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Forderung nach Kampfjets für die UkraineScholz kann drei Kreuze machen

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Nach der Entscheidung für die Lieferung deutscher Leopard-Panzer an die Ukraine werden Rufe nach Kampfjets aus Bundeswehrbeständen lauter. Dabei ergibt das überhaupt keinen Sinn.

Nach dem Leopard ist vor dem Kampfjet: Olaf Scholz am 16.01.2023 Foto: Marijan Murat/dpa

E in Defizit hatte die deutsche Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine von Anfang an: Nie wurde ausschließlich ehrlich zwischen Nutzen, Kosten und Risiken abgewogen. Immer schwangen angeblich pragmatische Scheinargumente mit: Panzer XY hat die Bundeswehr selbst nicht in ausreichender Zahl im Arsenal. Die Ausbildung daran würde zu lange dauern. Instandhalten können die Ukrai­ne­r*in­nen ihn eh nicht. Diese Argumente hielten immer so lange, bis die politische Entscheidung doch zugunsten der Lieferung fiel. Ab da ließen sich die vermeintlich unlösbaren Probleme plötzlich handlen.

Diese instrumentelle Verzerrung von Sachargumenten hat nicht nur eine informierte öffentliche Debatte behindert. Sie hat auch ein Misstrauen gegenüber solchen Argumenten erzeugt: Sie wirken auch dann vorgeschoben, wenn sie zur Abwechslung doch mal schwer wiegen. So wie jetzt, da sich die Debatte von Kampfpanzern hin zu Kampfjets bewegt.

Deutsche Tornados oder Eurofighter für die Ukraine? Pragmatisch betrachtet ist es tatsächlich sehr zweifelhaft, ob eine solche Entscheidung Sinn ergeben würde. Ein Flugzeug zu fliegen ist komplizierter, als einen Panzer zu fahren. Für die Instandhaltung gilt dasselbe. Es würde die ukrainische Luftwaffe wohl wirklich überfordern, zig verschiedene Flugzeugtypen zu unterhalten.

Im Fokus dürften daher zunächst Jets sowjetischer Bauart stehen, mit der die Ukraine Erfahrung hat, und in einem zweiten Schritt US-amerikanische F-16-Flugzeuge, an denen ukrainische Pi­lo­t*in­nen angeblich schon ausgebildet werden und von denen es weltweit Tausende Exemplare gibt. Olaf Scholz kann drei Kreuze machen: Keines davon gehört der Bundeswehr.

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Der Schritt vom Kampfpanzer zum Kampfjet ist ein großer

Trotzdem ist nicht gesagt, dass sich die Bundesregierung der Debatte auf Dauer entziehen kann: Polen besitzt gebrauchte MiG-29-Jets aus DDR-Beständen. Wie zuletzt bei den Leopard-Kampfpanzern müsste Deutschland zustimmen, wenn die polnische Regierung sie abgeben möchte. Mit dem Gedanken gespielt hatte Warschau schon kurz nach Kriegsbeginn.

Gescheitert ist die Sache damals in einem frühen Stadium – nicht zuletzt an Bedenken der USA. Das Eskalationsrisiko sei in dem Fall zu groß, hieß es aus der US-Regierung. Es stehe in keinem Verhältnis zu dem geringen militärischen Vorteil, den die Lieferung bieten würde. So ein Argument muss man ernst nehmen. Mittlerweile haben sich zwar viele Parameter verändert. Aber so sehr, dass dadurch das Nutzen-Risiko-Verhältnis gekippt ist? Das sollte die Bundesregierung, falls es ernst wird, sehr gründlich prüfen. Der Schritt vom Kampfpanzer zum Kampfjet ist schließlich ein großer. Größer als der von einem Panzer zum anderen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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27 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Ich denke ein anderer Punkt ist wichtiger:



    unsere Denkweise des Gegengewichts, Ausgleichs, Verhandelns, funktioniert nicht mit Putin, den Pasdaran und allen solchen Herrschern, die dem Westen oder dem Nachbar-Land den Erfolg, die eigene Weiterentwicklung nicht gönnen, die es zerstören wollen, egal wie.



    Diese Tauschhandels-Denke ist Illusion.

  • Es ist schlicht so dass der größte militärische Nutzen aus dem möglichst klugen Zusammenspiel aller Waffen- und Truppengattungen erwächst. Deshalb ist diese Fixierung auf einzelne "wunderwaffen" auch so dämlich. Die Ukraine hat ein zu großen Teilen beschädigtes Stromnetz und die Rüstungsindustrie ist ebenfalls sicher zu großen Teilen kaputt. Die Russen besitzen überlegene Kampfjets und die sowjetischen Arsenale für die Ukraine werden irgendwann erschöpft sein. Also muss man jetzt darüber nachdenken welcher Jet in Frage kommt und die Piloten ausbilden. Weil das alles kann Jahre dauern.

  • 100 Points plus Zusatz Point für unseren besonnenen Bundeskanzler Olaf Scholz.



    Keine Alleingänge - und sicher bleibt die Frage der Verantwortung der Ukrainischen Regierung, uns Europa Ländern gegenüber, weiterhin hinter verschlossenen Türen und nicht in die Öffentlichkeit. Alle Achtung !

  • Wir leben echt in einer Zeitenwende. Die Lieferung von Kampfjets? Frage der Zeit, wie alle Formen der Waffen-Lieferungen an die Ukraine.

    Voll spannend, die moralische Wende im Westen.

    "Wir ziehen wieder nach Osten" sagen die Rechten. Falscher könnten Sie nicht liegen. Wir verteidigen - gemeinsam - die europäische Demokratie. Dazu müssen wir opferbereit sein. O. Scholz hat das nun wohl verstanden. Gut so.

  • Falls es noch keiner mitbekommen hat:

    Der Krieg in der Ukraine kein Ballerspiel am Computer, sondern echt.



    Mit allen Konsequenzen.

  • Wer wissen will, welche Meinung Sahra Wagenknecht zum Ukraine-Krieg im allgemeinen und zur NATO und Kanzler Scholz im speziellen hat, möge ihren Gastkommentar in www.jungewelt.de/a...den-weltkrieg.html lesen!

    • @Pfanni:

      warum sollte man das wollen? Sie hat keine fachliche Ausbildung, kein politisches Gespür und keine selbst-verdiente Karriere als Politikerin.

      • @CallmeIshmael:

        ....was verstehen Sie denn bitte unter einer fachlichen Qualifikation ?



        Ihr Studium hat Frau Wagenknecht mit bravour absolviert.



        Frau Wagenknecht ihre politsche Kariere absprechen zu wollen, disqualifiziert eher Sie - Callmeismael - und lässt auf gewisse Wissenslücken schliessen....

      • @CallmeIshmael:

        Naja, wenn 19% der Deutschen sich laut einer Umfrage vorstellen könnten, eine Wagenknecht-Partei zu wählen, ist das keine kleine Hausnummer … der Kanzler muss schon zusehen, sein Volk in Sachen Kriegszustimmung bei der Stange zu halten, die Haltung hierzulande ist in dieser Hinsicht gespalten und unsere Verbündeten sind schon misstrauisch genug.



        Das ganze bisherige Rumgeeiere bei den Waffenlieferungen ist schließlich diesem Umstand geschuldet.

      • @CallmeIshmael:

        die fehlende fachliche Ausbildung disqualifiziert sie nicht. Frau Baerbock und Herr Habeck haben auch keine einschlägige Ausbildung und führen mit viel Sachverstand und Brillianz ihre jeweiligen Ministerien.



        Auch Frau Lambrecht hatte sich in ihr Fachgebiet ausgezeichnet eingelesen.

        Die fehlende fachliche Ausbildung ist es also nicht! Frau Merkel war? Physikerin. Ronald Reagan? Schauspieler.. Herr Selenski? Sehen Sie, was ich meine...

        Was Frau Wagenknecht jedoch in meinen Augen völlig ungeeigent macht, ist ihre idiologische Brille, ihre fehlende Haltung und ihre Kremelnähe.

        Ich denke, sie isoliert sich mit dieser Haltung immer mehr.

        Weshalb die Junge Welt ihr eine Plattform geboten hat? Unverständlich!

  • Das ist nur eine Frage der Zeit. Wir werden auch Kampfjets liefern. Und die ukrainischen PilotInnen werden lernen damit umzugehen. Wir leben in der Zeitenwende.

    • @wollewatz:

      Nein, nicht wir (im Sinne von Deutschland), denn es stimmt wie in dem Artikel, dass die Ukraine nicht viel mit Tornados oder Eurofighter anfangen kann. Es werden in erster Linie MiG-29 sein müssen (obwohl deren Kampfwert heute als nicht ausreichend angesichts der Bedrohungslage betrachtet werden muss), in zweiter Linie F-16, die ein weit verbreitetes, überaus bewährtes und zeitgemäßes Waffensystem ist.

    • @wollewatz:

      Das sehe ich so wie Sie, nur dass ich mir darüber nicht vor Freude in die Hose mache wie manche anderen.



      Die „Zeitenwende“ ist übrigens mein persönliches Unwort des Jahres, nein, des Jahrhunderts. Die gibt es ja nicht - jedenfalls nicht im positiven Sinne -, denn es geht ja alles so selbstzerstörerisch und zivilisationsvernichtend weiter wie bisher, wenn nicht noch schlimmer.

    • @wollewatz:

      "Wir leben in der Zeitenwende."

      Zur Endzeit?

  • Die Stategie des Ringtauschs war die erste Panzerlieferung mit deutscher Beteiligung.



    Befreundete NATO Staaten erhalten zum Ausgleich anderes Gerät, unter anderem den Leopard 2.



    Die Bereitstellung ging relativ zügig über die Bühne und die Ukrainische Armee hatte Material in Händen, mit dem sie sich auskannte.



    Außerdem verblieben die Panzerfahrer dort, wo sie gebraucht wurden, im Land und nicht auf einem Lehrgang im Ausland.



    Nach einem Jahr Krieg schwindet das sovjetische Erbe, sowohl in der Anzahl der Panzer, als auch bei Munition und Ersatzteilen. Daher sind die jetzigen Lieferungen zeitgemäß. Die Problematik der auf diesem Gerät nicht ausgebildeten Ukrainer, in Handhabung und Reperatur bleibt. Die praktischen sovjetischen Alternativen als Nachlieferung sind allerdings bald aufgebraucht.



    Nun werden ukrainische Panzerfahrer an mindestens 6 verschiedenen Panzern im Schnelldurchlauf ausgebildet.



    Hoffen wir mal, dass das " friendly fire " im Rahmen bleibt.



    Der zunehmend undemokratisch agierende Selensky und seine offenbar korrupte Regierung sollte evtl. auch mal auf den Prüfstand, bevor wir ihm am laufenden Band schenken, was ihm so täglich einfällt.



    Abgesehen von mehr Waffen, ist, nach wie vor, keine Exitstrategie zu erkennen.

    • @Philippo1000:

      Ich glaube, Ihre Ausführungen sind exakt das, was Tobias Schulze mit "instrumenteller Verzerrung von Sachargumenten" meinte.

  • Ihr Wort in sämtliche Gehörgänge!

  • Drei Kreuze?



    Ok, aber ich dachte der Mann wäre durchaus im Stande flüssig seinen Namen zu schreiben ...

  • Die Ukraine hat gezeigt, dass sie effektiv und verantwortungsvoll gegen die Russen kämpfen kann. Niemand außer den Ukrainer.innen leidet unter der russischen Eskalation. Und die Ukrainer.innen wären auch die ersten, die unter dem Horrorszenario nukleare Eskalation leiden würden. Niemand muss der Ukraine erklären wie gefährlich Russland ist. Trotzdem gibt es die Schlaumeier in Berlin und anderswo, die der Ukraine erklären, welche Waffen gut für sie sind und welche nicht. Das Mastermind der ukrainischen militärischen Effizienz ist General Zaluzhnyj. Er hat im Economist dargelegt, was er braiucht, um Russland zu besiegen und die Ukraine zu befreien. Es wird Zeit, dass der Mann bekommt, was er braucht und das paternalistische Geschwätz in den Amtsstuben und Redaktionen in Deutschland ein Ende hat. Nicht in Berlin soll entscheiden werden, welche Waffen die Ukraine bekommt, sondern die Ukraine sollte entscheiden. Und wenn es Kampfjets, Raketen und Kriegsschiffe sind, sollte der Westen auch das liefern. Es wird sowieso dazu kommen früher oder später. Das ist die Lehre der letzten 11 Monate. Das Geplapper des Scholzomaten hatte immer nur eine Halbwertszeit von ein paar Wochen oder Tagen.

    • @Michael Myers:

      „Trotzdem gibt es die Schlaumeier in Berlin und anderswo, die der Ukraine erklären, welche Waffen gut für sie sind und welche nicht.“



      Da haben Sie natürlich recht. Nur gib es noch andere gute Gründe - jenseits von Paternalismus, wie Sie unterstellen, und Putin-Versteherei, die ja auch immer gleich in Anschlag gebracht wird, sobald man abweichende Argumente anführt - in puncto Waffenlieferungen vorsichtig und abwägend zu bleiben, ohne Schaum vor dem Mund.



      Wenn Ihnen und anderen Foristen allerdings schon bei den Worten Vorsicht und Abwägen der Kamm schwillt und alle möglichen niederen Motive unterstellt werden (bis hin zur Unterstützung des russischen Völkermordes) wird eine ernsthafte Debatte über die deutschen Unterstützungsoptionen für die Ukraine in der Tat ziemlich schwierig.

    • @Michael Myers:

      Ja, das finde ich auch so. Hier in der Kolumne klingt Tobias Schulze (wie leider oft in der TAZ) zu "Putin-Versteher" für mich.

      • @CallmeIshmael:

        Ja. Die Welt ist so einfach. Wer nicht ohne nachzudenken auf "Linie" ist, muss natürlich ein "Putin-Versteher" sein.

        Ein deutscher Kanzler hat mal gefordert, die Leute sollen nicht denken, sondern fühlen. Diese Sicht scheint wieder beliebt zu werden.

    • @Michael Myers:

      "Nicht in Berlin soll entscheiden werden, welche Waffen die Ukraine bekommt, sondern die Ukraine sollte entscheiden."

      Irrtum. Der Lieferant entscheidet, was er liefern will. In diesem Fall die Bundesregierung. Und diese wurde gewählt, um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Nicht als Wunschfee der ukrainischen Regierung.

      Wir balancieren gerade hart an der Grenze eines Atomkrieges und einige haben nichts besseres zu tun, als zu fordern, der Risiko immer mehr zu erhöhen.

    • @Michael Myers:

      👎

      • @Alex_der_Wunderer:

        👍

    • @Michael Myers:

      Stark! Volle Zustimmung. Wenn man diesen Krieg irgendwann wirklich beendet sehen will, dann muss man die Ukraine darin unterstützen ihr Staatsgebiet zurück zu erobern. Dass Putin durchdreht ist möglich, aber unwahrscheinlich. Er hat immer zu viel zu verlieren.