Fragwürdige Zahlen von Armin Laschet: Klimabilanz von NRW geschönt
Laschet behauptet fälschlicherweise, NRW habe seit 1990 am meisten CO2 eingespart. Seine Quelle sind jedoch vorläufige Zahlen.
taz | Dass Nordrhein-Westfalen beim Klimaschutz führend sei, hat Armin Laschet in der letzten Zeit zur Verwunderung der Fachöffentlichkeit schon häufiger behauptet. Doch während seine Aussagen dabei bisher meist so wenig konkret waren, dass sie sich nicht wirklich überprüfen ließen, hat sich der Unions-Kanzlerkandidat am Freitag sehr genau festgelegt. Zum Rückgang des CO2-Ausstoßes seit 1990 sagte er in einer Pressekonferenz (hier im Video): „Wir haben in Nordrhein-Westfalen bereits 45 Prozent erreicht.“ Und fügte hinzu: „Kein anderes deutsches Bundesland hat so viel CO2 eingespart.“
Diese Aussage ist allerdings nicht haltbar. Unabhängig verglichen werden die Treibhausgasmissionen der Bundesländer in der „Umweltökonomischen Gesamtrechnung“ durch die Landesstatistikämter. Dort stammen die aktuellsten Werte für NRW von 2018 und zeigen im Vergleich zu 1990 einen Rückgang, der mit 27 Prozent geringer ausfällt als der bundesweite Durchschnitt. Den größten Rückgang hat gemäß dieser Statistik Thüringen verzeichnet, wo die Emissionen bis 2017 um 59 Prozent zurückgingen.
Laschet bezieht sich bei seinen 45 Prozent dagegen auf vorläufige Zahlen seines Landes für 2020. Tatsächlich hat NRW in den letzten zwei Jahren einen starken Rückgang bei den Emissionen verzeichnet, weil die Kohlekraftwerke sehr viel weniger Strom produziert haben als zuvor. Das hatte allerdings nichts mit der Politik des Landes zu tun, sondern lag vor allem daran, dass die CO2-Preise im Emissionshandel deutlich gestiegen waren und zudem durch die Coronakrise deutlich weniger Strom verbraucht wurde.
Doch selbst wenn man die vorläufige Zahl von 2020 verwendet, kann Laschets Aussage, dass NRW im Vergleich zu 1990 mit 45 Prozent mehr CO2 eingespart habe als jedes andere Bundesland, nicht stimmen, wenn man die 59 Prozent betrachtet, die Thüringen bereits 2017 erreicht hatte. Eine Anfrage, wie Laschet zu seiner Aussage gekommen sei, ließ die Staatskanzlei bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet.
Unterdessen räumte Laschet ein, dass beim Klimaschutz künftig mehr Tempo erforderlich sei; was konkret geändert werden soll, lässt er aber offen. Ähnlich sieht es beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) aus. „Wir brauchen schon einen Klimaruck in Deutschland“, sagte er am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Erforderlich seien sofortige Klimaanpassungsmaßnahmen und einen erhöhtes Tempo beim Klimaschutz. Am Mittwoch will Söder in einer Regierungserklärung ein Klimaschutzgesetz vorstellen.
Ausbau der Windenergie stark beschränkt
Bayerns Opposition hält diese Kursänderung für wenig glaubwürdig. Schließlich sitzt Söders CSU in Bayern schon seit 1957 ohne Unterbrechung in der Regierung, und auf die Existenz der Klimakrise wurde man nicht erst durch die aktuelle Hochwasserkatastrophe aufmerksam. Die Grünen machten nun 16 schnell umsetzbare Vorschläge in den Bereichen Energie, Wärme und Mobilität, etwa eine Erhöhung des CO2-Preises.
Vor allem ist ihnen Söders „Verweigerungspolitik“ bei der Windkraft ein Dorn im Auge. Die 10-H-Regel, wonach Windräder zum nächsten Wohngebiet einen Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe haben müssten, hätte den Ausbau der Windenergie stark beschränkt und müsse dringend beerdigt werden.
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