Fehlende Milliarden des Bundes: Täglich grüßt das Haushaltsloch
Der Streit über die Finanzen für 2025 ist im vollen Gange. Um Geld fürs Militär zu sichern, will Bundesfinanzminister Lindner beim Sozialen sparen.
Eine Möglichkeit für die Regierung wäre, Ausgaben zu kürzen und Mittel aus einigen Bundesministerien in andere umzuverteilen. Wie schon für den Haushalt 2024 werden SPD, Grüne und FDP wohl auch für 2025 diesen Weg gehen. Denn die andere Variante – höhere Einnahmen – funktioniert vermutlich nicht. Dazu ist das Wirtschaftswachstum zu gering. Und sowohl größere Steuererhöhungen als auch umfangreichere Schulden schließt Lindner aus.
Als einen Ort, wo ein paar Milliarden Euro zu holen sein könnten, betrachtet der FDP-Finanzminister den Etat von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Regierung müsse die „Sozialsysteme nachhaltig aufstellen“, sagte Lindner kürzlich. So sollten zum Beispiel die Ausgaben für Langzeitarbeitslose gedrückt werden, indem man sie wieder verpflichte, auch unattraktive Jobs anzunehmen.
Tatsächlich ist das Budget des Arbeits- und Sozialministers das größte des gesamten Haushaltes. In diesem Jahr stehen Hubertus Heil 176 von 477 Milliarden Euro zur Verfügung, ein gutes Drittel. Der wesentliche Teil davon (rund 130 Milliarden Euro) wird für die Renten und die Grundsicherung im Alter ausgegeben. Weitere rund 47 Milliarden Euro fließen in das Bürgergeld und ähnliche Leistungen. Diese Ausgaben kann man aber nicht einfach kürzen: Teils beruhen sie auf Ansprüchen, die die Rentner während ihrer Arbeitsleben erworben haben, teils sichern sie das unbedingt nötige Existenzminimum armer Menschen ab. Umfangreiche Kürzungen im Sozialetat mag man sich wünschen, realistisch sind sie nicht.
80 Milliarden Euro jährlich fürs Militär?
So rücken neue Sozialleistungen in den Fokus. Auf Initiative unter anderem der grünen Familienministerin Lisa Paus will die Regierungskoalition eigentlich die Kindergrundsicherung einführen, die 2025 erstmals rund 2,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten soll. Die FDP bemängelt jedoch, dass 5.000 neue Verwaltungsstellen geschaffen würden, um das Geld auszuzahlen. Denkbar erscheint deshalb, dass sich das Vorhaben verzögert, was weniger Ausgaben im Bundeshaushalt 2025 bedeutete.
Für die Bundeswehr stehen dieses Jahr 52 Milliarden Euro im Haushaltsplan, rund 11 Prozent aller Ausgaben. Hinzu können einige Milliarden Euro aus dem Sondervermögen kommen, das der Bundestag 2022 wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine einrichtete. Soweit aus der Koalition zu hören ist, soll diese Summe 2025 nicht sinken – allerdings auch nicht steigen, was sich angesichts der militärischen Schwäche der Ukraine als problematisch erweisen könnte.
Um das Nato-Ziel – 2 Prozent Militärausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – auch ab 2028 einzuhalten, müsste der Verteidigungshaushalt auf über 80 Milliarden Euro jährlich steigen, zumal das Sondervermögen dann aufgebraucht sein wird. Um das wenigstens teilweise zu finanzieren, schlägt Lindner vor, die dann fällige Tilgung der ab 2020 aufgenommenen Coronaschulden hinauszuschieben. Das sei machbar, so Lindner, wenn die Staatsverschuldung bis dahin wieder unter 60 Prozent des BIP gesunken sei. Diese Logik bedeutet: Weiterhin Sparen, keine neuen Sozialausgaben, Militär ist wichtiger.
Vor diesem Hintergrund erscheint es widersinnig, wenn Finanzminister Lindner außerdem noch Steuersenkungen in Aussicht stellt, die die Einnahmen verringern, die Lücke zu den Ausgaben also vergrößern. Er plädiert für einen höheren Grundfreibetrag in der Einkommensteuer. Und er möchte er die Steuersätze insgesamt so anpassen, dass auch alle anderen Beschäftigten weniger zahlen.
Lässt sich das noch verhindern? Bis Mitte April sollen die Ministerien eigene Sparvorschläge bei Lindner einreichen. Um allzu viel Aufregung zu vermeiden, wird es aber wohl bis zu den Europawahlen Anfang Juni keine Entscheidung geben. Diese könnte in Spitzengesprächen zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner vor der Sommerpause des Bundestages fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels