Folgen des Ampel-Aus für die Miete: Leerstelle Mieterschutz
Die Verlängerung der Mietpreisbremse steht vor dem Aus. Ob die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen daran etwas ändern kann?
![Kanzler Olaf Scholz steht an einem Fenster. Kanzler Olaf Scholz steht an einem Fenster.](https://taz.de/picture/7344056/14/36975308-1.jpeg)
„In den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestages bis Weihnachten werden wir alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die keinerlei Aufschub dulden“, versprach er. Dann zählte er auf, was er darunter versteht: den Abbau der kalten Progression, Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die Verschärfung des Europäischen Asylsystems umzusetzen und Soforthilfe für die Industrie.
Wer dachte, dass der Kanzler auch etwas zum bezahlbaren Wohnen sagen würde, wurde enttäuscht. Dabei steht nichts weniger als das Ende der Mietpreisbremse im Raum. Und das bedeutet im Prinzip: mehr Markt auf dem Mietmarkt. Schon jetzt gehören unbezahlbare Mieten laut Studien zu den größten Sorgen in der Bevölkerung.
Dem Deutschen Mieterbund ist das nicht entgangen. „Die Umsetzung wichtiger mietrechtlicher Gesetzesvorhaben wie die Verlängerung der Mietpreisbremse dürfen jetzt nicht in Vergessenheit geraten“, forderte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten zum verkündeten Ende der Ampelregierung. „Es wäre in keiner Weise zumutbar, wenn in Ländern wie Berlin, Hamburg oder Bayern, sowie in allen anderen stark nachgefragten Regionen, keinerlei Begrenzung der Miete bei Anmietung einer neuen Wohnung mehr existieren würde.“
In manchen Bundesländern läuft die Mietpreisbremse bereits früher aus. In Berlin zum Beispiel, wo über 80 Prozent der Einwohner*innen zur Miete wohnen, Ende Mai nächsten Jahres. Unklar ist, was danach passiert. Das Land könnte die Mietpreisbremse eventuell noch bis zum Auslaufen der Bundesregelung Ende 2025 verlängern. Auf die Frage, ob das denn geplant sei, antwortete die Senatsverwaltung für Wohnen ausweichend: „Berlin hofft natürlich, dass die Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren fortsetzt und der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode die Verlängerung der Mietpreisbremse beschließt“, hieß es in der Antwort.
Gerangel um die Mietpreisbremse
Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse gilt bislang bis Ende 2025. Sie regelt in angespannten Wohnlagen, wie hoch eine Miete sein darf, wenn eine Wohnung neu oder wieder vermietet wird. Sie darf bei Vertragsabschluss die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. Für Neubauten gilt die Mietpreisbremse allerdings nicht, ebenso wenig für umfassend modernisierten Wohnraum. Wo ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt, legen die Landesregierungen fest. Aber ob die Mietpreisbremse als Ganzes verlängert wird oder nicht, das ist Sache der Bundesregierung.
Erst kürzlich hatte nach langem Gerangel der Jetzt-Nicht-Mehr-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2028 vorgelegt. SPD und Grüne wollten eigentlich eine Verlängerung bis Ende 2029, hatten sich aber nicht durchsetzen können. Genauso wenig wie mit anderen Verbesserungsvorschlägen und anderen Mieterschutzmaßnahmen.
Mehr war mit der FDP offenbar nicht drin. Denn die Liberalen sind, das ist kein Geheimnis, eigentlich erklärte Gegner der Mietpreisbremse. Das lässt sich auch in ihrem Parteiprogramm nachlesen. Die vorerst verbleibende Minderheitsregierung aus SPD und Grünen hat allerdings keine Mehrheit mehr im Bundestag. Will sie die Mietpreisbremse verlängern, müsste sie sich Verbündete in der Opposition suchen.
Klar ist, auf die FDP kann Rot-Grün nicht zählen. „Die Mietpreisbremse war schon immer eine Investitionsbremse“, erklärte Wohnungspolitiker Daniel Föst der taz. Deshalb hätte sich die Partei immer gegen die Mietpreisbremse ausgesprochen und werde im Bundestag „einer Verlängerung auch nicht zustimmen.“
Union hält sich bedeckt
Aufgeben möchten SPD und Grüne aber nicht. „Wir werden selbstverständlich alles daransetzen, die Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu verlängern“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens der taz. Jetzt sei der „Zeitpunkt gekommen, an dem alle demokratischen Parteien klar zeigen müssen, ob ihnen die soziale Brisanz der stetig steigenden Mieten und des Mangels an bezahlbarem Wohnraum bewusst ist“.
Auch für die grüne Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller hat das Mietrecht „nach wie vor hohe Priorität“. Ob man die nötigen Mehrheiten finde, hänge aber auch von der Union ab. „Immerhin hat sie die Mietpreisbremse mit eingeführt“, sagte Steinmüller der taz. CDU und die teils etwas mieterfreundlichere CSU äußerten sich auf Nachfrage zunächst nicht.
Offen zeigte sich aber die Linkengruppe im Bundestag. Deren Stimmen alleine werden allerdings auch nicht reichen. „Selbstverständlich wird keine sinnvolle soziale Initiative an der Linken scheitern – auch eine Verlängerung der Mietpreisbremse nicht“, sagte Caren Lay der taz. Damit diese aber nicht „komplett zahnlos“ bleibe, müssten „mindestens die zahlreichen Ausnahmen, etwa für möblierte oder modernisierte Wohnungen oder für Neubau gestrichen werden“. Hoffungsfroh klang Caren Lay nicht: Das Thema Mietenpolitik habe „bedauerlicher Weise nicht zu den Schwerpunkten gehört, von denen Scholz gesagt hat, dass er sie noch bearbeiten will“.
Ohnehin ist der Zeitplan eng. Bis zum 6. Dezember 2024 haben die Länder und Verbände die Möglichkeit, zum vorgelegten Gesetzentwurf Stellung zu beziehen. Der Eigentümerverband Haus und Grund hat zudem schon angekündigt, bei einer erneuten Verlängerung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.
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