piwik no script img

Föderalismus bei SchulpolitikKein zweiter verlorener Sommer!

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Wenn die Länder es wieder nicht hinbekommen, die Schulen im Sommer fit zu machen, gehört der Bildungsföderalismus auf den Prüfstand.

Schülerinnen sitzen am letzten Schultag endlich zusammen Foto: Gregor Fischer/dpa

S icherheit? Fehlanzeige. Zwar bringt die Delta-Variante Deutschland hoffentlich keine folgenschwere vierte Welle. Aber es könnten gefährliche Mutationen folgen. Und diese Pandemie wird wahrscheinlich nicht die letzte gewesen sein. Die Gesellschaft muss sich zwingend darauf einstellen. Und verdammt weit oben auf der Liste der dringenden Anpassungen steht das Schulsystem. Der letzte Sommer war ein verlorener Sommer. Das darf dieses Jahr nicht wieder passieren!

Bis zum Herbst ist ein Riesenprogramm zu bewältigen. Gebäude müssen umgebaut werden, für neue klimagerechte Schulen braucht es Lüftungskonzepte, Breitbandausstattung fehlt vielerorts ebenso wie Rechner- und Geräteausstattung für Kinder. Schüler:innen-Terminals müssen stabil und das WLAN ausgebaut werden und natürlich dringend Fortbildungen. Aber es braucht vor allem eines: eine koordinierte Linie der Bildungsminister:innen.

Was war das eine Kakofonie, die die Kultusminister(:innen) konferenz (KMK) im vergangenen Jahr produziert hat. Es dauerte Monate, bis endlich ein Digitalpakt verhandelt war, im Juli 2020, viel zu knapp, um nach den Sommerferien in ausreichend Geräte umgewandelt zu sein. Es wurde November, bis Geld für den technischen Support des Digitalunterrrichts bereitgestellt war. In der Zeit schmierten die immerhin entwickelten Lernplattformen fröhlich ab. Die Expertise, die die KMK zu Lüftungsanlagen eingeholt hatte, interpretierten Länder und Städte so, wie es ins Konzept passte. Und die Kriterien für Öffnung und Schließung der Schulen verhandelten sie gleich ganz unter sich.

Ja, nicht nur Eltern sind nach diesem Corona-fast-ohne-Schule-und-wenn-dann-mit-abstürzenden-Lernplattformen-Jahr am Anschlag. Das gilt auch für engagierte Leh­re­r:in­nen und Ex­per­t:in­nen in den Bildungministerien. Aber nun müssen alle Schulen pandemiefit gemacht werden. Wenn die Kul­tus­mi­nis­te­r:in­nen das nicht gemeinsam und für alle Schü­le­r:in­nen hinbekommen, hat der Bildungsföderalismus in Deutschland versagt und gehört auf den Prüfstand.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Dass es in der Tat einen Riesenbedarf gibt, was zu tun, heißt nicht dass der Föderalismus falsch ist. Da muss halt der Bund:

    1. klare gesetzliche Vorgaben machen

    2. Mittel dazu bereit stellen - und das beinhaltet qualifiziertes Personal

    Vieles an der Schulpolitik im Allgemeinen und bei der Digitalisierung im Besonderen liegt ja genau deswegen im Argen, weil die Politik keine müde Mark ausgeben will, um die Situation zu verbessern. Soll halt alles kostenneutral sein. Wenn da was passiert, machen das Lehrer:innen in ihrer Freizeit.

    Was dann ja auch die Frage beantwortet, wie viel der Gesellschaft und ihren politischen Repräsentanten die Schulkinder wirklich wert sind.

    • @jox:

      Der Bund kann halt keine klaren gesetzlichen Vorgaben machen oder Mittel und Personal bereit stellen, wenn er nicht zuständig ist. Hier vertauschen Sie die Reihenfolge.

      Erst muss der Föderalismus in dieser Frage überwunden werden und dann kann der Bund agieren.

      • @DiMa:

        Sehe ich nicht so - der Bund kann selbstverständlich Rahmengesetzgebungen machen und Mittel bereit stellen, diese umzusetzen.

        Genau so ist es in anderen Bereichen doch auch. Nur mal als Beispiele: Die Polizei ist Ländersache. Aber die Polizei setzt das Strafgesetzbuch durch, und das wird vom Bundestag festgelegt. Das Ausländerrecht wird u.a. von den Meldebehörden umgesetzt, aber wird vom Bund festgelegt. Arbeitsschutzvorrschriften werden u.a. im Arbeitsrecht festgelegt (Bundeskompetenz), die Durchführung erfolgt z.B. durch die örtliche Gewerbeaufsichtsbehörde.



        Ein Tempolimit auf innerörtlichen Straßen wird durch die STVO festgelegt, die Durchführung ist Sache der Kommunen.

        • @jox:

          Die uneingeschränkte Gesetzgebungskompetenz im Bildungsbereich liegt ohne wenn und aber beim Bund und der Bund darf sich nicht einmischen. Das Ganze scheitert dann gegebenenfalls in Karlsruhe.

          Sie verwechseln in Ihren Beispielen Äpfel mit Birnen.

  • Ein zentralistisch organisiertes Bundeskultusministerium wird die Versorgung der Schulen mit IT, Luftfiltern und was sonst noch so zum Lernen nötig ist bestimmt viel besser hinkriegen als die Länder. Wie gut dieses Konzept funktioniert sieht man ja zB beim Verteidigungsministerium. Wenn dann mal die Tafelkreide alle ist, muss die Schule nur noch den Antrag in dreifacher Ausfertigung nach Berlin faxen und schon nach 10, 15 Jahren kann der Unterricht mit frischer Kreide weitergehen.

    • @Ingo Bernable:

      Erwähnen Sie besser nicht das Verteidigungsminiserium. Wenn ich an die Leistung der Regierung zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung in letzten 1 1/2 Jahren, und die langfristige Vorbereitung dafür, denke, dann wird mir wirklich schlecht bei dem Gedanken, dass Deutschland mal ernsthaft angegriffen wird. Da würde es ein paar Cruise Missiles in die Wasser- und Stromversorgungseinrichtungen geben, die eine oder andere Raffinerie, vielleicht noch ein zwei Internetknoten wie DE-CIX, und wenige Wochen später wären die meisten von uns tot.

    • @Ingo Bernable:

      Ja, wie gut das auf der Ebene der Länder (mit Unterzuständigkeiten bei den Bezirken incl. Bezirksstadträte und Schwesterzuständigkeiten im Bauwesen) funktioniert sieht man ja anhand der verkorksten Ausschreibungen bei der Schulgebäudereinigung und dem Schulessen in Berlin.

      Natürlich läuft beim Verteidigungsministerium auch nicht alles rund.

      Daher sollte man alternativ darüber nachdenken, die gesamte Schulverwaltung, Beschaffung und das Gebäudemanagement im Rahmen einer Auftragsverwaltung nach Bayern zu vergeben und dorthin auszulagern.

  • Was muss der Bürger eigentlich noch alles ertragen, damit der Zustand "bald auf den Prüfstand" endlich überwunden und die Bildungspolitik in die Hände des Bundes gegeben wird. Nicht erst der letzte Sommer war ein verlorener Sommer sondern schon viele Sommer davor.

    Die ganze Kultusministerkonferenz muss bitte kurzfristig abgeschafft werden.

  • Ich prophezeihe mal, dass niemand im staatlichen Schulsystem die Versäumnisse mehrerer Dekaden in 6 Wochen beseitigen wird...

    • @Grenzgänger:

      Man könnte ja aber mal anfangen. Hätte man letzten Sommer schon machen müssen.

      • @sujall:

        > Man könnte ja aber mal anfangen.

        Wäre eigentlich gar nicht so dumm.

        Was, wenn uns in der nahen Zukunft so einer Art gesellschaftliche Bewährungsprobe begegnet, oder gar eine nie da gewesene krisenhafte historische Herausforderung für die ganze Menschheit, wo wir dann auf alle denkbaren Ressourcen und ganz besonders auch eine gut ausgebildete nächste Generation angewiesen sind?

        (Natürlich ist diese Vorstellung völlig hypothetisch, mir fällt da gerade rein überhaupt nichts konkretes ein).