Sexualisierte Gewalt bei Google: 48 Angestellte in zwei Jahren gefeuert
48 Mitarbeiter mussten wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gehen. 13 der Betroffenen seien Angestellte in verantwortlichen Positionen gewesen.
San Francisco/Mountain View ap/dpa | Google hat im Laufe der vergangenen zwei Jahre nach eigenen Angaben 48 Angestellte wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gefeuert. Darunter seien 13 Topmanager oder andere Führungskräfte gewesen, schrieb Konzernchef Sundar Pichai in einer E-Mail am Donnerstag an die Belegschaft, die von verschiedenen US-Medien im Internet veröffentlicht wurde. Keiner der Entlassenen habe eine Abfindung bekommen.
Pichai reagierte damit auf einen Bericht der New York Times, der sein Unternehmen ziemlich schlecht aussehen lässt. Die Zeitung schrieb unter Berufung auf zwei Insider, Google habe beim Abgang von Andy Rubin – dem Kopf hinter dem Android-Betriebssystem für Smartphones – im Jahr 2014 verschwiegen, dass Rubin wegen sexuellen Fehlverhaltens entlassen wurde.
Angeblich wurde Rubin von einer Mitarbeiterin, mit der er eine außereheliche Beziehung gehabt haben soll, beschuldigt, sie 2013 in einem Hotelzimmer zum Oralsex gezwungen zu haben. Google habe von den Vorwürfen erfahren, Rubin aber dennoch bei seinem Abgang in den höchsten Tönen gelobt und ihm eine Abfindung von 90 Millionen Dollar gezahlt, heißt es in dem Bericht.
Ein Sprecher Rubins wies die Darstellung zurück. Er sei aus freien Stücken gegangen und nie über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens unterrichtet worden. Gleichwohl räume Rubin einvernehmliche sexuelle Beziehungen zu Google-Angestellten ein, die ihm nicht unterstanden seien. Somit habe er sich an damalige Google-Richtlinien gehalten, sagte Sprecher Sam Singer.
Ein Schlaglicht auf die Kultur im Silicon Valley
Laut New York Times hat Google im letzten Jahrzehnt auch noch über zwei weitere Führungskräfte, die der sexuellen Belästigung beschuldigt wurden, schützend die Hand gehalten. Einer habe ein Abfindungspaket bekommen, der andere sei auf seinem Posten belassen worden. Die Zeitung stützt sich auf Firmen- und Gerichtsdokumente sowie auf Gespräche mit mehr als drei Dutzend Google-Mitarbeitern.
Unternehmenschef Pichai ging nicht direkt auf die Anschuldigungen ein und bestritt den Bericht auch nicht. Zugleich räumte er ein, dass der Artikel „schwer zu verdauen“ sei. In der E-Mail an seine Mitarbeiter zeigte sich Pichai denn auch bemüht, deutlich zu machen, dass sich die Zeiten bei Google nach dem Abgang Rubins verändert hätten.
Schon 2015 habe der Konzern strengere Regeln eingeführt. Danach müssen Führungskräfte alle Beziehungen zu Angestellten offenlegen, auch wenn diese nicht in derselben Abteilung arbeiten oder kein offensichtliches Konfliktpotenzial vorliege. „Uns ist es todernst damit, einen sicheren und integrativen Arbeitsplatz zu gewährleisten“, schrieb er. Die Enthüllungen um sexuelle Belästigung sind trotz der Beteuerungen ein Rückschlag für das 20 Jahre alte Unternehmen, das in seiner Frühphase das Firmenmotto „Sei nicht böse“ ausgab.
Mittlerweile hat sich Google unter dem Dach des Mutterkonzerns Alphabet den Slogan „Tue das Richtige“ auf die Fahnen geschrieben. Die jüngsten Vorfälle werfen auch ein Schlaglicht auf eine Kultur im Silicon Valley, die seit Jahren von männlichen High-Tech-Experten dominiert wird, die aus Sicht von Kritikern oft noch immer den Nimbus von Mitgliedern von Studentenverbindungen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Habeck fordert Milliardärssteuer
Wer glaubt noch an Robert Hood?
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Vorteile von physischen Spielen
Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum
Gründe für das Aus der SPD-Kanzler
Warum Scholz scheiterte