Fast vergessene Corona-Pandemie: Ein Kampf, der zu gewinnen wäre
Die Pandemie ist noch immer da – doch der Krieg in der Ukraine und die Coronamüdigkeit der Bevölkerung verhindern, dass sie weiter bekämpft wird.
E s herrscht Krieg in Europa, und er lässt derzeit keinen mehr los. Wer könnte wegsehen, wenn ein Land überfallen und zerbombt, seine Zivilbevölkerung angegriffen und getötet wird? Doch der wichtige Kampf um die Freiheit der Ukraine darf keine Entschuldigung dafür sein, dass ein anderer Kampf fast unbemerkt aufgegeben wird: der Kampf gegen die Pandemie.
Corona ist immer noch da, und wie. Die Zahl der Infizierten steigt seit nunmehr einer Woche wieder deutlich, die Inzidenzen liegen in mehr als drei Viertel aller Landkreise über 1.000, in Dutzenden um 3.000. Die Hospitalisierungen nehmen zu. Für Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut mehr als 300 Coronatodesfälle, laut Direktabfrage der Gesundheitsämter waren es 359. Die Bundesregierung hält jedoch daran fest, alle Maßnahmen bis zum 20. März aufzuheben. Als wäre Corona tatsächlich vorbei.
Dass dem nicht so ist, wissen Bund und Landesregierungen, man ist ja nicht blöd. Deshalb wurde in letzter Minute beschlossen, im Infektionsschutzgesetz noch eine Handlungsoption zu verankern. Die Länder sollen erneut Maßnahmen einführen können, wenn sie es für nötig halten. Die Frage ist nur, warum sie das nicht jetzt schon für nötig halten.
Vielleicht liegt es daran, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor einer Sommerwelle warnt – und jetzt ist ja erst mal Frühling. Vielleicht liegt es auch daran, dass eine erneute Verschärfung der Maßnahmen die leidige Impfpflicht wieder ins Spiel brächte, die zwar weiterhin nötig ist, politisch aber von niemandem mehr recht gewollt wird – weshalb man die Coronamüdigkeit der Bevölkerung schweigend für eine natürliche Immunisierung nutzt.
Der Preis für diese Durchseuchung dürfte höher sein, als der brisenhafte Begriff „Sommerwelle“ vermuten lässt. Im Gegensatz zur dreifachen Impfung schützen Infektionen mit Omikron nicht vor anderen Varianten – und die nächste Mutante könnte aggressiv sein. Der Kampf gegen die Pandemie muss deshalb weitergehen. Gewinnen lässt er sich nur mit der Impfpflicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken