Fans dürfen nicht gegen AfD protestieren: Politik hat Stadionverbot
Nachdem sie im Stadion gegen die AfD protestierten, hat der VfB Oldenburg seinen Fans verboten, politische Banner zu zeigen. Das wirft Fragen auf.
Diese und weitere Vorwürfe machen Fans ihrem Verein in einem mehrseitigen „Lagebericht“, der den Titel „Neutralität in Zeiten des Rechtsrucks“ trägt. Veröffentlicht wurde er auf der Website des Vereins „VfB für alle“ – einer alters- und lagerübgreifenden Fan-Initiative gegen Diskriminierung, die 2015 für ihr zivilgesellschaftliches Engagement mit der DFB-Auszeichnung des Julius-Hirsch-Preises ausgezeichnet wurde. Der Verein hat sich bislang nicht zu den Vorgängen geäußert.
Nicht zuletzt infolge dieses Schweigens haben laut Fan-Verein nach rechts offene Fan-Gruppen in der Kurve an Dominanz gewonnen. Zuletzt sei es bei einem Auswärtsspiel beim SSV Jeddeloh aus den Fanclubs „Ammerländer Jungs“ und „Suburban“ zu sexistischen, homophoben und antiziganistischen Gesängen gekommen. Eine Person aus der Gruppe sei zudem gegenüber einer Frau mit Regenbogen-Fahne tätlich geworden.
Im Umfeld des ehemaligen Fanprojekts, in dem heute die ehrenamtliche Oldenburger Fan-Initiative sitzt, sei zudem mit „Zecken klatschen“ gedroht sowie der Hitlergruß gezeigt worden. Die darüber informierte Vereinsführung um den Geschäftsführer Benjamin Doll habe davon nichts wissen wollen und die Vorgänge weitestgehend ignoriert, heißt es in dem Schreiben. Umso pikanter wird das, weil die Fans dem Vereinsboss sogar eine gewisse freundschaftliche Nähe zu einzelnen der nach rechts offenen Fan-Gruppen nachsagen.
VfB Oldenburg sind unsolidarisch
Nicht nur das wirft ein paar Fragen auf: Doll ist beim VfB Oldenburg seit Anfang des Jahres als Geschäftsführer tätig. Zuvor war er Marketingleiter beim Hammer SV in Nordrhein-Westfalen. Auch dort hat er sich schon einmal in Widersprüche verwickelt, nachdem er zusammen mit Rechtsradikalen in einem Fanbus gesessen haben soll.
Beim VfB Oldenburg ist das Klima laut dem Fan-Verein seit Saisonbeginn rauher geworden. Seitdem hängt die Regenbogen-Flagge nicht mehr im Stadion und eine geplante Infotafel mit verbotenen rechten Klamottenmarken wird nicht aufgestellt. Ein Fan-Gedenken an das jüdische Gründungsmitglied Leonard Moses Hirschtick ignorierte der VfB Oldenburg. Eine von Fans erbetene Solidaritätsbekundung des Vereins für eine Mitarbeiterin des Fanprojekts blieb aus: Bei ihr war eingebrochen worden, ihr Mobiliar wurde mit Hakenkreuzen beschmiert.
Jonas Gabler, Fan-Experte
Der Verein will sich zu den offenen Fragen nicht äußern. Auch auf mehrmaliges Nachfragen der taz gibt es keine offizielle Stellungnahme. Der ehrenamtliche Sprecher sei beruflich verhindert und der Geschäftsführer ausnahmslos in Terminen, hieß es. Erst für den Donnerstagvormittag kündigte der Verein eine ausführliche Antwort an.
Gegenüber den Fans hatte es als Grund für das Banner-Verbot geheißen, der VfB Oldenburg sei konfessionell und politisch ‚neutral.‘ In einer schriftlichen Mitteilung an die Fans von Vorstand, Geschäftsführung und Sicherheitsbeauftragten hieß es, dass schriftliche Äußerungen diesbezüglich nicht mehr zugelassen seien. Banner, Spruchbänder und Choreografien, die über die Selbstdarstellung der Fangruppen hinausgingen, müssten zukünftig angemeldet werden. Nicht angemeldete Plakate würden künftig entfernt.
Die Fans wünschen, dass sich diese eigenartige Vereinspolitik wieder ändert: „Viele Jahre ist es uns gemeinsam mit den Verantwortlichen beim VfB gelungen, für ein Klima im Stadion Sorge zu tragen, bei dem sich die Menschen in geschützter Atmosphäre wohl fühlen können.“ Es sei wichtig, schreiben sie, dass sich der Verein weiterhin deutlich für Menschenrechte und gegen Rassismus positioniere. „Das Stadion ist kein apolitischer Raum.“ Gerade jetzt, wo der Rechtsruck die Grenzen des Sagbaren und die gesellschaftlichen Diskurse zunehmend nach rechts verschöben, sei es wichtig, Position zu beziehen und eine klare Haltung einzunehmen. Lange habe man sich schwer damit getan, mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen – aber man habe sich nicht ernst genommen gefühlt.
Beim Fandialog mit Innenminister Pistorius (SPD) gibt es einiges zu besprechen
Jonas Gabler von der staatlich geförderten „Kompetenzgruppe Fankulturen und Sportbezogene Soziale Arbeit“, kann die Haltung des Vereins nicht nachvollziehen. Der Politikwissenschaftler und Fan-Experte, der zu Ultras und Rechtsextremismus geforscht hat, sagt: „Ich fühle mich zurückversetzt in die Achtziger: Es ist fatal, wenn man nicht in der Lage ist, Diskriminierung im Stadion zu unterbinden und dann auch noch Fans Steine in den Weg legt, die sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen.“
Neutralität hieße ja nicht, dass ein Verein sich nicht gegen rechte Positionen positionieren dürfe. Das täten Vereine wie Werder Bremen und Eintracht Frankfurt schließlich auch. „Ganz bestimmt muss man als Verein auch keine parteipolitische Neutralität in der Kurve durchsetzen. Der Verein unterbindet ja ebenso wenig jede Diskriminierung in der Kurve, auch wenn möglicherweise in der Satzung steht, dass Diskriminierung unerwünscht ist“, sagt Gabler. Die Vorwürfe durch „VfB für alle“ hält er für durchweg glaubwürdig. Deswegen hat er gemeinsam mit knapp 90 anderen Institutionen und Personen eine Solidaritätserklärung mit den Oldenburger Fans unterzeichnet.
Passend dazu findet am heutigen Donnerstag im Oldenburger Sportpark Donnerschwee der dritte niedersächsische Fandialog mit Innenminister Boris Pistorius (SPD) statt. Unter dem Titel „Wohin steuert der Fußball – Das Stadion spricht!“ soll über Konflikte innerhalb von Vereinen und Verbänden diskutiert werden. In Oldenburg gibt es da offensichtlich einiges zu besprechen.
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