so gut wie nie, dass sie begeistert ihre Eltern auf den Bagger hinweisen. Die begeistern sich dafür umso mehr für süße Tiere - alles nur anerzogen???

      • @Dr. McSchreck:

        Ob alles anerzogen ist oder nicht, ist nicht mein Thema. Schaut man aber mal in die Spielzeugabteilung, dann ist klar, dass die Unterschiede massiv verstärkt werden. Selbst wenn es Minderheiten sind, aber Mädchen, die sich für Technik interessieren, oder Jungs, die sich für Pferde begeistern, müssen sich wie im falschen Film vorkommen.

    • @noctuaNigra:

      Ihre These wurde bereits mehrfach wiederlegt. Letztes Beispiel: https://digest.bps.org.uk/2016/06/03/infants-show-a-preference-for-toys-that-match-their-gender-before-they-know-what-gender-is/

       

      Ich arbeite seit über zehn Jahren in der IT-Branche und eines kann ich ihnen sagen: Der Einstieg ist schwer! Die Bewerber die wir nehmen haben i.d.R. mit 12 oder 13 Jahren in Eigenregie ihre erste Programmiersprache erlernt und sich mit der Technik auseinandergestzt.

       

      Wir versuchen seit Jahren endlich mal wieder eine weibliche Bewerberin einzustellen. Aber es klappt einfach nicht. Es sind von Anfang an nicht viele Bewerberinnin dabei. Dann gibt es einen Test, dabei fliegen 80% aller Bewerber raus. Die Frauen die den Test schaffen werden aber eben auch mit Angeboten von anderen Firmen überhäuft, weil diese auch versuchen Frauen für Ihr Team zu gewinnen. Fähige Arbeitskräfte sind in dieser Branche ohnehin stark umworben aber bei Frauen ist es schon extrem.

      • @disenchanted:

        Es geht mir nicht darum, Unterschiede weg zu diskutieren, die man bei großen Ensembles fest stellen kann. Mein Punkt ist der, dass es in den letzten Jahren für einzelne Kinder schwerer und nicht leichter wurde, sich für Themen zu interessieren, die "normalerweise" dem anderen Geschlecht zugeordnet werden, z. B. Mädchen, die sich für Technik interessieren oder Jungs mit besonderer Fingerfertigkeit, die sich für Handarbeiten interessieren. Es ist die Gleichmacherei und Festlegung innerhalb der Geschlechter, die ich anprangere. Die Entwicklung in der Spielzeugabteilung ist genau das Gegenteil der öffentlichen wahr genommenen Entwicklung.

        • @noctuaNigra:

          Dann gugn sie sich mal die Skandinavischen Länder an. Die Geschlechtsunterschiede dort werden immer größer weil der Erfolgsdruck wegfällt. Es gibt % mehr pakistanische Programmiererinnen als Skandinavische. Warum? Geldmangel. Wer aber abgesichert ist entscheidet sich wofür er will. Dann reichen auch recht minimale Geschlechtsunterschiede für große Gesellschaftliche Differenzen in der Berufswahl.

        • @noctuaNigra:

          Okay, das habe ich etwas anders vestanden aber dann sind wir ja scheinbar doch nächer beieinaner als gedacht. Warum glauben Sie das es jetzt schwieriger ist z.B. als Frau in einen technischen Beruf vorzustoßen als noch vor ein paar Jahren? Zumindest bei uns gibt es immer mehr Förderprogramme für Frauen. Zugegeben die haben bisher nie zu einer Einstellung geführt,... aber der Versuch ist da.

          • @disenchanted:

            Meiner Ansicht nach versuchen die Förderprogramme mit hohem Aufwand, das zu reparieren, was von der Spielzeugindustrie an Schaden angerichtet wird. Schon allein weil es die Konkurrenz um den Platz im Regal gibt, wodurch ein Hersteller, der das gleiche Spielzeug in zwei Varianten für Mädchen und Jungs anbietet, einen Vorteil hat. Da ist ein Automatismus am Werke, der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern unnötig verstärkt.

            • @noctuaNigra:

              Meinen Sie wirklich, Mattel würde nicht gerne seine hochprofitablen Barbies auch an Jungs verkaufen und Lego nicht seine teuren Technik-Bausätze auch an Mädchen? Wer pfeift denn freiwillig auf 50% der potenziellen Kundschaft?